Читать книгу Mörderisches Musical - Annette Meyers - Страница 18
Оглавление»Es will mir einfach nicht in den Kopf, daß getan hast!« Wetzon hatte sich in einen solchen Zorn hineingesteigert, daß sie immer schneller vor Smith herlief. »Und mit unserem Altersgeld! « Kochend vor Wut mußte sie schließlich an der Ecke 49. und Lexington warten, bis Smith sie eingeholt hatte.
»Dir kann man es einfach nicht recht machen, Wetzon. Hast du mir nicht erzählt, daß dieses Musical, an dem Mort Hornberg und deine schwule Person arbeiten, Theatergeschichte schreiben wird?«
Smith hatte aufgehört, von Carlos nur als dem Degenerierten zu reden, nachdem er ein prominenter Choreograph geworden war. »Deine schwule Person« war seine neue Bezeichnung. Und Carlos’ Haß auf Smith war nicht zu übertreffen. Er gab Smith die Schuld, Wetzon vom Theater weggelockt zu haben. Seiner Meinung nach versuchte sie ständig, Wetzon ihre Wertvorstellungen aufzuzwingen. Daß sein geliebtes Häschen sich mit einer so intoleranten und habgierigen Person zusammengetan hatte, war eine Quelle ständigen Ärgers. Carlos und Smith fochten ihren Kampf um Wetzon herum und durch Wetzon aus, die normalerweise zitternd zwischen den Fronten stand.
Dies war wieder so eine Gelegenheit. »›Meine schwule Person‹ hat einen Namen, Smith. Lies meine Lippen. Carlos Prince.« Sie ertappte sich dabei, daß sie auf dem Bürgersteig mit dem Fuß aufstampfte, um ihre Worte zu unterstreichen, zum großen Vergnügen einer in viele Kleiderschichten gehüllten Stadtstreicherin, deren oberste Hülle ein Schafspelzmantel voller Mottenlöcher war.
Die Frau lachte gackernd und schien in die Auseinandersetzung eingreifen zu wollen, als Smith sie anfuhr. »Mach, daß du fortkommst, oder ich lasse dich in ein Heim stecken.«
Die Frau erstarrte. Ihr Gesicht drückte tiefstes Entsetzen aus, als hätte Smith sie zum Tode verurteilt.
»Ich meine es ernst. « Smith drohte ihr mit einem Finger.
»Sie sind ein böser Mensch!« schrie die Stadtstreicherin. »Ich verfluche Sie.« Sie zeigte mit zwei Fingern auf Smith, spuckte darauf, dann griff sie, leise vor sich hin murmelnd, ihren Einkaufswagen, der mit platzenden Plastikmüllsäcken und einem zerbrochenen Besen beladen war, und schob ihn die Lexington hoch.
»Mein Gott.« Smith umklammerte Wetzons Arm. »Hast du sie gehört? Sie hat mich mit einem Fluch belegt.« Ihr Gesicht bekam einen Stich ins Gelbliche.
»Das ist doch lächerlich. Sie ist nicht richtig im Kopf, und du hättest dich nicht mit ihr einlassen sollen. Es hat nichts zu bedeuten.«
Smith wirkte ein wenig erleichtert, schien aber immer noch nervös zu sein. Sie fröstelte. »Gehen wir weiter.«
Wetzon hakte sich bei ihr unter. »Du hast dich zu lange mit Parapsychologie abgegeben. Mach schon, sie hat einfach blöd dahergeredet.« Wetzon hätte gern wieder in ihren Zorn gefunden, aber leider hatte sich der fast verflüchtigt. »Allerdings habe ich tatsächlich einen Besen in ihrem Wagen gesehen…«
»Nein!« Smith sah sich mit kläglichem Blick nach der Stadtstreicherin um, doch sie war auf der Avenue verschwunden.
Wetzon stöhnte. »Ich habe Spaß gemacht!«
»Wirklich?«
»Hand aufs Herz.« Sie machte die Geste. »Können wir auf Hotshot zurückkommen?«
»Du bist unmöglich.« Smith fing sich wieder. »Also, hast du nun gesagt, es würde ein herausragendes Musical, oder nicht?«
»Stimmt, aber…« Wetzon stieß die Hände in die Taschen und nörgelte auf dem ganzen Weg bis zur Third Avenue.
»Also gut.« Smith hatte ihr Gleichgewicht wieder völlig hergestellt. »Es war eine Geschäftsentscheidung. Das vergangene Jahr war das beste, das wir jemals hatten. Wir müssen unser Geld verteilt anlegen.«
»Aber fünfzigtausend! Mann, Smith, kein Mensch verdient mehr Geld, wenn er in Theater investiert.«
»Wir werden verdienen. Das Tarot sagt Unruhe voraus, dann Eimer voll Geld, und das Tarot lügt nie.«
»Ich hätte es mir denken können«, erwiderte Wetzon gereizt.
»Vertraue mir.«
Wetzon hätte sich eine Spur besser gefühlt, wenn Smith nicht diese zwei Wörter gesagt hätte. Vorjahren hatte ein Makler Wetzon gewarnt, daß vertraue mir ein Codewort für leck mich am Arsch sei. »Verdammt«, murmelte sie.
Vor Steve Sondheims Haus blieb Wetzon stehen.
»Was machst du?«
»Meine Reverenz erweisen.« Sie tippte für Sondheim an ihre Baskenmütze und tat dann das gleiche für Kate Hepburn, die im Nachbarhaus wohnte und die sich, so hieß es, energisch über den Lärm vom Klavier des legendären Komponisten beschwert hatte. »Du solltest dich anschließen.«
»Bitte.« Smith zerrte sie am Arm. »Du machst dich zum Narren und mich auch. Wenn er herauskäme und dich sähe?«
»Er wäre begeistert.«
»Also wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich nicht hier sein, um es herauszubekommen.« Sie steuerte Wetzon über die Second Avenue und zurück ins Büro.
Es war halb drei. Max hatte seinen halben Tag gearbeitet und war gegangen. Drei säuberliche Stapel von ›Fahndungsbogen‹ lagen auf seinem Schreibtisch. Wetzon hängte den Mantel auf und nahm den Stapel mit der Aufschrift Wetzon – wichtig an sich.
B. B., der gerade am Telefon sprach, winkte. Der blinkende Knopf zeigte an, daß jemand in der Leitung wartete. Wetzon ging in das Büro, das sie mit Smith teilte, und legte Max’ Stapel auf ihren Schreibtisch neben die vier telefonischen Nachrichten auf rosa Zetteln. Einer war von Laura Lee. Und Alton. Er würde Samstag morgen zu Hause sein und sie dann anrufen. Wenn alles nach Plan ginge, würde sie am Samstag zu Carlos’ Premiere in Boston sein. Sie hatte es Alton vor Wochen gesagt, und er hatte es vergessen.
Wetzon nahm den Hörer ab und drückte auf den Knopf. »Hallo, hier ist Leslie Wetzon. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich…oh…Leslie? Ach, Häschen?« Es war nicht Carlos, doch die Stimme kam ihr bekannt vor.
»Ja?« Sie drückte ihren Terminkalender auseinander und zog einen Kuli aus dem Preßglashalter.
»Hallo, hier ist Phil? Sie wissen doch, Phil Terrace? Von Hotshot?« Alles was er sagte, endete mit einem Fragezeichen. Es war verwirrend. »Carlos möchte, daß ich anfrage, ob Sie ihn um fünf Uhr treffen können?«
»Wo?« Sie hatte Susan Cohen, oder Susan Orkin, wie sie jetzt hieß, gesagt, sie könnten sich um sechs treffen. Deshalb hatte sie nicht viel Zeit.
»Im Polish Tea Room.«
Der Polish Tea Room war eigentlich der Coffee-Shop des Edison Hotels in der 47. Street im Theaterdistrikt. Er war vor mehr als zehn Jahren so getauft worden, weil der Koch Pole war. »Ich habe einen Termin um sechs, Phil. Meinst du, er kann es um halb fünf schaffen? Probt er?«
»Wir haben heute morgen unsere Zelte abgebrochen. Carlos wollte nur noch ein paar Stunden für die Truppe, und sie kommen jetzt zum Ende. Ich glaube, halb fünf geht auch. Wenn nicht, rufe ich noch mal an.«
»Übernehmen Sie die Inspizientenstelle, Phil?«
»Wenigstens vorübergehend. Ich kenne Morts Pläne nicht.« Phil wirkte nicht mehr ganz so zögerlich. Er hatte aufgehört, seine Sätze als Fragen zu beenden. »Ich kenne die Show in- und auswendig.«
»Dann viel Glück und bis in Boston. Ich komme zur Voraufführung am Freitag hoch und bleibe bis zur Premiere am Samstag. Wenn sich daran nichts ändert.«
»Nein. Wir sind genau im Plan. Ich sage Carlos halb fünf. Ciao.« Er hörte sich eindeutig selbstsicherer an. Wie sie Mort kannte, würde Phil Inspizient der Produktion werden.
Wetzon setzte sich an ihren Schreibtisch. Dillas Tod hatte sie sehr traurig gestimmt, und dabei hatte sie Dilla nicht einmal gemocht. Der Gedanke an ihre eigene Qual und Angst der vergangenen Nacht ließ sie schaudern. Sie schob die Erinnerung beiseite.
»Ich komme einfach nicht über Twoey weg«, sagte Smith beiläufig zu Wetzon.
Was hatte Smith nun im Sinn? »Ich gebe auf. Sag schon.«
»Na ja, er scheint sich verändert zu haben.«
Wetzon wandte sich um und sah ihre Teilhaberin an. »Es gibt ein Leben nach Xenia Smith, mußt du wissen.«
»Sehr komisch. Das habe ich gar nicht gemeint.«
»Tut mir leid. Und was hast du gemeint?« Wetzons Stimme triefte vor Freundlichkeit.
»Hm.« Smith senkte die Lider halb, um festzustellen, ob Wetzon sich über sie lustig machte, doch Wetzon ließ sich nichts anmerken. »Ich wußte nur nie, daß er Broadway-Produzent werden wollte oder daß er sich überhaupt für Kunst interessierte.«
»Wenn du nicht so ausschließlich mit dir und dem wunderbaren Richard Hartmann beschäftigt wärest, diesem Sprachrohr des Mobs und Geldwäscher par excellence, hättest du vielleicht bemerkt, daß Mark und Twoey am Theater interessiert sind.« Eines nicht so fernen Tages, dachte Wetzon, wird Smith Hartmann überbekommen, und dann bringe ich das Material, das in meinem Banksafe liegt, ins Büro des Staatsanwalts.
»Verschone mich mit deinen moralischen Lektionen«, sagte Smith giftig.
»Twoey ist ein Schatz, und du hast ihn dir durch die Lappen gehen lassen. Hast du zufällig gemerkt, wie Sunny Browning sich ihm gegenüber benommen hat?«
»Diese Nutte?«
»Smith! Du kennst sie doch gar nicht.«
»Er würde keinen zweiten Blick an sie verschwenden.«
»Lassen war’s.« Wetzon wandte sich ab, holte das Budgetmaterial zu Hotshot aus ihrer Handtasche und ließ es auf den Tisch fallen. Geistesabwesend schlug sie die Seite um und kam zu der Aufstellung der Gewinnanteile und der wöchentlichen Betriebskosten der Show. ›Es wird veranschlagt, daß die wöchentliche Bruttoeinnahme bei einem Theater mit 1500 Sitzplätzen und einem durchschnittlichen Kartenpreis von 45 Dollar sich auf 600 000 Dollar beläuft.‹ Ha! Und wenn die Parterreplätze von 65 Dollar an aufwärts kosten würden? Kein Wunder, daß das Theater starb. Ihr Blick wanderte über die ersten Namen und Zahlen auf der Liste:
Morton Hornberg, Regisseur: | 4 % |
Aline Rose, Librettistin: | 4 % |
Sam Meidner, Komponist: | 4 % |
Carlos Prince, Choreograph: | 3 % |
Dilla Crosby, Koproduzentin: | 2 % |
Morton Hornberg, Produzent: | 2,5 % |
Als sie zum siebten Namen kam, blinzelte sie und sah noch einmal hin. Mit halbem Ohr hörte sie Smith hinter sich etwas über Mort Hornberg sagen, aber es drang nicht durch.
Der letzte Name auf der Tantiemenliste war Susan Orkin.