Читать книгу Mörderisches Musical - Annette Meyers - Страница 12
Оглавление»Erzähle mir alles«, befahl Smith. »Und ich meine alles.« Ihre haselnußbraunen Augen blitzten vor Neugier und Vorfreude. Die verrücktesten Sachen brachten sie in Stimmung.
Coco Pazzo an einem Sonntag abend. In Wirklichkeit war es erst halb sieben, doch Wetzon hätte schwören können, daß sie gerade zwei Wochen in einem kalten, schmutzigen Alptraum verbracht hatte. Sie seufzte. »Laß mich erst einmal verschnaufen, Smith. Ich bin es immer wieder durchgegangen mit diesem schrecklichen Detective… «
»Dilla Crosby war letzten Monat in Mirabella abgebildet. Sie war im Kommen…«
»Nicht mehr.« Es klang schnoddriger, als sie gewollt hatte.
»Um Himmels willen, Witze. Du machst immer bloß Witze. Du läßt einen nie teilhaben.«
»Gerade eben lasse ich dich teilhaben.« Was sie sich teilten, war ein toskanischer Antipasto aus gegrillten Gemüsen und Fadennudeln mit Meeresfrüchten, Hausmacherart, wie Coco Pazzo das Abendessen an zwanglosen Sonntagabenden servierte. Das Restaurant war so in, daß man Wochen im voraus reservieren mußte. Hier speisten alle wichtigen Leute. Aber davon abgesehen war das Essen auch köstlich, und die cremefarbenen Wände, weißen Tischdecken und Stilleben aus Flaschen und Karaffen machten die Atmosphäre des Raumes aus, der einmal der Speisesaal des Volney Hotels gewesen war.
Smith verdrehte die Augen zum Himmel, als wäre der Umgang mit Wetzon eine schwere Bürde. Sie schüttelte die dunklen Locken auf. Ihre Fingernägel schimmerten in einem makellosen tiefen Rosa. »Du bist die schwierigste Person, die ich kenne, und je älter du wirst, desto schlimmer wird es.«
»Tausend Dank. Du bist mir eine Freundin. Du würdest auch nicht gerade einen Preis für Liebenswürdigkeit gewinnen.« Wetzon betrachtete ihre Geschäftspartnerin prüfend. Sie war eine schöne Frau. Glatte olivenfarbene Haut, hohe Backenknochen und mandelförmige Augen. Und ihre makellose Figur hielt Smith, ohne auch nur den kleinen Finger zu körperlicher Betätigung zu heben. Und groß war sie. Was konnte man mehr wünschen? Dennoch war Smith nie zufrieden – wenigstens nicht für sehr lange. Sie war narzißtisch. Sie wechselte Liebhaber, wie sie ihre Garderobe wechselte, und sie packte das Leben an, als wäre es eine einzige große Verführung. Verführen und beherrschen.
Daß Wetzon sie nach so vielen Jahren gut genug kannte, um nicht verletzt zu sein, verstand sich von selbst, doch es funktionierte nicht immer so.
Smith trank einen Schluck Rotwein und füllte aus einem Becher das dunkelgrüne Olivenöl auf dem flachen Teller nach, dann tunkte sie einen Keil Focaccia in das Öl. »Warum bist du so gereizt?« Sie nahm einen Bissen und schnurrte beinahe. »Das schmeckt wunderbar.«
Wetzon blickte auf ihren Teller und schob die gerösteten roten Paprika näher an die Aubergine und die Aubergine näher an die Zucchini. »Weißt du, Smith, manchmal sehe ich uns wie ein altes Ehepaar. Wir kamen in einer stürmischen Romanze zusammen und haben praktisch nichts gemein. Und jetzt, wo der Lack ab ist, ergeben sich aus unserer unterschiedlichen Einstellung zum Leben Anlässe für Streit.« Sie blickte über den Tisch und sah überrascht, daß Smith’ Augen in Tränen schwammen. »Du meine Güte, tu das jetzt nicht.«
»Was meinst du, ›tu das jetzt nicht‹? Du hast mir schrecklich weh getan. Versuchst du, mir mitzuteilen, daß du unsere Partnerschaft lösen willst?«
Wetzon war bestürzt. Wie hatte sie es dazu kommen lassen können? »Nein! Mein Gott, nein! Wir sind gut zusammen, oder nicht?«
»Das habe ich immer geglaubt.« Smith tupfte mit einem Papiertuch ihre Tränen ab und schniefte. »Und du bist meine beste Freundin, Zuckerstück. Ich liebe dich.« Sie griff über den Tisch nach Wetzons Hand.
Wetzon fühlte sich elend. »Ich dich auch. Ich habe einfach so dahingeredet.« Sie ließ Smith ihre Hand nehmen.
»Aber du gehst so achtlos mit meinen Gefühlen um…«
»Okay. Genug. Ich habe es nicht so gemeint. Was willst du über Dilla wissen?« Schon war sie wieder in Smith’ Klauen. Wie war das passiert?
»Warum könnte ihr jemand den Schädel einschlagen wollen?« Smith kostete das Bild aus, das ihre Worte heraufbeschworen hatten. Gewöhnlicher Mord ließ sie ziemlich kalt, aber ein aufsehenerregender Prominentenmord war etwas ganz anderes.
»Ich weiß nicht. Ich habe Dilla seit Jahren nicht mehr gesehen. Sie war früher Gruppentänzerin mit Carlos und mir, aber sie war ehrgeizig. Und habgierig. Sie tat nie etwas, wenn nichts dabei heraussprang. Geld und/oder Macht. Ich meine, Beziehungen und so. Männer überschütteten sie mit Schmuck, Kleidern und Pelzen. Mann, ich weiß noch, wie sie einmal in einem herrlichen Blackglama-Nerzmantel herumstolzierte, während wir für Chorus Line vortanzten. Sie gab damit an. Man wußte, daß sie immer eine Sache laufen hatte, Sex für Geld…« Auweia, dachte sie, ich beschreibe Smith.
Smith spielte mit der diamantenbesetzten Spange an der goldenen Gliederkette, die Richard Hartmann, Smith’ derzeitiger Liebhaber, ihr zum vierzigsten Geburtstag geschenkt hatte. »Ich kann solche Frauen einfach nicht ausstehen.« Sie drehte sich nach dem Kellner um.
Wetzon grinste. Sie konnte es nicht unterdrücken.
Smith runzelte die Stirn, als sie sich wieder umwandte. »Trotzdem, warum sollte sie jemand ermorden?«
»Die einzigen Dinge, von denen Dilla angezogen wurde, waren Geld und Macht. Sie ließ sich mit vielen Leuten ein, und sie hatte eine häßliche Gewohnheit, Dinge über sie zu sammeln.«
»Was für Dinge?«
»Informationen. Klatsch halt. Was die Leute nicht nach außen dringen lassen wollten.«
»Ach so, dann war sie eine Erpresserin.« Der Kellner kam an ihren Tisch. Smith verkündete: »Wir sind fertig.«
Wetzon schüttelte den Kopf. »So weit würde ich nicht gehen.« Zum Kellner sagte sie: »Nein, warten Sie. Ich nehme unsere Reste mit nach Hause.« Während der Kellner die Teller abräumte, fuhr Wetzon fort: »Aber Dilla schaffte es, sich ziemlich schnell einen ganz neuen Beruf als Inspizientin und Koproduzentin aufzubauen. Sie kannte Leute, die ihr Geld gaben.«
»Wir hätten gern noch ein paar Biscotti«, sagte Smith zum Kellner. »Und zwei doppelte Espressi.«
»Einen davon bitte koffeinfrei«, warf Wetzon ein.
»Vielleicht war sie einfach eine raffinierte Geschäftsfrau, Liebes.«
»Das war sie bestimmt.« Wetzon grinste sie an. Endlich hatte Smith gemerkt, daß sie und Dilla etwas Gemeinsames hatten. »Was willst du denn mit dem Abfall?« Smith deutete auf die in Alufolie verpackten Reste, die der Kellner auf den Tisch legte.
»Abendessen für morgen.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß du und Alton diese Schnipsel eßt.«
»Alton ist diese Woche in Caracas.«
Smith nickte verständig. »Hätte ich mir denken können. Du lebst wieder als Kirchenmaus.« Das Gebäck kam mit dem Espresso.
Wetzon tunkte die Spitze eines Kekses in den Espresso und knabberte daran. »Einmalig.«
Eine plötzliche Eingebung ließ Smith’ Gesicht aufleuchten. »Es könnte doch ein Raubüberfall gewesen sein. Diese Stadt ist voll von Obdachlosen. Ich wünschte bei Gott, Pat Buchanan würde als Bürgermeister von New York kandidieren.«
»Igitt. Jetzt kommst du wirklich in Fahrt. Und was hat Patrick Buchanan mit dem Mord an Dilla zu tun, wenn ich fragen darf?«
»Warum stellst du dich so an? Ich meine nur, daß manche Obdachlose in leeren Theatern schlafen könnten.«
»Möglich.«
»Und was wird jetzt aus der Show?«
»Ich weiß nicht. Eigentlich soll nächsten Samstag die Premiere in Boston sein.«
»Wird die Polizei sie weglassen?«
»Wir reden von einer Mort-Hornberg-Show, Schatz«, sagte Wetzon gedehnt. »Mort ist eine Institution. Er braucht nur den Hörer abzuheben und seinen Senator, den Bürgermeister, den Justizminister, den Staatsanwalt anzurufen. Es wird schwierig, aber glaub mir, sie gehen nach Boston. Das einzige, was sie wirklich aufhalten könnte, ist die Dreiviertelmillion, die sie brauchen, um die Reisekosten zu decken, und das habe ich möglicherweise erledigt.« Sollte sie Smith von Twoey erzählen?
»Du? Die Rechnung bitte«, sagte Smith, als der Kellner fragte, ob sie noch etwas wünschten.
»Mort bat mich, zu versuchen, einen Investor aufzutreiben, und vielleicht ist es mir gelungen. Ich habe für sie ein Treffen morgen zum Mittagessen im Four Seasons verabredet, mit mir als Anstandsdame und Agentin.«
Nach kurzem Zögern sagte Smith mit gefährlicher Ruhe: »Ich kann es nicht glauben.«
»Glaub es. Du wärst stolz gewesen, wenn du gehört hättest, wie ich meinen Anteil ausgehandelt habe.«
»Deinen Anteil?« Smith machte ein Gesicht, als hätten sich die wunderbaren Biscotti in ihrem Mund in Asche verwandelt.
»Ja.« Es fiel Wetzon schwer, nicht selbstgefällig zu wirken, und schließlich gab sie den Versuch auf.
»Wann ist das gelaufen?«
»Während wir darauf warteten, daß die Polizei uns verhörte. Ich hatte einen guten Lehrer, Partnerin«, witzelte sie.
Smith lächelte geschmeichelt. »Wen hast du bekommen? Ich wußte nicht, daß du Leute kennst, die in das Theater investieren. Jeder Narr weiß, daß man da sein Geld in ein Faß ohne Boden wirft.«
»Ja. Kann sein. Aber die Person, die ich mit Mort zusammenbringe, interessiert sich viel mehr dafür, das Handwerk zu lernen, und ist bereit, für dieses Privileg eine Dreiviertelmillion zu zahlen.« Sie hatte Twoey, Smith’ Exliebhaber, vom Theater aus angerufen, bevor sie losgefahren war, um sich mit Smith zum Essen zu treffen. »Und außerdem können Verluste am Theater ja beim normalen Einkommen abgeschrieben werden.«
»Hm, sehr schön«, bemerkte Smith neidisch. »Was hast du für dich selbst herausgeholt?«
»Ein Prozent von der Kasse von Tag eins an.«
»Das ist kein so tolles Geschäft.«
»Doch, wenn die Show brutto 600 000 Dollar die Woche einspielt, was drin ist, wenn sie ausverkauft ist.«
»Hm. Wer ist dein Investor?«
Wetzon machte eine Pause. Smith würde einen Anfall bekommen. Smith meinte immer, auch wenn sie ein Verhältnis beendet hatte, würden ihr sämtliche Exliebhaber noch gehören. »Goldman Barnes II.«
»Twoey?« Smith’ Stimme wurde lauter.
»Das kann nicht dein Ernst sein!«
»Aber sicher.«
»Dann«, bemerkte Smith ungnädig, »sollte ich ein Stück abbekommen. Schließlich war Twoey…«
Wetzon legte soviel Förmlichkeit in ihre Stimme, wie sie auf Anhieb aufbieten konnte. »Ich tu so, als hätte ich das nicht gehört, Smith.«
»Ich habe nur Spaß gemacht, Liebes.«
Wetzon beobachtete sie vorsichtig. Was hatte sie vor? Dann dachte sie: Das ist falsch. Wir sind Partner, und ich habe kein Recht, allein zu handeln. »Ich habe Spaß gemacht. Wir teilen, fifty-fifty.«
Smith lächelte honigsüß. »Stell dir vor, Twoey als Broadway-Produzent.« Ihr Lächeln wurde strahlend. »Mark wird begeistert sein. Er liebt doch das Theater so sehr. Vielleicht können wir ein Praktikum für ihn arrangieren.«
»Vielleicht. Ich rede mit Mort.« Wetzon mochte Smith’ siebzehnjährigen Sohn Mark sehr und wußte, daß er ins Theater vernarrt war. Sie würde sehen, was sie tun konnte.
»Nein«, widersprach Smith. »Ich rede selbst mit ihm.«
»Du?«
»Ja.« Sie nickte entschieden. »Möglicherweise bin ich selbst an einer kleinen Investition interessiert.«
»Aber…«
»Deshalb werde ich morgen mit euch dreien zu Mittag essen.«