Читать книгу Wall Street Blues - Annette Meyers - Страница 15

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Die Blicke der beiden Frauen begegneten sich, als das Schloß aufsprang.

An Silvestris Ende blieb die Leitung einen Augenblick stumm. »Wie lange sind Sie noch dort, Miss Wetzon?«

»Eine Stunde vielleicht noch. Ich bin wirklich müde und möchte nach Hause, Sergeant. Normalerweise würde ich es auf sich beruhen lassen, aber ich halte es für wichtig.«

»Ich komme hoch, sobald ich kann, und dann bringe ich Sie nach Hause.«

»Gut.« Wetzon legte langsam den Hörer auf. Das war nett. Er wollte sie nach Hause fahren. »Ich glaube, er ist immer noch im Four Seasons«, sagte sie. Sie fragte sich, ob er aus derselben Telefonzelle anrief. Sie schauderte. Sie sah Barry wieder vor sich, wie er aus der Telefonzelle auf sie zurutschte.«Armer Barry«, sagte sie.

»Armer Barry, nichts da«, bemerkte Smith naserümpfend. »Der Schaumschläger hat wahrscheinlich seine habgierige Nase in etwas gesteckt, was ihn nichts anging, und wurde erwischt.« Sie interessierte sich nicht mehr für Barry« nur noch für den Diplomatenkoffer – und den Mord. Smith klappte den Deckel hoch. »Und wir wissen beide, daß Barry, wenn aus seinem Wissen Kapital zu schlagen war, bereit war, es zu tun, legal oder illegal. Das mußt du zugeben.«

»Klar, du hast recht«, sagte Wetzon mit einem Seufzer.«Aber was könnte er getan haben, daß er es verdiente, ermordet zu werden?«

»Warten wir ab, ob wir es nicht herauskriegen können«, erwiderte Smith forsch. »Wir nehmen alles Stück für Stück heraus, so daß wir es in derselben Reihenfolge wieder hineinlegen können, wie wir es gefunden haben.«

»Vielleicht sollten wir das überhaupt lassen«, sagte Wetzon, aber ihre Neugier war geweckt, und sie wußte, daß sie genauso tief drinsteckte wie Smith. »Wir verstoßen vermutlich gegen das Gesetz.«

Sie sahen einander an und grinsten.

»Machen wir eine Liste von dem, was wir finden.« Wetzon holte ihr Ringbuch aus der Handtasche und blätterte die Kalender- und Adreßseiten durch, bis sie zu den Notizblättern kam.

»Bereit?« fragte Smith. »Wir fangen hier an und heben uns das Zeug in dem Harmonikafach bis zuletzt auf.«

Der Diplomatenkoffer hatte ein großes Hauptfach und ein harmonikaartig ausziehbares Fach, das an der inneren Abdeckung befestigt war. Smith klappte den Deckel zum Hauptfach auf.

»Also dann mal los. Eins: Forschungsberichte und Prospekte von Shearson, Bache, Merrill Lynch, Paine Webber, Alex Brown, seine Firma … meine Güte, der hat Unmengen von diesem Zeug.«

Barry hatte ein Netz von Freunden in allen Firmen, und sie versorgten sich gegenseitig mit einem nie versiegenden Nachschub an Informationen. Makler mit Selbsterhaltungstrieb neigten dazu, solche Beziehungen zu entwickeln, um andere Quellen außerhalb der Nachforschungen ihrer eigenen Firma zu pflegen. Sie waren darauf angewiesen, weil die Makler schworen, daß ihre Firmen so gut wie nie recht hatten, und bis eine Aktie den Auftraggebern des Maklers empfohlen wurde, hatten institutionelle Anleger, etwa Banken, die Aktie bereits gekauft und verkauft, und sie befand sich auf dem Weg nach unten. Eine Hand wusch die andere bei diesem Geschäft, in der einen wie in der anderen Richtung. Es war ein Geschäft der Kompromisse, tatsächlicher oder psychologischer.

Smith stapelte die Berichte auf dem Teppich neben dem Koffer auf.

»Zwei: Ein Gucci-Adreßbuch. Guck mal an. Und was für ein schönes.« Sie drehte und wendete es in der Hand. Das würde ich mir gern näher ansehen, aber wir haben vielleicht dazu keine Zeit.«

»Was ist das?« Wetzon zog einen großen, dicken weißen Plastikbeutel heraus. Quer darüber war in blauer Blockschrift YORK HOSPITAL aufgedruckt. »Es fühlt sich wie etwas zum Knabbern an, Smarties, Nüsse oder so.«

»Hier drunter ist noch einer«, sagte Smith und zog ihn heraus.

Wetzon machte ihn auf und sah hinein. »Du meine Güte«, murmelte sie.

»Was ist drin?«

»Augenblick. Gib mir den Aschenbecher dort.« Ungewohnt folgsam langte Smith nach dem großen Milchglasaschenbecher neben ihrem Bett. Wetzon war ein wenig überrascht, ohne daß es ihr richtig bewußt wurde. Was hatte ein Aschenbecher in Smith’ Schlafzimmer zu suchen? Sie war Nichtraucherin.

Wetzon leerte den Inhalt des Plastikbeutels in den Aschenbecher. Kapseln ergossen sich heraus, eine Unzahl von Farben, Formen und Größen. Pillen und Plastikröhrchen türmten sich zu einem gewaltigen Hügel an.

»So – der große Bonbonberg«, sagte Smith leise.

»Ist denn das die Möglichkeit? Was ist in dem anderen Beutel?«

Smith riß ihn auf und starrte hinein. »Noch mehr davon. Und da hinten ist noch so ein Beutel.«

»Faß ihn nicht an. Tun wir einfach wieder alles dahin, wo es war. Es macht mich nervös. Halt mir das auf.« Wetzon warf Smith den leeren Plastikbeutel zu und kippte, während Smith ihn aufhielt, den Inhalt des Aschenbechers hinein.

Smith schwieg ausnahmsweise. Sie verschloß die Beutel so, wie sie sie gefunden hatte, und verstaute sie wieder im Koffer.«Dein armer Barry befaßte sich mit viel mehr als mit Neuemissionen, wie ich immer behauptet habe«, murmelte sie. »Das heißt, ganz so arm war er ja wohl nicht.«

»Das wird mir unheimlich«, sagte Wetzon. »Lassen wir die Finger davon.«

»Moment mal. Sieh da.« Smith hatte einen Minikassettenrecorder vorgekramt. Sie drehte ihn um. »Da ist eine Kassette drin, halb abgespielt. Die müssen wir uns anhören«, sagte sie eifrig. »Es könnte wichtig sein.«

Sie hatte den Handtuchturban vom Kopf genommen. Die Aufregung hatte ihr Gesicht gerötet, und ihr dunkles Haar war füllig und duftig getrocknet.

Auch Wetzon war aufgeregt. Es konnte nicht schaden, zu wissen, was auf dem Band war. Sie drückte die Rücklauftaste des winzigen Recorders und wartete auf das leise Klicken. Dann drückte sie auf play, und Barrys Stimme erklang metallisch.

»Kannst du es lauter stellen?« Smith lehnte den Rücken ans Fußende ihres Betts.

Wetzon ließ es noch mal zurücklaufen und startete es neu. »Dienstag, 26. März«, sagte Barry.

»Heute«, bemerkte Wetzon.

»Pscht«, sagte Smith.

Dann hörte man einen Summer auf dem Band.

»Ja«, krächzte eine Männerstimme.

»Mr. Seltzer«, antwortete eine Frauenstimme.

»Gut«, sagte die Männerstimme. »Stellen Sie ihn durch.«

»Jake?« Die Stimme des zweiten Manns.

»Ja, Art. Was hast du?«

»Sie haben wieder angerufen«, sagte Art. »Sie wissen, daß was im Busch ist. Ich habe sie wieder hingehalten, aber sie fangen an nachzustoßen, und ich mache mir langsam wegen der Börsenaufsicht Sorgen. Das hätte mir gerade gefehlt, daß die SEC ausgerechnet jetzt rumschnüffelt. Bist du sicher, daß du mich decken kannst?«

»Klar. Mach dir keine Sorgen.«

»Okay, okay, aber was ist mit der Geschichte mit Mildred?«

»Das ist mein Bier.« Jake hörte sich verärgert an. »Du kümmerst dich um deines. Ich habe Mildred kaltgestellt, und sie weiß es nicht mal.« Er lachte, und selbst bei der schlechten Aufnahmequalität kam die unverblümte Bosheit im Ton durch, so daß es Wetzon kalt über den Rücken lief. »Ich habe was gegen sie in der Hand, das sie ausschaltet. Auf Dauer.«

»Hm, okay, aber hol dir die Zertifikate zurück, bevor du was unternimmst.«

»Das brauchst du mir nicht zu sagen, Kumpel.«

»Klar, aber mein Leben steht auf dem Spiel, mein Lieber. Ich habe bei der Rechnungsprüfung für dich gebürgt. Ich könnte alles verlieren.«

»Schon gut, okay, aber irgend jemand weiß zuviel über meine Geschäfte, um das weiterlaufen zu lassen. Wir haben einen verdammten Spion im Laden, und wenn ich den erwische, bring ich ihn um. Moment mal …« Jake unterbrach sich an dieser Stelle, und der Rest des Bands war leer.

»Das ist Jake Donahue«, bemerkte Smith überflüssigerweise.

»Ich weiß. Smith, Barry muß der Spion gewesen sein. Vielleicht wurde er erwischt. Er sah aus, als hätte er einen Faustkampf hinter sich, als wir uns heute abend trafen.«

»Wenn ja, warum haben sie dann nicht die Kassette und den Recorder bekommen?«

Wetzon ließ das Band zurücklaufen und legte den Recorder auf den Teppich neben das Gucci-Adreßbuch. »Ich weiß nicht, aber es ist ziemlich klein. Er hätte es in der Innentasche seines Jacketts haben können. Oder vielleicht hatte er es gar nicht dabei, und sie haben ihn deshalb zusammengeschlagen.«

»Was meinst du, was er herausgekriegt hat?« fragte Smith. «Und wer ist Mildred?«

»Ah, wer ist Mildred?« wiederholte Wetzon theatralisch. »Was ist sie, die aller Welt Verehrung?«

Smith starrte sie verständnislos an. »Also wirklich, Wetzon, manchmal redest du ein Zeug daher …«

»Ein kleiner Ausrutscher«, murmelte Wetzon. Sie durfte nie versuchen, sich bei Smith auf literarisches Terrain zu begeben. »Es gibt nur eine allgemein bekannte Mildred in der Branche. Und zufällig war sie mal mit Jake Donahue verheiratet. Mildred Gleason.«

»Aha, ja«, sagte sie, indem sie W. C. Fields imitierte.«Denken wir darüber nach.«

»Dieses Zeug sieht mehr nach Recherchen aus«, sagte Wetzon.

»Ja, und hier ein Handbuch über Aktien und Wertpapiere.« Smith hielt ein gebundenes Buch hoch. »Und Superaktien von einem Kenneth L. Fisher.«

»Kein Wunder, daß der blöde Koffer so schwer war.«

Sie hörten den Summer aus der Diele.

»Verdammt. Dein freundlicher Detective hat sich aber beeilt.« Smith stand auf und reckte sich. Sie überließ es Wetzon, das Durcheinander zu beseitigen.

Hastig legte Wetzon alles in der richtigen Reihenfolge wieder hinein und bewegte den Deckel, um den Koffer zu schließen, aber ein schwerer Gegenstand rutschte aus dem Harmonikafach heraus und blockierte das Schloß.

»Um Gottes willen, Xenia«, stieß Wetzon atemlos hervor. »Da – eine Pistole.«

»Was?« Sie war schon halb durch die Schlafzimmertür und kam in einem Wirbel von Rot und Schwarz zurück, um auf die dicke, glänzende Mündung einer kleinen Automatik zu starren.

Der Summer ertönte zum zweitenmal. »Rühr dich nicht. Ich bin gleich wieder da«, sagte sie und eilte in die Diele. Sie sprach kurz über die Gegensprechanlage mit Tony und war wieder da. Wetzon hatte sich nicht bewegt. Sie war auf den Knien und saß auf ihren Fersen. Ihre Hände waren feucht.

Sie starrten die Pistole an, die halb aus dem Diplomatenkoffer ragte.

»Schieb sie zurück«, drängte Smith. Ohne Grund flüsterte sie. »Nein, mit deinem Kuli. Faß sie nicht an.«

Vorsichtig stieß Wetzon die Mündung der Pistole in den Koffer. Der Koffer schloß sich durch das Gewicht des Harmonikafachs von selbst. Sie drückte auf den Deckel, und das Schloß schnappte ein. Sie zitterte.

Es läutete an der Tür.

Wall Street Blues

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