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Bad Bibra

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Im Süden Sachsen-Anhalts hört die Welt genau an dieser Stelle gleich hinter Naumburg auf. Freyburg gehört noch ein bisschen dazu, wegen der Rotkäppchen Sektkellerei und der mindestens ebenso berühmten Neuenburg. Nebra vielleicht auch, weil dort die allseits bekannte Himmelsscheibe geborgen wurde. Aber dann hört die Welt hier wirklich endgültig auf. Mitten in der Verwaltungsgemeinde An der Finne.

Die Finne, das ist ein kleines Stück Hügel zwischen anderen Hügeln, hinter denen im Westen gleich Thüringen liegt. Diesseits davon erstreckt sich der Burgenlandkreis als südlicher Zipfel von Sachsen-Anhalt bis an das Leipziger Land heran. Im Burgenlandkreis leben mehr Menschen als in der doppelt so großen Altmark im Norden. Es gibt hier Städte von immerhin einigem Rang wie Weißenfels, Naumburg oder Zeitz. Aber von der Finne aus sind sie alle gleich weit weg und aus der Welt – also in der Welt –, hier heißt die größte Stadt Bab Bibra und bringt etwa 2.000 Einwohner auf die Waage. Mehr ein Dorf also.

Bad Bibra, zwischen den Gemeinden Kaiserpfalz und An der Poststraße gelegen, ist Sitz der Verwaltungsgemeinde. Diese sitzt in einer Bahnhofstraße ohne Bahnhof, denn die Deutsche Bahn kommt nur bis nach Eckartsberga, der zweiten Stadt in der Verbandsgemeinde, und die Burgenlandbahn macht in Nebra Halt. Oder in Laucha. Aber eben nicht in Bad Bibra.

Und so bleibt ausgerechnet die Metropole in der Verbandsgemeinde ohne geschienten Verkehrsanschluss. Nur ein paar Busse pendeln. Entsprechend ruhig ist es in der Stadt, die sich aufs Kneippen versteht. Und äußerst beschaulich: Die Stadtteile Altenroda, Golzen und Thalwinkel liegen irgendwo außerhalb, versteckt im hügeligen Umland, und selbst Bad Bibras Kernteile Kalbitz, Steinbach und Wallroda sind auf fünfzig Quadratkilometer Feld und Wiesen verteilt zu suchen. Bad Bibra kann also gar nicht anders als ländlich daherkommen (der größte Arbeitgeber ist – wie passend – eine Molkerei).

Stadtteil Wallroda zum Beispiel. Hat einen Dorfplatz mit alten Gehöften darum. Eine Dorfkirche mit vier Gräber – nein, hier lebt es sich nicht so gesund, dass kaum jemand stirbt. Hier leben nur noch so wenige. Die letzten Bewohner sitzen mit Bier und Tussi in einer Garageneinfahrt, beneidenswert braungebrannt vom Alltag halbnackt. Man ist ja unter sich.

Und so sieht der Stadtteil aus: Mancher Hof ist in Schuss, bei vielen anderen wächst Moos auf dem Dach, ist das Tor nur noch ein Stück Rost. Solche Gehöfte gibt es hier schon für wenige tausend Euro zu haben, nebst mehrere tausend Quadratmeter Garten, in dem die Brennnessel meterhoch wuchert.

Inmitten dieses Wildwuchs steht auch eine Bushaltestelle. Morgens kommt der Schulbus, nachmittags auch.

Für diese paar Minuten, in denen der Bus hält, gehört Wallroda tatsächlich zu Bad Bibra, ist Stadtteil in Randlage. Den Rest des Tages aber ist es, was es schon immer war: ein Dorf hinterm Ende der Welt.

Sachsen-Anhalt, wie es glänzt und dämmert

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