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8. Kapitel

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»Boomer, Inc.? Was ist das?« grübelte Carlos über dem letzten Kurzbrief.

»Eine Akustikfirma, nehme ich an. Darüber müßtest du eigentlich besser als ich Bescheid wissen. Ist es eine neue Firma?«

»Sehr neu, scheint mir. Ich frage mich, ob es eine von den Firmen ist, die manche Produzenten mit Inventar gründen, damit sie ihren eigenen Produktionen die Tontechnik und Beleuchtung vermieten können – um so an beiden Enden zu verdienen.«

Mort Hornberg setzte sich auf und rieb sich die Augen. »Leslie, Schatz, wo ist Carlos?« Er griff in die Tasche, zog eine kleine Spraydose heraus und sprühte sich in den Mund, er stand dann auf und gab ihr einen Kuß.

»Wichtige Besprechung, Mort? Darf nicht gestört werden? Und das Fußvolk kann sich ruhig die Beine in den Bauch stehen.«

»Ich brauche meinen Schönheitsschlaf«, erklärte Mort klagend, während er seine Jeans glattstrich und den Inhalt seiner Unterhose ordnete.

»Sag bloß nicht, daß die Erbin deines Vermögens dich so lange wach hält«, sagte Carlos. Mit einem Diätcola in der Hand lehnte er elegant am Türrahmen, ein Bein über das andere geschlagen. »Hallo, großartig.« Er zwinkerte Wetzon anzüglich zu.

»Nein, nicht die kleine Maudie.« Mort schüttelte den Kopf. Maudie war seine zwei Monate alte Tochter. »Maudie ist wundervoll. Es ist Poppy. Sie macht mich noch wahnsinnig. Ich dachte, wenn sie ein Kind hätte, würde sie aufhören, auf mir herumzuhacken, daß ich zu Hause bleiben und mich mit ihr unterhalten soll.« Er steigerte sich in seine postnatale Depression hinein, blickte von Wetzon zu Carlos und sagte in vollem Ernst: »Heiratet bloß nie, meine Freunde.«

Carlos sah Wetzon an und verdrehte die Augen.

»Wo ist Nancy?« polterte Mort, um das Thema zu wechseln. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und legte die Beine darauf. Nancy tauchte hinter Carlos auf; sie drückte immer noch den schwarzen Hefter an sich. »Oh, da bist du ja«, grunzte Mort. »Bring mir was von meinem Stoff, sei so gut.«

Wetzon wandte sich an Nancy: »Kümmere dich nur um Mort, ich sorge schon für mich.«

Sie folgte Nancy in die winzige Kompaktküche mit Wandschränken, Theken, Mikrowelle, zwei Elektroplatten, einem kleinen Spülbecken und einem großen Kühlschrank mit Eisbereiter.

»Das Mineralwasser?«

»Im Kühlschrank.« Nancy goß eine dunkle, zähe Flüssigkeit in ein Glas.

»Sag bloß, er trinkt immer noch diesen Dreck – wie heißt das Zeug noch?«

Nancy grinste Wetzon an, ohne zu beben. »Fernet Branca.«

»Richtig. Er hat das immer seinen Judenjungen-Stoff genannt.«

Verschwörerisch lächelnd kehrten sie in Morts Büro zurück. Mort hatte die Füße immer noch auf seinem Louis-soundsoviel-Schreibtisch in Blattgold liegen. Carlos lümmelte ausgestreckt auf dem Sofa.

Die Frauen nahmen die roten Ledersessel. Nancy schlug den schwarzen Hefter auf und begann zu schreiben.

Du lieber Himmel, dachte Wetzon, noch hatte keiner überhaupt angefangen zu sprechen.

»Okay, Leute.« Mort nahm einen Schluck von seinem Fernet Branca, zog eine Grimasse und betastete seine Lippen. »Gehen wir alles durch. Steht die Truppe?«

»Alle bis auf Terri Matthews. Keiner weiß, wo sie steckt«, sagte Wetzon. »Sogar ein paar Tanzschulen in Cincinnati habe ich angerufen. Keiner kennt sie dort.«

»Sie wird schon noch auftauchen.« Mort tat es mit einer Handbewegung ab. »Die Zeitschrift New York bringt eine große Geschichte über uns. Wollen wir wetten, daß sie dann auftaucht?«

»Ja, aber jetzt ist es zu spät. Ich habe heute morgen mit Vicki Howard gesprochen«, sagte Carlos. »Vicki hat die Rolle auf der Tournee gespielt. Sie war begeistert, wie es jeder wäre, der mit einem Buchhalter verheiratet ist und mit vier Kindern unter zehn in New Jersey lebt.«

Mort lachte. »Gut. Die Besetzung ist also komplett. Nancy wird einen Zeitplan für die Woche, die wir zur Verfügung haben, ausarbeiten. Ich mache meinen Kalender für sieben Tage frei.«

»Das will ich hoffen, Mort«, sagte Wetzon. Mort war bekannt dafür, daß er sagte, er würde etwas tun, sich dann aber doch drückte. Während der letzten Jahre hatte er die Gewohnheit entwickelt, sich von der Arbeit an einer Show früh zu verabschieden und seinem Assistenten – wer immer das gerade sein mochte – den Rest zu überlassen.

»Sei nicht so ein Klugscheißer, Leslie. Ich halte immer, was ich verspreche«, verteidigte er sich, während er die Schuppen von den Schultern seines hellblauen Cashmerepullovers streifte. »Du bleibst an der Spitze der Truppe, und ich ziehe die richtige Show ab.«

Wetzon sträubten sich die Haare. Er glaubte wirklich daran, daß alles, was er tat, wichtiger wäre als alles, was irgendein anderer tat. Sie bemerkte, daß Nancys Nase praktisch die Seiten des schwarzen Hefters berührte. Die Zeigefinger der Frau waren ein wenig gelblich. Wahrscheinlich rauchte sie heimlich.

»Vielleicht kann Nancy ein herzliches Dankeschön an jedes Ensemblemitglied schicken und Daten und Probenpläne bestätigen«, schlug Wetzon vor.

Nancy nickte. »Das habe ich schon vorbereitet. Ich dachte, ich schicke alle Briefe gleichzeitig ab.«

»Nächster Punkt: Joel Baby glaubt, daß bei Gary Kaminsky ein gewisses Interesse an einer TV-Dokumentation besteht. Was halten wir davon? Es könnte sehr reizvoll sein.«

Joel Baby war Joel Kidde, Morts Agent und Carlos Ex-Agent; er vertrat wahrscheinlich die meisten Gorillas, deren Dschungel der Broadway war. Carlos hatte Joel nach der Premiere von Hotshot: The Musical im letzten Jahr gefeuert.

Es war das einzige Mal gewesen, daß Carlos und Smith übereingestimmt hatten: daß nämlich ein Interessenkonflikt vorlag, wenn ein Agent mehrere oder sogar alle miteinander streitenden schöpferischen Talente und sogar Produzenten einer Broadway-Show vertrat. Dennoch kam es immer wieder vor.

»Meinst du, reizvoll für uns oder für Show Biz Shares?« fragte Wetzon.

Mort antwortete nicht. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück, betrachtete seine Tonys, die auf einem Regal zu seiner Rechten standen, und sah aus, als zählte er sie. Genau das tat er vermutlich.

»Ich dachte …«, Carlos setzte sich auf, »ich dachte, wir machen das nicht für Geld.«

Mort lächelte einfältig. »Die Fernsehleute werden Show Biz Shares für alle Kosten entschädigen.«

»Okay«, sagte Carlos.

»Hört her, Freunde.« Um zu unterstreichen, wie ernst er es meinte, hob Mort seine Gucci-Slipper vom Schreibtisch und setzte sich auf. »Sie hätten gern zwei Sendungen gratis. Danach zahlen sie einen Prozentsatz aller Einnahmen an Show Biz Shares.«

»Einen Prozentsatz? Und wie soll der aussehen?« fragte Wetzon. Sie wartete auf das dicke Ende. Bei Mort kam immer ein dickes Ende nach.

»Fifty-fifty. Wir – wir drei hier – bekommen zusammen zehn Prozent von ihren fünfzig.«

Peng. Da war das dicke Ende. »Das ist ekelhaft, Mort. Sie sollten zehn oder fünfzehn Prozent nehmen, und der Rest muß an Show Biz Shares gehen. Wir sollten überhaupt nichts für uns abzweigen. Es geht hier nicht um Profit.«

»Ich stimme Häschen zu«, sagte Carlos mit einer Stimme wie Stahl.

Zum Abendessen gingen sie zu Picholine nahe dem Lincoln Center – wo die Speisekarte mediterran war und die Aufmachung ländlich französisch mit einem Spritzer Eleganz –, nachdem sie übereingekommen waren, nicht über Morts empörendes Verhalten zu sprechen, bis der kalifornische Cabernet Sauvignon genügend geatmet hatte, um gekostet zu werden.

Nach einem langen Schluck schließlich sagte Carlos gedehnt: »Ich glaube wirklich, Herzallerliebste, daß Mort und deine Partnerin etwas miteinander gemein haben.«

»Miteinander gemein? Machst du Witze? Mort gleicht Smith aufs Haar! Wir werden ihn und das Ausrufezeichen – Nancy – sorgfältig beobachten müssen.« Sie spießte Oliven auf, dann brach sie ein großes Stück Focaccia ab, tunkte es in die Olivenölmarinade und verdrückte es. Zum Kellner sagte sie: »Ich nehme sechs Austern, den Heilbutt und einen grünen Salat.«

»Darauf hätte ich auch Lust«, schloß sich Carlos an.

Als der Kellner gegangen war, fragte Wetzon: »Was meinst du, was in dem schwarzen Hefter drin ist?«

»Vielleicht hat sie einen Auftrag vom Observer, eine aufregende Enthüllung über das alles zu schreiben.«

»Jedenfalls schreibt sie gute Memoranden; aber muß sie uns immerzu mitteilen, daß sie Morts Assistentin ist? Was könnte in dem schwarzen Hefter sein?«

»Klauen wir ihn doch, dann kriegen wir’s heraus.« Carlos lieferte eine gute Imitation vom Lachen einer Comicfigur, und zwei Stunden später im Taxi lachten sie immer noch. Als sie die 86. Straße erreichten, bezahlte Carlos die Fahrt, und beide stiegen aus. »Den restlichen Weg laufe ich«, erklärte er. »Ich brauche frische Luft.« Er küßte sie auf die Wange und drückte sie an sich. »Schlaf gut, Häschen.«

»Moment, Carlos.« Sie blieben vor ihrem Haus stehen, wo der Nachtportier Mario mit der halbwüchsigen Tochter aus dem Apartment 2A flirtete. »Hat Terri Matthews nicht im Village gewohnt?«

»Ich weiß nicht.« Er runzelte die Stirn. »Jetzt, wenn ich nachdenke, fällt mir ein, daß ich Terri häufig bei Balducci’s getroffen habe.« Obwohl er seit Jahren bei Arthur in der West End Avenue wohnte, besaß Carlos noch immer seine Dachwohnung in der West 10. Street, die er vermietete. »Ich erinnere mich, daß ich sie einmal nach Hause begleitet habe, weil sie zwei riesige Taschen mit Lebensmitteln dabei hatte. Sie wohnte gerade um die Ecke von mir, irgendwo in der elften Straße.«

Der letzte Vorhang

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