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6. Kapitel

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»Siehst du, was ich meine, Häschen? Würde ich merken, daß sie vergessen haben, Pförtner aufzuführen?«

»Carlos, mein Lieber, ich hätte es auch nicht gemerkt. Wir werden manches auf Treu und Glauben akzeptieren müssen.«

»Treu und Glauben, pah. Seit du mir erzählt hast, wie man in der Wall Street vertrau mir übersetzt, erschauert mein kleines Herz, wenn ich solche Worte höre.«

Als Wetzon wieder ins Büro kam, wurde sie von einem Chaos empfangen. Max, der ihr Erscheinen mit sichtlicher Erleichterung begrüßte, beantwortete Anrufe mit einem völlig fremden Unterton in der Stimme: mit latenter Hysterie.

Ihre neue Mitarbeiterin Darlene schluchzte laut in einen Klumpen aufgeweichter Papiertücher.

»Was ist denn hier los?« wollte Wetzon wissen.

Smith stürmte aus ihrem Büro wie von einer Kanone abgeschossen, mit Pulverdampf und allem. »Ein Unterlassungsurteil«, sprudelte sie heraus. »Dieser – dieser Haufen Scheiße!« Wäre es möglich gewesen, hätte sie Feuer durch Ohren, Mund und Nase gespien.

Darlenes Schluchzen wurde lauter.

»Jetzt beruhigt euch erst mal alle«, sagte Wetzon und nahm die Sache in die Hand. »Verlieren wir nicht den Kopf. Niemand«, fügte sie hinzu, »ist gestorben.« Niemand hier, dachte sie, ist in den Kopf geschossen und in einen Schrankkoffer gesteckt worden, um fünfzehn Jahre vor sich hinzumodern. »Hat jemand Shirley angerufen?« Shirley Boley war ihre Anwältin, eine energische, sachliche Frau, die auf Aktienrecht spezialisiert war und als äußerst erfolgreiche selbständige Rechtsanwältin galt.

Das Telefon läutete.

»Smith und Wetzon, guten Tag«, sagte Max. Er sah Wetzon an, die den Kopf schüttelte.

Mach dir eine Notiz, formte sie mit den Lippen.

»Shirley kümmert sich bereits darum«, teilte Smith ihr mit. »Darlene, Mädchen, bitte …« Smith’ Nerven waren zweifellos verschlissen.

»Was genau wird uns untersagt?« Wetzon hängte ihren Mantel in den Schrank und ging in das Büro, das sie mit Smith teilte, seit sie vor beinahe zehn Jahren diese Firma gegründet hatten. »Darlene, bitte, kommen Sie herein, damit wir das besprechen können.«

»Shirley hat behauptet, daß Darlene niemand anwerben oder anzuwerben versuchen darf, mit dem sie schon bei Tom Keegen gesprochen hat. Sie darf sie nicht einmal anrufen und ihnen mitteilen, daß sie jetzt hier ist.«

»Ach, hör auf, wir reden alle mit denselben Leuten. In dieser Branche gibt es keine Geheimnisse, wenn es um die Namen von Brokern geht. Wie man verkauft, das zählt.«

»Selbstverständlich«, sagte Smith langsam.

Oh, oh, dachte Wetzon, da sie ihre Partnerin gut genug kannte. Zweifellos bildete sich ein moralisch fragwürdiger Gedanke in Smith’ verschlagenem Köpfchen. »Ich schlage vor, Darlene, bis dies klargestellt ist – und Shirley ist darin prima, also dürfte es nicht allzu lang dauern – sehen Sie B.B.s Fahndungsbogen durch und ziehen die Leute heraus, mit denen Sie noch nie gesprochen haben. Kopf hoch und an die Arbeit.«

Darlene trocknete die Augen und schneuzte die Nase.

Das Telefon läutete.

»Smith und Wetzon, guten Tag«, sagte Max. »Sie ist in einer Besprechung. Kann ich etwas ausrichten?« Er legte auf und notierte eine Nachricht, dann gab der Wetzon diese und die vorige.

Wetzon sagte zu Darlene: »Seine Bogen liegen in alphabetischer Reihenfolge in der untersten Schublade Ihres Schreibtischs. Sehen Sie sie durch. Wenn Sie Fragen haben, kommen Sie zu uns.«

Smith warf ein: »Und wenn Ihnen eine ganz tolle Person einfällt, mit der Sie gesprochen haben und die wir nicht kennen, geben Sie einfach Wetzon den Namen, und sie ruft dann an.«

»Du meine Güte«, stöhnte Wetzon. Smith war schon eine Marke, dachte sie, während sie Darlene, die immer noch krampfhaft durchnäßte Papiertücher festhielt, aus dem Zimmer schob, die Tür schloß und sich dagegen lehnte. »Schämst du dich nicht?«

Smith lächelte und untersuchte ihre Fingernägel. »Jedenfalls hoffe ich, daß wir keinen Fehler gemacht haben. Das Tarot sagte …«

»Was meinst du mit wir?« Wetzon blätterte ihre rosa Nachrichtenzettel durch.

»Sehr komisch.«

»Ich lache nicht. Schließlich habe ich ein furchtbares Mittagessen hinter mir.«

»Oh.« Smith gab sich plötzlich allerliebst. »Hast du nicht mit Dick Tracey und seiner Mutter gegessen?« Sie nannte Silvestri immer Dick Tracey, weil sie wußte, daß Wetzon das ärgerte.

»Sie war nicht dabei. Er brachte eine Gerichtsanthropologin und Bilder von einem Skelett mit, das sie in einem Theaterkoffer gefunden haben. Sie glauben, daß sie vor ungefähr fünfzehn Jahren Tänzerin war und daß deshalb eine Chance bestünde, daß ich sie gekannt haben könnte.«

»Ha!« schrie Smith auf. »Gekannt haben könnte – nach ihren Knochen? Daß ich nicht lache.«

»Es war deprimierend.«

»Das kann ich mir denken.« Mit einem übertriebenen Seufzer sagte Smith: »Die Karten haben mich gewarnt, und ich habe nicht hingehört. Erst habe ich den Tod aufgedeckt, dann den Turm. Heute abend lege ich für dich die Karten.«

»Tu mir den Gefallen, Smith, was auch immer dabei herauskommt – behalte es für dich.«

»Wenn du dich bloß den heilsamen Weisungen des Tarots öffnen würdest, könntest du mit allem, was dir über den Weg läuft, geistig und seelisch fertig werden.«

»Wie du, nehme ich an?«

Smith hob die Schultern. »Ich hoffe, du hast für das Frühstück morgen nichts geplant?«

»Nein. Was liegt an?« Sie griff zum Rest der Nachrichten, die auf ihrem Schreibtisch unter einem Briefbeschwerer lagen, einem Dankesgeschenk von Laura Lee Day, nachdem Wetzon sie zu Oppenheimer vermittelt hatte. Verdammt, zwei Anrufe von Marissa Peiser und ein weiterer von Arthur Margolies, Wetzons Anwalt, der zufällig auch Carlos’ Lebensgefährte war.

»Wir sind um sieben Uhr dreißig zu einem Arbeitsfrühstück bei Rosenkind Luwisher bestellt«, verkündete Smith. »Wir beide.«

»Klingt bedenklich, aber wahrscheinlich ist es wieder das gleiche wie immer. Da machen sie eine große Sache daraus, daß wir runterkommen, und dann ziehen sie eine gekonnte Show vor uns ab, wie man die Firma verkaufen könnte, also nicht viel Neues.«

»Ich weiß, aber wenn man bedenkt, was jetzt an der Wall Street los ist, wo Pru immer noch unter schlechter Publicity leidet und möglicherweise alles loswerden will oder mit einer anderen Firma fusioniert und Paine Webber zu einem Schleuderpreis Kidder kauft – keine Barzahlung –, werden wir unsere Kunden hätscheln müssen. Sonst könnten wir eines Morgens aufwachen und nichts mehr haben. Weder Geld noch Kunden.« Sie sah zufrieden die Knöpfe am Telefon aufleuchten. »Zuckerstück, nimm doch ein Taxi und hole mich morgen um sieben ab.«

»Ein Taxi an der West Side um sieben Uhr morgens? Du machst wohl Witze. Ich nehme öffentliche Verkehrsmittel, besten Dank.«

»Öffentliche Verkehrsmittel?« Smith war entsetzt.

Wetzon grinste sie an. »Lies es von meinen Lippen ab, Smith. Die U-Bahn. Ein Ort, wo du noch nie gewesen bist.«

»Wir lassen einen Mietwagen mit Fahrer kommen.«

»Schön.« Die Vorstellung einer Smith, die in der U-Bahn in der Rush-hour – ach was, zu jeder Zeit – von Fabrikarbeitern aus der dritten Welt angerempelt wurde, war so komisch, daß Wetzon mit einem Hustenanfall ihren Lachdrang verbergen mußte. Dann, als Smith sie argwöhnisch betrachtete, wurde Wetzon durch Max’ Klopfen gerettet.

»Herein, Max, Schatzi!« rief Smith.

Max öffnete die Tür. Er strahlte. »Dan Buski wieder für Wetzon. Er hat schon zweimal angerufen.«

»Nun schau dir diesen entzückenden Mann an, Wetzon«, sagte Smith, die Hand auf die Hüfte gestützt. »Sieht er heute nicht einfach toll aus?«

Wetzon nickte. Smith war unmöglich. Sie machte immer viel Wesens darum, wie schick Max sei, wo sie doch beide wußten, daß Max in dem braunen Anzug und den Schuhen mit Gummisohlen kein Modegeck war. Heute trug er mit den Wappentieren der Spekulanten verzierte Hosenträger, die seine Hose bis über seine mickrige Brust hochzogen. Nachdem Max die Tür geschlossen hatte, schüttelte Wetzon den Kopf. »Du bist unverbesserlich.«

Smith überhörte sie. »Dan Buski, so? Er sitzt im Vorstand von Smith Barney. Das bedeutet, daß seine Bruttoproduktion auf über siebenhundertsiebzigtausend kommt.«

»Ja, ich habe ihn unter ›unwahrscheinlich‹ abgelegt; ein Makler für Privatkunden, und dort ist er praktisch eine Institution.« Wetzon lächelte über ihren Scherz.

Smith sah sie verständnislos an, ohne eine Spur von Belustigung.

»Hallo, Erde an Smith, es gibt zwei Arten von Brokern an der Wall Street, für private und institutionelle Anleger. Wir befassen uns mit institutionellen. Dan ist Broker für private Anleger. Verstanden?«

»Ja, aber ich finde es nicht komisch.« Sie deutete auf Wetzons Schreibtisch. »Warum nimmst du nicht einfach dein Telefon und machst uns reich, Schatz?«

Wetzon warf die Hände hoch, dann griff sie zum Hörer und tippte Dans Nummer ein. »Dan, wie geht es Ihnen?« begann sie, indem sie ihrer Stimme einen heiteren Ton unterlegte. Sie setzte sich an den Schreibtisch und zog einen leeren Bogen vor, auf dessen oberste Linie sie seinen Namen schrieb.

»Bestens, Wetzon.« Dan Buski hatte eine Stimme, die waschechtes Brooklyn atmete, aber trotzdem hatte er ein Philosophiestudium in Harvard abgeschlossen. »Schon ein Weilchen her, seit wir uns unterhalten haben.«

»Erzählen Sie mir nicht, daß Sie darauf brennen, zu erfahren, was hier draußen läuft. Tatsächlich ist es aber eine gute Zeit, die Fühler auszustrecken. Die Transaktionen sind außergewöhnlich.«

»Ich weiß, was draußen los ist, Wetzon, und es ist weder besser noch schlechter als bei mir. Glauben Sie mir, hier wird auch nur mit Wasser gekocht, aber nirgendwo ist alles vollkommen, und immerhin habe ich einen Berg aufgeschobener Abschlüsse vor mir liegen. Ich wäre verrückt, jetzt zu wechseln und das auf dem Tisch zu lassen. Nein. Ich enttäusche Sie ungern, aber ich rufe nicht meinetwegen an. Ich rufe wegen Barbie Sloane an. Erinnern Sie sich an sie?«

Der Name Barbie Sloane weckte Mordgelüste in Wetzon. Vor vier Jahren hatte sie Barbies Hand gehalten und sich ihre Probleme mit den alkoholsüchtigen Eltern, einem gewalttätigen Ehemann, ihrem Filialleiter, ihrem Sportlehrer und ihrem Therapeuten angehört. Sie hatte Barbie dann Jerry Elias vorgestellt, einem Geschäftsführer bei Loeb Dawkins, der sie unbedingt einstellen wollte. Er hatte sie zum Essen ausgeführt und ihr ermöglicht, alle wichtigen Abteilungsleiter bei Loeb Dawkins kennenzulernen. Barbie hatte ihm fest zugesagt, vier Wochen später bei ihm anzufangen.

Eine Woche später hatte Jerry Elias jedoch Wetzon angerufen und sie fertiggemacht. Barbie war zwar zu Loeb Dawkins gegangen, aber anscheinend in eine andere Filiale mit einem anderen Filialleiter.

»Aber das ist doch nicht meine Schuld, Jerry«, hatte Wetzon protestiert. »Ich bin genauso schockiert wie Sie. Achtzehntausend Dollar sind mir soeben aus der Hand gerissen worden.«

Als sie Barbie angerufen hatte, um eine Erklärung zu verlangen, hatte Barbie nur gemeint: »Hören Sie, Wetzon, wir sprechen hier vom Geschäft. Und ich habe eine geschäftliche Entscheidung getroffen.« Sie war als Kopplungsgeschäft mit einem anderen Makler für mehr Geld weggegangen, als Jerry ihr bieten konnte, und der Headhunter, der das Paket geschnürt hatte, war kein anderer als Tom Keegen gewesen.

»Allerdings, Dan«, bemerkte Wetzon. »Ich erinnere mich sehr gut an Barbie Sloane.«

»Sie würde sich freuen, wenn Sie sie anriefen.«

»Da bin ich anderer Ansicht, Dan.«

»Tun Sie mir den Gefallen, Wetzon. Sie hat sich sehr verändert. Meine Frau und ich sind gute Freunde von ihr. Wir haben sie durch das Delphi kennengelernt.« Das Delphi war eine der vielen esoterischen Organisationen, die in letzter Zeit überall im Land aus dem Boden schossen und die geistigen Werte betonten.

Klar, dachte Wetzon. Geistige Werte an der Wall Street. Ausgezeichnet. »Warum greift sie nicht zùm Hörer und ruft mich selbst an?«

»Es geht ihr um Vertraulichkeit. Sie glaubt, daß ihre Telefonate nach draußen kontrolliert werden. Für die letzten zwölf Monate kommt sie auf sechshundertfünfzigtausend. Sie möchte mit Ihnen sprechen und wartet auf Ihren Anruf.«

Wetzon unterdrückte einen Unmutslaut. »Okay, Dan.« Sie notierte Barbies Durchwahlnummer und legte auf. Smith blickte sie erwartungsvoll an. »Barbie Sloane«, erklärte Wetzon angewidert.

»Dieses Miststück. Dieses Obermiststück. In der Hölle soll sie schmoren.«

»Ich weiß. Ich glaube, ich passe, wenn du nichts dagegen hast. Soll sie mit jemand anderem zusammenarbeiten.«

»Was macht sie brutto?«

»Sechshundertfünfzigtausend.« Es folgte eine lange, bedeutungsschwere Pause, während sie einander anstarrten. Dann griff Wetzon zum Telefon und tippte Barbies Nummer. »Wir sind Huren«, sagte sie zu Smith. »Neununddreißigtausend-Dollar-Huren.«

»Ziemlich reiche«, ergänzte Smith.

»Barbie Sloane«, sagte die Stimme am Telefon.

»Hallo, Barbie, Leslie Wetzon.« Diesmal verzierte sie ihre Worte nicht mit einem Lächeln. Das wäre denn doch zuviel gewesen.

»Oh, im Moment kann ich nicht mit Ihnen sprechen, Wetzon. Ich habe keine Verkaufsassistentin und mache alles allein. Meine alte ist für einen Haufen mehr Geld zu Oppie gegangen. Vermutlich hätte ich sie halten können, wenn ich ein bißchen nachgelegt hätte, aber sollte ich? Sie haben eine neue für mich eingestellt, die aber erst nächste Woche anfängt. Rufen Sie bitte in fünfzehn Minuten wieder an. Melden Sie sich als Mrs. Weinberg; sonst wissen die hier, wer Sie sind.«

»Dann muß ich bis morgen warten, weil ich jetzt zu einer Besprechung weggehe.«

»Heute abend bin ich bis neun Uhr hier. Ich treffe mich zum Essen mit einem Kunden und komme dann wieder ins Büro, weil ich ein Seminar vorbereiten muß und alles allein mache. Rufen Sie nach Ihrer Besprechung an. So um halb neun.«

»Vielleicht schaffe ich es nicht, Barbie. Verschieben wir es auf morgen.« Miststück.

»Hören Sie, Wetzon, ich weiß, daß wir mal ein Problem hatten, aber es war eine geschäftliche Entscheidung, die Sie an meiner Stelle auch getroffen hätten …«

Wetzon hielt den Hörer vom Ohr weg und starrte ihn an. Alle in dieser Branche standen auf Rechtfertigung.

»… und ich habe mich geändert. Ich trinke und rauche nicht mehr, nehme auch keine Drogen mehr. Jetzt bin ich zugelassene Finanzplanerin und arbeite mit Erfolgshonoraren und sehr finanzstarken Privatpersonen. Anwälte und Wirtschaftsprüfer schicken mir ihre Kunden.«

»Dan spricht sehr lobend von Ihnen.«

»Dan ist ein guter Freund. Mein bester Freund. Ich bete für ihn.« Barbie machte eine Pause, dann fuhr sie hastig fort: »Ich will nicht unbedingt wechseln. Sie behandeln mich hier sehr gut. Sie schicken mich im Land herum, um mit Brokern zu reden. Nur sehr viel Geld könnte mich zu einem Wechsel bewegen, aber ich muß wissen, wie es draußen aussieht, was ich wert bin.«

Wetzon hätte am liebsten gesagt: Scheiße bist du wert, Barbie, aber sie ließ es bleiben. Statt dessen entgegnete sie: »Schön, Barbie. Ich rufe Sie später an.« Sie unterbrach die Verbindung. »Mit dieser Frau zu reden kommt mir vor, als redete man mit einer Faust. Und die landet in meinem Gesicht.«

Smith grinste. »Wie ich mich erinnere, ist das der Name, den du ihr vor vier Jahren gegeben hast.«

»Die Faust. Stimmt. Das paßt.« Sie sah auf die Uhr. »Oje, vier Uhr. Ich muß los.«

»Wo gehst du hin? Ich dachte, wir könnten heute nach der Arbeit ein Gläschen trinken. Wir haben überhaupt keine Zeit mehr füreinander, und ich vermisse dich.«

»Heute abend kann ich nicht. Besprechung zur Benefizvorstellung von Combinations in concert in Mort Hornbergs Büro, dann Abendessen mit Silvestri.«

Smith verzog das Gesicht. »Er kann Alton Pinkus nicht das Wasser reichen.«

»Das wünsche ich mir auch nicht von ihm.« Sie holte ihren Mantel aus dem Schrank, nahm den Hörer ab und rief Marissa Peiser an. Der Anrufbeantworter war dran – gut –, sie sprach eine Nachricht darauf.

»Ich fürchte«, fuhr Smith hartnäckig fort, »daß du deinen Entschluß bald bedauern wirst, Schatz. Noch immer begreife ich nicht, wie du einen erfolgreichen, wohlhabenden, mächtigen Mann wie Alton Pinkus ausgerechnet wegen eines italienischen Bullen abweisen konntest.«

»Hör auf, Smith. Ich werde meinen Entschluß nie bedauern. Und an deiner Stelle würde ich mich so schnell wie möglich von Richard Hartmann distanzieren, bevor sein Prozeß beginnt.« Zwei genügten für das Spiel Ich verstehe nicht, was dir an deinem Liebhaber gefällt.

»Pah, es kommt nicht zum Prozeß. Dickie hat zu viele Beziehungen. Das ist alles Politik. Man hat ihm das angehängt.«

»Angehängt, klar.«

»Aber ich wollte mit dir über etwas Persönliches sprechen. Ich brauche einen Rat.«

»Auf die Schnelle?« Der Tag müßte erst noch kommen, an dem Smith von Wetzon einen Rat annähme.

»Es kann warten. Wollen wir morgen abend zusammen essen?«

»Prima. Also dann.« Wetzon knöpfte den Mantel zu und verließ den Raum. Max führte ein hinhaltendes Gespräch am Telefon. Auch Darlene telefonierte, offensichtlich mit einem Makler. Wetzon blieb stehen, um zuzuhören.

»Natürlich«, sagte Darlene, »wenn Sie unbedingt wechseln wollten, würden wir glauben, Sie hätten ein Problem. Wir möchten nur mit zufriedenen Maklern reden.«

Lächelnd dachte Wetzon: Hätte es selbst nicht besser formulieren können. Harold Alpert hatte Darlene gut dressiert. Wetzon winkte und verließ das Büro. Ein Schwall kalter Luft traf ihr Gesicht; jeder Nerv prickelte. Sie liebte den Winter in New York.

Die Fußmatte lag schräg, und sie blieb stehen, um sie mit der Schuhspitze geradezurücken, wobei etwas Glänzendes, das sich in den Borsten der Matte verfangen hatte, herausfiel. Sie bückte sich, um es aufzuheben, und rollte es auf der Handfläche hin und her.

Es war ein eigenartig geformter Bleiklumpen, durchsetzt mit Kupferstreifen.

Der letzte Vorhang

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