Читать книгу Sachsen-Anhalt, wie es glänzt und dämmert - Annette Riemer - Страница 14
Burg
ОглавлениеBurg sei eine „ansehnliche Stadt, von der trotzdem niemand nichts weiß“, bemerkte Theodor Fontane in seinen Erinnerungen Von zwanzig bis dreißig. Und Fontane musste es wissen, denn er verbrachte im „Herbste 1840“ drei Monate in Burg, wo er am Markt in der Adler-Apotheke arbeitete und sich bei „Skat- und Kegelpartie“ derart langweilte, dass er zum Satiriker wurde. In seinen acht bitterbösen Gedichten auf Burg heißt es etwa: „Einem riesgen Stall voll Schafen gleicht fürwahr die ganze Stadt.“
Doch lassen wir den alten Mann mit seinem Groll beiseite und betrachten die „Stadt der Türme“, als die sich das offizielle Burg rühmt, unvoreingenommen. Und da macht die mit mehr als 20.000 Einwohnern einzige wirkliche Stadt im Jerichower Land enorm neugierig: Die unübersehbaren Türme deuten auf eine alte, gewesene Stadtmauer hin, ein gigantischer Roland symbolisiert altes Stadt- und Marktrecht, die übergroßen Kirchen verweisen auf einen gewissen Wohlstand der Burger Bürger von einst.
Doch leider lässt sich über diese Vermutungen hinaus kein tieferer Einblick in die Geschichte der Stadt gewinnen, denn die historischen Ausstellungen in den diversen Türmen werden vom Heimatverein verwaltet, dessen Mitglieder – hier unglücklicherweise – allesamt in Lohn und Burger Knäckebrot stehem, sodass Besichtigungen nur nach Anmeldung irgendwann abends möglich sind. Offene Kirchen gibt es in Burg nicht und die Gedenkstätte für Carl von Clausewitz, diesen alten preußischen Militärstrategen aus Burg, öffnet nur für ganze vier Stunden im Monat. Der originale Kopf des Rolands wird im Standesamt versteckt gehalten, der ausgestellte Stadtplan davor ist verkohlt und unleserlich.
Auch bezüglich der jüngeren Geschichte schwächelt Burg: Am Bahnhof steht noch ein vergessener sowjetischer Panzer rum, kein Buchladen der Stadt führt Literatur von oder über die Schriftstellerin Brigitte Reimann, dem zweiten bekannten Kind der Stadt.
Und wie verhält es sich mit der Gegenwart? Die Schartauer Straße ist die Flaniermeile der Stadt, hier gibt es bei jedem Metzger Pferdefleisch zu kaufen – und das Kaufhaus Boulevard, eine Mischung aus Wühltisch und Müllhalde.
Trost findet sich nur in Saskias Altstadt-Café, einem Familienunternehmen gleich gegenüber vom Standesamt. Weil dort selbst gebacken wird. Und sich die Kellnerin zur Not (und wenn wenig los ist) auch mal an den Tisch lehnt und ganz überzeugend meint, dass doch alles nicht so schlimm und Burg eigentlich recht schön sei. Es gäbe da beispielsweise eine alte Gerberei zu besichtigen. Optimistisch schreiten wir los und stellen vor dem Museum fest, dass es nur mittwochs geöffnet hat. Und eben grad nicht Mittwoch ist. Alles andere wäre in Burg auch irgendwie komisch gewesen.