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2. Kapitel

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»Häschen, gerade habe ich gehört, wie Cindy Adams unsere Show in Live um Fünf Millionen von Zuschauern ankündigt!«

»Woher hat sie das? Ich dachte, wir sollten alle den Mund halten, damit Mort sie groß rausbringen kann.«

»Hast du gewußt, Schatz, daß Bonnie der Star von Combinations war? Kapiert?«

»Kapiert.«

»Lieber Himmel, Wetzon, warum haben Sie so lange gebraucht?«

Madison Fiskes satte Südstaatenlaute flossen in Wetzons Ohr. Er hatte vor kurzem in Palm Beach ein kleines Büro für Hayden Ross eröffnet und war restlos überlastet. Und dafür gab es Gründe, denn das große, landesweit vertretene Haus hatte bis dahin noch nie ein kleines Büro eingerichtet, sondern es vorgezogen, seine zahlreichen Zweigstellen sämtlich mit sechzig und siebzig Brokern zu besetzen. Die Größe bedeutete Einsparung. Daß sie sich für »Mad« Fiske als Büroleiter entschieden hatten, war dennoch keine Fehlkalkulation gewaltigen Ausmaßes, die einzig und allein der Tatsache, daß er in einem Anzug gut aussah, zugeschrieben werden mußte. Plus ça change, plus c’est la même chose. In Wall Street wog die Wahrnehmung noch immer schwerer als die Wirklichkeit.

»Wie ich höre, darf man gratulieren, Madison«, sagte Wetzon. Seinen Namen abzukürzen, war tabu.

»Darauf habe ich lange gewartet, Verehrteste. Sie sind die größten Fleischlieferanten dieser Firma. Jetzt möchte ich, daß Sie sich an die Arbeit machen und meinen Brokertyp für mich finden.«

»Ihren Typ?«

»Ja. Ihre Partnerin kennt den Typ, den ich mag. Fragen Sie sie. Wir haben darüber geredet, als ich letzte Woche in New York war und Sie keine Zeit hatten.«

Das war ein Vorwurf. Wetzon verdrehte die Augen. Mit Versprechungen war Smith ganz groß, doch die Einlösung halste sie dann Wetzon auf. Sie seufzte und zog einen leeren Stenoblock vor. »Smith ist im Moment nicht hier, Madison, warum schildern Sie nicht mir genau, wonach Sie suchen?«

»Angelsächsisch-protestantische Typen wie ich, Wetzon, sind die einzigen, die ich für mein Büro in Betracht ziehe. Ich weigere mich einfach, andere Typen einzustellen.«

Sag nichts mehr, dachte sie. In bewußt neutralem Ton fragte sie: »Was für andere Typen?«

»Sie wissen schon, diese Typen, die hier um Palm Beach herum Geschäfte machen, diese jüdischen und italienischen Ganoven aus New York und Brooklyn. Und diese Neurotiker von Long Island.«

»Alles klar, Madison.« Sie wußte, daß seine Liste der Unerwünschten drei Viertel der Leute in der Maklerbranche und, was das anging, in Amerika ausschloß. Es erstaunte sie immer wieder von neuem, daß die Madison Fiskes der Finanzgemeinde, die schon fast auf der Liste der bedrohten Arten standen, sich immer noch aufführten, als gehörte ihnen die Wall Street.

»Und, Wetzon, hören Sie genau zu. Ich will keine dicken, häßlichen Leute, die nicht wissen, wie man sich anzieht oder anständig ißt.«

Wetzon hielt den Telefonhörer vom Ohr weg und starrte ihn an. »Also gut, Madison, was halten Sie davon, wenn ich runterfahre und mit den Leuten persönlich bei einem Essen spreche, damit ich nachprüfen kann, wie sie aussehen und wie sie essen?« Sie hatte nichts dergleichen vor und konnte sich genau das Geschrei des altmodischen, konservativen Hayden Ross vorstellen, sollte sie ihm eine Rechnung über ihre Auslagen zusenden. Selbst ein Hohlkopf wie Madison Fiske mußte einsehen, daß dies nicht die richtige Methode war, Geschäfte zu machen.

Doch Madison antwortete: »Das ist ein sehr guter Gedanke.«

Sie legte auf, bevor sie etwas zu ihm sagen konnte, das sie hinterher vielleicht bedauern würde, und blätterte den Stapel von Nachrichtenzetteln auf ihrem Schreibtisch durch. »Darauf kannst du warten, bis du schwarz wirst.«

Ach du meine Güte! Die stellvertretende Staatsanwältin Marissa Peiser hatte spät noch angerufen. Wetzons Puls beschleunigte sich. Anfang des Jahres hatte sie Peiser Beweismaterial ausgehändigt, aus dem hervorging, daß Richard Hartmann, der berühmte Strafverteidiger – und nebenbei der aktuelle Liebhaber von Smith – Geld wusch.

Peiser hatte versprochen, Wetzon nach Möglichkeit herauszuhalten, weil ihr die Beweise nach einem Einbruch in die Hände gefallen waren; was die Verwendung vor Gericht kaum möglich machte.

Wetzon seufzte. Was sie brauchte, war eine Tasse Kaffee. Sie ging in den Empfangsbereich, kam mit der Kanne zurück und füllte sie aus der Dusche im Bad, die sie vorsichtig zur Seite hielt, um sich nicht naß zu spritzen; dann goß sie das Wasser in die Kaffeemaschine. Es war halb neun. Sie war früh gekommen, da sie sich weder mit dem Hund noch mit Silvestri abgeben mußte. In der kostbaren Stunde zwischen acht und neun war es im Büro meist ruhig. Die Büroleiter kamen zeitig und waren dann auch leichter zu erreichen, bevor der Markt um neun Uhr dreißig eröffnete. Ältere Börsenmakler waren immer noch früh zur Stelle, um ihren Tag zu planen und mit Kunden zu reden, wie sie es seit Jahren gehalten hatten – in der Zeit, als der Markt noch um zehn öffnete.

Die neue Generation von Brokern dagegen kam unmittelbar vor der Öffnung angeschlendert und verließ das Büro um vier bei Börsenschluß. An der Wall Street überwog jetzt ein anderes Berufsethos – viel weniger am Kunden orientiert, typisch für die neunziger Jahre.

Sie maß Kaffee ab, gab ihn in den Filter und schaltete die Maschine ein, dann setzte sie sich an Max’ Schreibtisch mit seinen heilsamen Stapeln »Fahndungsbogen« – den biographischen Angaben der Kandidaten – und öffnete den Packen Post, den sie beim Hereinkommen vom Boden aufgehoben hatte.

Ein paar Rechnungen, ein paar Schecks und sogar einige Lebensläufe von Leuten, die keine Broker waren. Crain’s, Baron’s, das Journal. Registered Rep, die Fachzeitschrift für Börsenmakler, die in den frühen Achtzigern von ihren Firmen Registered Representatives, »zugelassene Vertreter«, getauft worden waren. Eine nette Veränderung gegenüber dem alten Begriff »Kundenmann«. Und doch, war in dem Wort nicht der Dienst am Kunden mitenthalten gewesen? Neuerdings wurden sie Finanzberater genannt, was auch immer das bedeuten mochte.

Sie sah die Fahndungsbogen in dem Korb durch, den Max mit WETZON – HEISS beschriftet hatte.

Seit zwei Jahren war Max Orchard jetzt bei ihnen. Er war ein sechsundsechzigjähriger ehemaliger Buchhalter, der Schuhe mit Gummisohlen trug. Max’ kurzer Hals, die flache Brust und der Kugelbauch ließen ihn wie eine Karikatur aussehen, was noch durch die Hosenträger verstärkt wurde, die seine Hose fast bis in die Achselhöhlen hochzogen.

Madison Fiske würde Max niemals einstellen, soviel stand fest, und Smith hatte ihn auch nicht gewollt. Aber B.B., ihr früherer Assistent, hatte die Arbeit des hinterhältigen Harold Alpert übernehmen müssen, der sie verlassen hatte, um bei ihrem größten Konkurrenten, Tom Keegen, einzutreten. Sie waren verzweifelt gewesen. Also hatte sich Wetzon über Smith’ Proteste hinweggesetzt, und Max war angeheuert worden.

Die Kaffeemaschine begann zu keuchen und zu gurgeln, während die letzten Tropfen durchliefen. Draußen quietschten Reifen, und jemand lehnte sich auf eine Hupe.

Wetzon setzte sich auf. Was war das? Ein seltsames Klirren, wie splitterndes Glas, dann ein dumpfer Schlag. Die Haustür. Sie stand auf. Smith? Zu früh für Max, der vier Tage in der Woche von elf bis vier arbeitete. Sie ging zur Tür und öffnete sie, bevor ihr einfiel, daß sie allein war. Zu spät.

Eine riesige Pelzkugel fiel auf sie und riß sie zu Boden.

»Oje, tut mir leid!« keuchte die Kugel, die Arme und Beine bekam, aber fest auf Wetzon liegenblieb. »Schnell, schließen Sie die Tür. Sie werden es nicht glauben, aber gerade hat jemand versucht, mich zu erschießen.«

»Würde es Ihnen etwas ausmachen, von mir herunterzusteigen und mir zu sagen, wer Sie sind?«

»Oh, selbstverständlich.« Der Eindringling schaffte sich mühsam hoch – es war eine energische Blondine vom Typ Kathleen Turner, nicht viel größer als Wetzon, aber mindestens fünfzehn Pfund schwerer. Sie gab Wetzon die Hand und zog sie auf die Beine, dann warf sie ihren Waschbärmantel ab, der genau wie Wetzons eigener aussah. »Sie müssen Wetzon sein.« Hastig griff sie auf ihren Kopf. »O Gott, wo ist mein Hut? Er muß da draußen sein.« Sie zeigte auf die Straße. »Glauben Sie, er hat ihn gestohlen?«

»Ihren Hut?«

»Ja. Die stehlen heutzutage auch Pelzhüte.«

»Wirklich?« Eine Maklerin, dachte Wetzon. Eine Maklerin und total verrückt. »Hängen Sie doch ihren Mantel auf und kommen Sie in mein Büro. Bei welcher Firma sind Sie?«

Die Frau begann zu lachen. Ihr Mascara lag in Perlen auf ihren Wimpern, und sie trug zuviel Rouge. Das schwarze Jerseykleid hatte einen tiefen V-Ausschnitt, der einen fleischigen Brustansatz enthüllte. »Bei welcher Firma?« wiederholte sie lachend. »Bei Ihrer. Ich bin Darlene Ford, Ihre neue Mitarbeiterin.«

Der letzte Vorhang

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