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Sechstes Kapitel
Nouk

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Das kohlrabenschwarze kleine Wesen erhob sich schwerfällig in die Luft. Es musste sich erst einmal sammeln, bevor es seiner Erweckerin gegenübertrat. Seine Flügel waren nach der langen Ruhezeit etwas steif und gehorchten ihm nur langsam wieder. Immer höher erhob es sich in die Luft, machte ein paar kräftige Schläge und ließ sich treiben. Große Kreise zog es über die rotleuchtende Landschaft. Verkohlte und teilweise noch glühende Steinhügel, wohin das Auge reichte. An den Anblick würde es sich nie gewöhnen können. Auch wenn es in diesem Land zu Hause war. Verärgert entfuhr ihm eine Stichflamme. Wie konnte sie es wagen, ihn, den mächtigen Kobolddrachen Nouk, zu wecken? Und warum hatte er das Gefühl gehabt, dass sie von seiner Erscheinung überrascht gewesen war? Sie hatte ihn geweckt. Was hatte sie erwartet? Nun gut. Er war nicht besonders groß für einen Drachen. Vielleicht hatte sie sich einen riesenhaften Drachen gewünscht und war nun enttäuscht. Umso besser. Dann waren seine Chancen größer, dass sie ihn schneller aus ihren Diensten entließ.

Kobolddrachen mussten ihren Erweckern solange gehorchen, bis sie aus den Diensten entlassen oder zum Schlafen geschickt wurden. Dies galt für jede Form von Drachen in Eldrid. Kaum einer lebte ohne Herrn in dieser Welt, dazu waren sie viel zu gefürchtet und verliehen zusätzlich Macht. Denn nur sehr mächtige Wesen mit ebensolchen Schatten waren in der Lage, Drachen zu erwecken. Da es nicht viele davon gab, schützte dieses Prinzip diese mächtigen und gefährlichen Wesen vor dem Erwecken und Eldrid vor zu vielen Drachen.

Es war erst das vierte Mal, dass Nouk geweckt worden war. Für einen Drachen war er noch recht jung. Er erzitterte bei dem Gedanken an den Schatten des Wesens, der ihn dieses Mal geweckt hatte. Er hatte die Magie des Schattens gespürt. Sowohl der Schatten als auch seine Herrin waren außergewöhnlich mächtig. Nouk schüttelte angewidert den Kopf. Wie lange würde er nun seiner Erweckerin dienen müssen? Was für ein Wesen war sie? Wie viele Jahrhunderte würde es dauern, bis sie endlich starb und er frei war oder wieder schlafen konnte? Er selbst war unsterblich, hatte ewig Zeit, seine Geduld jedoch währte nicht ewig. Nouk konnte die Wesen des Lichts nicht ausstehen, und selbstverständlich diente er ihnen nicht gerne. Glücklicherweise hatte der Kobolddrache schon bei seinem ersten Erwecker einen Weg gefunden, wie er relativ schnell wieder zu seiner Ruhe finden konnte: Er war ihm auf die Nerven gegangen. Der Drache hatte sich tollpatschig und dickköpfig gegeben, und das auf eine sehr ausdauernde Art und Weise. Am Ende hatte sein Erwecker ihn schlafen geschickt, nur um seine Ruhe zu haben. Genauso würde er jetzt wieder vorgehen. Nouk schnitt eine abfällige Grimasse.

Unter ihm explodierte etwas. Erschrocken flatterte er heftig mit den Flügeln, um an Höhe zu gewinnen. Einer seiner Köpfe schickte einen Feuerschwall in die Richtung der Explosion. Der Kobolddrache schüttelte den Hauptkopf in der Mitte. So etwas Unsinniges. Im Land der Nuria explodierte ständig irgendetwas auf dem Boden. Das gehörte zu diesem Teil von Eldrid dazu, aber das hatte der Kopf, der Feuer spucken konnte, offenbar kurzweilig vergessen. Er hatte zu lange geschlafen, um sich an solche Nebensächlichkeiten zu erinnern. Die beiden Nebenköpfe machten zudem nicht immer das, was der Hauptkopf und Denker des Kobolddrachens wollte. Eine Eigenart an sich selbst, die Nouk nicht sehr schätzte. Er hätte es bevorzugt, wenn alle drei Köpfe ihm gehorchen würden.

Dann erblickte er etwas, das er noch nicht kannte. Ein riesiges Dorf voller schwarzer spitzer Zelte. Sie standen in Reih und Glied und erstreckten sich in Form eines Rechtecks über einen weiten Teil des Landes. Es waren unendlich viele Reihen, kaum zählbar, ebenso wie die Zelte. Wie symmetrisch angeordnet, ohne auch nur einen Fehler und ohne eine Mitte oder einen Platz, auf dem sich die Bewohner der Zelte hätten treffen können. Eine eher untypische Anordnung von Zelten eines Dorfes in Eldrid.

Ein Zucken durchzog den Körper. Er musste seine Erweckerin aufsuchen. Mehr Zeit verblieb ihm nicht. Der Drang, ihr zu dienen, wurde immer stärker. Sein Nebenkopf schnitt eine Grimasse nach der anderen und schüttelte sich unentwegt. Nouk drehte noch ein paar Runden über das verdorbene Land, erblickte in der Ferne ein paar Nuria, die über die Ebene ritten, als wäre der Teufel hinter ihnen her, und schoss ein paar Feuerstrahlen in die Tiefe. Das Feuerspucken war noch nie seine Stärke gewesen, und nach all den Jahren des Schlafens war er etwas eingerostet. Er wollte dem mächtigen Schatten imponieren, wenn er gleich vor ihn trat. Also drehte er noch ein letztes Looping, bevor er sich auf den Punkt konzentrierte, an dem er Ludmilla und ihren Begleiter witterte.

Im Land der Nuria

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