Читать книгу Sachsen-Anhalt, wie es glänzt und dämmert - Annette Riemer - Страница 6
Bad Dürrenberg
ОглавлениеBad Dürrenberg hat ein Gradierwerk und sonst nichts. Das ist traurig, aber nicht zu sehr, denn andere Städte im Umkreis – nennen wir Leuna – haben noch weniger, also gar nichts.
An den üblichen Wochenenden lässt es sich in aller Ruhe durch „Dörrnberch“ schlendern, entlang der Saale vielleicht oder durch den höher gelegenen Kurpark. Im Restaurant Altes Badehaus prangen Audrey Hepburn und Kollegen nicht ganz stilecht neben ländlichen Küchengeräten an einer Wand, deren Farbe mit dem Kupferglanz der Tiegel und Backformen dafür umso mehr harmoniert. Dass hier insgesamt eher Landidylle als Hollywood vorherrscht, beweist die Kellnerin, die duzend und mit mütterlichem Wohlwollen serviert. Aber die Mütterlichkeit kommt von keiner lieben, guten Matrone, sondern von einer teilnahmslosen Servicekraft mit kaltem Aschegeruch. Und es gibt hier auch nur wenig Kuchen, noch weniger Gäste, trotzdem die Kellnerin versichert, dass welche da seien. Nur eben gerade zur Kaffeezeit nicht im Café. Man spaziere wohl lieber durch die Kuranlage, die sich aber auch als menschenleer erweist, wenngleich das hier nicht stört.
Zum Glück hat ja Bad Dürrenberg sein Gradierwerk! Wo sonst – eben an den üblichen Wochenenden – verträumt gesalzene Luft inhaliert werden kann, findet einmal im Jahr das Brunnenfest statt. Seit 250 Jahren inzwischen. Zum diesjährigen Jubiläum haben sich die Veranstalter etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Eintrittsgelder.
Denn das ist ja ein ganz hässlicher Trend hier im Land: Die Merseburger Schlossfestspiele, das Naumburger Hussiten-Kirschfest, das Querfurter Burgfest, das Bad Lauchstädter Brunnenfest und nun auch das Bad Dürrenberger: Alle Volksfeste in der Region sind plötzlich kostenpflichtig. Um die Qualität der Veranstaltung zu gewährleisten, sagen die Städte und reiben sich die Hände. Und um das Ganze überhaupt zu finanzieren. Zum Beispiel die Kassenhäuschen an den Zugängen zum Kurpark.
Armes Deutschland, wenn Volksfeste schon so flächendeckend zu Volkswirtschaftsfesten werden! Armes Bad Dürrenberg, dass die Fressbuden und – noch schlimmer – die Handtaschen, Herrenschuhe und Fensterreiniger trotzdem Zugang zum qualitätsgesicherten Brunnenfest gefunden haben! Am Gradierwerk stinkt es heute nach Klostein und lackiertem Kunstleder, Plüschhunde wackeln mit dem batteriebetriebenen Kopf. Auch Kittelschürzen gibt es hier zu kaufen.
Aber reißen wir uns zusammen, suchen wir nicht die Nadel im Heuhaufen: Was also hat das Brunnenfest, was hat Bad Dürrenberg heute zu bieten? Einen Aufmarsch der gewesenen Bergarbeiter aus Zielitz bei Magdeburg. Das Dauerwerbeprogramm einer Laienspielgruppe aus Weißenfels. Sächsische Kanoniere aus dem Dreißigjährigen Krieg ohne Kanone. Ritter, die sich ohne Schwerter verhauen. Eine Country-Band.
Und der Brunnen? Und Bad Dürrenberg? Die gibt es heute nicht, auf dem 250. Brunnenfest in Bad Dürrenberg, das ja nur ein Gradierwerk hat und eben nur das (als Kulisse) zum Fest beisteuern kann.