Читать книгу Die Missionen 141-150 der Raumflotte von Axarabor: Science Fiction Roman-Paket 21015 - Antje Ippensen - Страница 40
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ОглавлениеLängst standen sie aufrecht voreinander auf den Kriechlianen, in ihren verdreckten Tarnfleckuniformen, genau wie damals, und sie blickten dem goldfarbenen Vogel nach, wie er in das Himmelsblau tauchte und ruhige Kreise zog. Die hiesigen Papageien schrien nur dann, wenn sie in Gruppen waren.
Xala berührte Darkin leicht am Arm.
„ Das war der erste Schritt, Rob“, sagte sie.
Seine dichten schwarzen Brauen zogen sich zusammen. „Was zur Hölle soll ich denn noch tun?“
Xala räusperte sich. Göttin, gib, dass ich richtig liege! Es kann ebenso gut sein, dass ich mich irre. – Wie ein rostiger Pfeil drang der Zweifel in sie ein, drohte sie in zwei Fälle zu zerreißen und sie hob die Hand, um diesen unerwünschten Bilderstrom zu stoppen. – Nein! Ich habe deutlich gespürt, dass das Aquandium lebendig ist und demzufolge auch die Empfindungen hat, die zum Leben dazugehören. – Aber das hier ist doch alles nur ein Traum!, wandte die fiese zweiflerische Stimme ein. – Halt’s Maul, erwiderte Xala in Gedanken grob, und das wirkte.
„ Es wird dir extrem schwierig vorkommen, aber du musst mich anhören. Deine Emotionen wieder in den Griff zu kriegen, ist ein guter Anfang. Jetzt geht es darum, das Aquandium zu akzeptieren. – Nein, nein, sag jetzt nichts dagegen, ich weiß, wie schwer das ist. Wenn ich mir nur vorstelle, es wäre meine eigene Crew gewesen, die von ihm vernichtet worden wäre, beim Licht, Darkin, glaub mir, ich WEISS, was du empfindest! Aber es führt in eine Sackgasse. Und: Es geht nicht darum, diese Untat zu verzeihen oder auch nur zu verdrängen. Nein! Akzeptanz ist etwas völlig anderes. Es geht darum, anzuerkennen, dass das Aquandium ebenso einen rechten Grund für sein Handeln hat wie – die humanoiden Aquandianer und wie du und deine Crew. Denn jeder hat einen Grund. Womöglich lief irgendetwas aus dem Ruder und das Aquandium hat nur – überreagiert! Und dann eskalierte die Situation, eins kam zum anderen bis es kein Zurück mehr gab und es euch verfolgen musste, weil es euch fürchtete. Denk einmal dran, Darkin, wie oft wir das bei unseren Kriegseinsätzen schon miterlebt haben! Wir haben darüber diskutiert, mehr als einmal, erinnerst du dich?“
Verdammt, ich gebe mir hier Mühe, rede mir den Mund fransig, aber ich erreiche den sturen Kerl einfach nicht!
Darkin starrte sie an, als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen.
„ Überreagiert? ÜBERREAGIERT??“, schrie er sie an. „O’Rapin, meine Offizierin und meine gesamte übrige Crew, sie sind alle TOT! Und ich – ich war nicht bei ihnen, konnte mein Schiff nicht schützen und noch nicht einmal mit ihnen zusammen sterben, wie es meine verdammte Pflicht gewesen wäre!“
Sie standen voreinander und funkelten sich an. Er war einen Meter und neunzig groß, so dass sie einander direkt in die Augen schauen konnten – und Xala, die allmählich die Geduld verlor, stemmte die Hände in die Seiten und fauchte: „Darum geht es dir vor allem, was? Steck dir dein verfluchtes Schuldgefühl sonstwohin, es taugt hier so wenig wie Wut oder Angst!“
„ Das kann ich nicht!“, stöhnte Darkin.
*
Arsay wirbelte herum und landete hart, sehr hart: auf dem beschissenen fehlerhaften Fechtroboter, der sie attackiert hatte! Das würde Hämatome geben.
Der gesichtslose falsch programmierte Mistkerl griff sie weiter an und sie konnte nur von Glück sagen, dass er bloß eine Übungswaffe führte; und von der anderen Seite drang Espinosa, der gar nicht er selbst war, auf sie ein. Arsay schaffte es, sich zu fangen und über den Roboter hinwegzuwirbeln. Nun befand sich der zwischen ihr und dem Infizierten, was sie zufrieden grinsen ließ.
Aber ein extrem heftiger Fiberglassäbel-Hieb der Stufe Drei, meisterhaft ausgeführt von ihrem künstlichen Fechtpartner, schickte sie erneut auf den selbstreinigenden Aldan-Teppich. Und dann warf sich das Ding auf sie, der Länge nach, und Arsay schnaufte erstickt und mehr als nur überrascht.
Ich liege hier unter einem FECHTROBOTER, der eine echt krasse Störung haben muss – denn was zum Teufel hat das, was er da gerade fehlerhaft fabriziert, mit Fechttraining zu tun? – und ein Infizierter wartet darauf, mich vollzuschleimen, sobald Mister Robot mich durch den Fleischwolf gedreht hat. Faszinierend.
Arsay lag ruhig da, während sich die Kunststoffhände des Roboters um ihren Hals schlossen. Sie sammelte Extra-Energie an, um einen Stoß auszuführen. Dabei kam es auf den richtigen Moment an, diese Energie loszulassen, und sie atmete in einem speziellen Rhythmus, lauschte in sich hinein, konnte nicht mehr atmen, weil der Roboter zudrückte – und ließ los. Einen winzigen Moment lang glaubte sie, zu lange gewartet zu haben. Dann schoss ihr Knie gegen den robotischen Unterleib, schnellten ihre Fäuste von links und rechts gegen seine Seiten und mit der Stirn ruckte sie hoch, rammte seinen Kopf so heftig, dass dieser zerbarst.
Zuckend rollte der Rest des Dings von ihr herab, auf den „Horrorclown“ zu, und Arsay, leicht geschwächt, richtete sich keuchend auf Hände und Knie auf. Blut rann aus einer Platzwunde aus ihrer Stirn, wo sich auch eine Beule bildete, ein regelrechtes Horn. Schon wieder. Verdammt.
Jäh stieg Groll in ihr hoch, fast war es schon Zorn. Ich bin wütend auf mich selbst! Kaum war ihr das bewusst geworden, bemerkte sie, dass von überall her graue Tropfen gierig auf sie zukrochen, aus dem Espinosa-Ding heraus, aber auch selbstständig, die Schleim-Ringe zogen sich um sie herum zusammen, sie hatte zwar ihren Überraschungsfeind besiegt, aber der aus dickem Wasser bestehende andere Gegner wurde dafür plötzlich umso mächtiger, frecher, zielbewusster ...
Arsay besaß nicht die gleichen kraftvollen empathischen Fähigkeiten wie ihr Käptn, aber sie war Lucidianerin. Unvermittelt schossen Bilder der Erkenntnis durch ihr Hirn, und sie handelte sofort, rollte sich zu einer sanften Kugel zusammen und dachte in einer Endlosschleife: Fluche nicht. Lass einen Stein fallen in das glatte Wasser des Lotusblumenteiches und betrachte die Wasserringe, wie sie sich sanft ausbreiten im Einklang mit Allem, Was Ist. Lösche die Kerze mit einem Atemhauch.
Sie sank in Trance mit geöffneten Augen, sah ihren Zorn, wie er sich von einer grauen Flammenwand in silbrige Federn verwandelte, die vom Wind zerweht wurden – diese angenehmen, bewegten Bilder waren transparent, und dahinter erkannte sie, dass ihre Übung sofort Wirkung zeigte: Die grauen Tropfen, die drauf und dran gewesen waren, gierig über sie herzufallen, stoppten verunsichert, ballten sich zusammen und schlichen förmlich davon. auch der Angriffseifer des fremdgesteuerten Espinosa war auf einmal deutlich gedämpft.
Das also ist es! Negative Emotionen erzeugen diesen: hey kommt rein und infiziert mich-Effekt. Das muss auf Aquandia passiert sein, erst mit den Kolonisten, dann mit Darkin, Espinosa und Kvight.
Wie dem auch sein mochte, sie hatte nun endgültig die Nase voll davon, sich von derart bizarren Gegnern fertigmachen zu lassen. Ja, ihr reichte es restlos. Sie schnappte sich den heil gebliebenen Fiberglassäbel, mit dem sie eben verprügelt worden war, zielte mit kühler Präzision auf den richtigen Punkt und verpasste Espinosa einen Hieb seitlich an den Hals, der ihn wie vom Blitz getroffen zusammenklappen ließ. Hastig legte sie ihm dann einen Not-Druckverband an; das musste reichen, bis sie ihn wieder auf die Krankenstation schaffen konnte. Er war zäh, er würde es schon schaffen. Hauptsache, er verblutete nicht.
Dann spähte sie in den Korridor. Von der Brücke her gellte ein durchdringendes Kreischen, und sie rannte los. Als sie an der Krankenstation vorbeikam, verlangsamte sie ihr Tempo kurz, ohne aber innezuhalten. Es sah aus, als hätte ihr Käptn alles im Griff. Sie stand Darkin gegenüber – der ebenfalls dieses horrorclownhafte Aussehen besaß – ihre Hände waren zu Schalen geöffnet und sie stand vollkommen regungslos-entrückt da. Darkin spiegelte sie – jedenfalls hielt er die Hände ähnlich. Beide waren pantomimisch erstarrt. Doch in genau dem Moment, als Arsay an ihnen vorbeilief, veränderte sich etwas.
*
„ Das kann ich nicht!“, hatte Darkin gestöhnt.
Xala ging noch näher an ihn heran, so nah, dass sie sogar den kleinen Leberfleck neben seiner Nase erkennen konnte, packte ihn an beiden Oberarmen und sagte leise, aber sehr bestimmt: „Wer, wenn nicht du, kann das? – Hör zu, vor einiger Zeit begegnete ich auf einer Mission den Ombronen, fremdartigen Schattenwesen. Oh, was wir mit ihnen erlebten, war nicht zu vergleichen mit dem, was das Aquandium deiner Crew antat – wir hatten nur ein Opfer zu beklagen, jemanden, den wir praktisch nicht kannten – und doch, das Entscheidende, was ich da erfuhr war, dass ihre bösen Taten im Grunde auf ein Missverständnis zurückzuführen waren. Die Ombronen hatten geglaubt, wir wären keine empfindenden Wesen und sie könnten uns ohne Skrupel fressen, uns sich einverleiben. Als sie erkannten, dass dem nicht so war, fühlten sie Reue. Sie waren lernfähig, bereit sich zu ändern. Wer, wenn nicht du, schafft das ebenfalls?“
Sie war sich nicht sicher, ob er wirklich genau hingehört hatte. Plötzlich jedoch dämmerte Begreifen in seinem ausdrucksvollen Gesicht und durch seinen Körper ging ein Ruck.
„ Der Trockenlegestrahl!“, flüsterte er. „Das muss es sein! Wir – die Aquandianer und wir auch haben ... wir müssen die Ureinwohner damit in ihrer Existenz bedroht haben, ohne es zu ahnen, denn wir hielten es nicht im entferntesten für möglich, dass die Meere ein Organismus sein könnten, ein lebendiges Wesen! Die – die Kolonisten waren überzeugt gewesen, dass dieser Planet kein intelligentes Leben hatte, bevor sie ihn betraten. Oh mein Gott. Jetzt verstehe ich. Es gab genügend Zeichen. Du hast recht, O’Rapin. Wir alle waren verblendet. Professor Kvight, er hat ... er hat ein paar nachdenkliche Sätze darüber gesagt, er hatte eine Spur, aber ich habe ihn nicht ernst genommen. Ich habe den Mann falsch eingeschätzt.“
Er barg sein Gesicht in den Händen, nur kurz, und als er die Hände wieder wegzog, waren seine Augen voller Schmerz, aber klar.
Über ihren Köpfen hatten sich mehr und mehr goldene und silberne Papageien angesammelt, ein ganzer Schwarm, sie schossen kreischend hin und her und plötzlich – verwandelten sie sich in einen funkelnden Tropfenregen, der sanft prickelnd auf sie niederfiel.
*
Die Erste Offizierin der MEGAN 3 warf noch einen Blick zurück und sah, dass Darkins Augen ihre orangerote Färbung verloren hatten und wieder normal waren. Auch sein Mund entspannte sich. Darkin kam zurück!
Mein Käptn! Wie hast du das geschafft?!
Ein erneutes Kreischen von der Brücke – da war ja das Schott eingedrückt! Deshalb hallten Geräusch ungebremst durch das halbe Schiff – trieb sie zur Eile an.
Der Kampf war offensichtlich noch nicht vorbei.
Arsay war überzeugt, den Sprintrekord hin zur Brücke zu brechen, und sie schoss wie ein Pfeil in den Kommandoraum der MEGAN 3. Relisas Kreischen wurde jetzt von Nathans Wutgebrüll übertönt, und im nächsten Augenblick sah die frühere Söldnerin auch, weshalb. Das Professor-Kvight-Horrording war dabei, Hilks kümmerliche Verteidigung in kleine Stücke zu zerfetzen, Relisa duckte sich hinter Nathan, und außer einem Haarfön, der Arsay bekannt vorkam, schienen sie keinerlei Waffen zu besitzen.
Obwohl er chancenlos war, verpasste Nathan dem infizierten Kvight einen recht beachtlichen Hieb mit seinem Schutzschild, der halb zerbrochenen Sitzschale, und brachte den dicken Gegner, der aussah wie eine Schleimkugel auf zwei kurzen Beinen, damit für Sekunden aus dem Konzept.
Und dann war auch schon Arsay heran und schob Kvight mit einem Vade Retro Stoß beiseite.
„ Arsay, dem Universum sei Dank!“, rief Nathan aus. Relisas letztes Kreischen erstarb in ihrer Kehle, und ihre Augen quollen vor Verblüffung beinahe aus den Höhlen.
„ Geht’s dir gut, du blutest ...“
Arsay winkte knapp ab und hielt Kvight weiterhin in Schach.
„ Komm, gemeinsam machen wir ihn fertig!“, schnaufte Nathan, nahm ein gefährlich aussehendes Splitterstück der Stuhlsäule und schwang es wie eine Keule.
Aber die Erste Offizierin streckte einen Arm aus und stoppte ihn. So nachdrücklich, dass er seine Waffe fallenließ.
„ Nein“, sagte sie eindringlich, „ich glaube, wir sollten nichts dergleichen mehr tun. Als ich vorhin die Krankenstation passierte, sah ich, dass sich etwas veränderte ...“
Und in der Tat wirkte Kvight auf einmal kaum noch angriffslustig. Seine orangeroten Augen flackerten wie eine defekte Leuchtanzeige. Doch Nathan war immer noch zu wütend, und er schnappte sich das „Gebläse“ und stieß hervor: „Ich werde ihn trockenföhnen, diesen verdammten ...“
„ HALT! Keiner rührt sich!“, erklang Xalas befehlsgewohnte Stimme vom zerstörten Eingangsschott her.
„ Käptn!“, rief Arsay erfreut und erleichtert. „Wo ist Darkin?“
„ Kümmert sich um Espinosa“, antwortete Xala und näherte sich dem Kampfort. Ihre Augen suchten den Boden ab und jetzt erst bemerkte auch Arsay dort ein paar glitzernde Kristallbröckchen, manche faustgroß, manche kleine wie Murmeln – und sie schienen zu zittern.
„ Relisa, bring mir bitte sofort ein Gefäß mit Wasser, groß genug für diese Klumpen hier“, befahl Xala. „Nathan, tu das Ding weg. Das Aquandium wird niemanden mehr infizieren, wir sind dabei, uns zu einigen. Und das bedeutet, du darfst es auf gar keinen Fall trocknen, dies ist fürchterlich für die im Aquandium enthaltenen Proteinkristalle.“ Xalas graue Augen flammten und hielten Nathan unerbittlich fest. „Verstehst du? Hörst du überhaupt, was ich sage? Diesen Wesen die Flüssigkeit zu entziehen, in der sie leben, das tötet sie zwar nicht, jedenfalls nicht sofort, aber dafür fügt es ihnen etwas viel Schlimmeres zu. Es ist für sie grausame Folter, ungefähr wie es für einen Menschen, wenn man ihm die Haut abzieht.“
Schweigen folgte darauf. Nathan schluckte trocken.
Relisa eilte mit einem Wassereimer herbei, und sie sammelten die Kristallbrocken ein und versenkten sie im lebensspendenden, heilenden Nass. Arsay fand Zeit Nathan zuzuraunen: „Übrigens, dein finaler Hieb vorhin war nicht von schlechten Eltern.“
Seine kohlgrünen Augen blitzten sie zunächst argwöhnisch an, doch dann erwiderte er ihr Grinsen.
„ Meinst du wirklich?“
„ Was Kampfkunst angeht, flunkere ich niemals.“
Den demolierten Zustand ihrer Brücke beachtete Xala überhaupt nicht; sie wirkte in Arsays Augen äußerst konzentriert und fokussiert.
Professor Kvight kam langsam wieder auf die Beine und war wieder er selbst.
Kapitän Xala O’Rapin stellte sich sehr gerade hin, berührte die Mitte ihrer Stirn und sendete Bilder, wie ihre Erste Offizierin wusste.
„ Wir bringen euch heim“, sagte der Käptn.
*
Sie behielten den Kurs also bei, den die vom Aquandium infizierten Dwarfinnen gesetzt hatten. Die Basismannschaft war auch wieder vollkommen normal und funktionierte vorschriftsmäßig, wie Null-Eins-Strich-Sieben in gewohnt dürren Worten mitgeteilt hatte.
Darkin bat Xala zu einem Gespräch unter sechs Augen, denn Espinosa war bei Bewusstsein.
„ O’Rapin, so sehr ich befürworte, was du vorhast, aber ja, aber ja – ich selbst muss passen. Ich pack das nicht und auch Ellam will sich lieber einfrieren lassen, als noch einmal Aquandia sehen zu müssen und – na, du weißt schon.“
„ Ich verstehe, dass du das noch nicht konfrontieren kannst“, sagte Xala ernst. „Die Gedanken an deine Crew würden die neuen Impulse vermutlich übertönen.“
„ Professor Kvight will es hingegen tun, habe ich gehört. Finde ich bewundernswert. Aber ich sagte ja bereits, dass ich den Mann völlig unterschätzt, nein, falsch eingeschätzt habe. Ich vertraue ihm, teil ihm das bitte mit, ja?“
„ Geht klar, Darkin.“
„ Und du kannst dann immerhin zwei deiner Dwarfinnen auftauen. Trägt sicher zur besseren Stimmung im Kollektiv bei.“
„ Nein“, sagte Xala hart. „Das werde ich definitiv nicht tun.“
Darkin blickte sie verwundert an, zuckte dann aber nur die Achseln.
*
Sie waren zu viert auf der teilweise demolierten, provisorisch hergerichteten Brücke der MEGAN 3 – Relisa hatte sich entschuldigt und sich in ihr Quartier zurückgezogen, um ein wenig zu ruhen.
Nathan bediente stoisch seine Station und hatte bereits Admiral Johnson informiert, auch darüber, dass die für das Erstellen der Quarantänezone zuständigen Schiffe sich noch ein wenig Zeit lassen könnten – den Weisungen des Käptns folgend.
Arsay verarztete ihre Stirnwunde mit einem Heilstift und trat dann zu Nathan. „Hey, und übrigens hast du deine Sache gut gemacht und unsere Praktikantin aufopfernd beschützt.“
Seine Augen leuchteten hell auf, doch dann murmelte er: „Hab mich aber alles in allem eher hilflos gefühlt und hätte ohne dich äonenalt ausgesehen, Arsay.“ Er sah sie schräg von der Seite an und meinte: „Sag mal, würdest du mit mir auf Windhem Prize mal nen Whisky trinken gehen? Ich lade dich ein.“
Sie wölbte die Brauen. „Wieso nicht. Abgemacht!“ Ihr Lächeln war strahlend wie immer, und sie knuffte ihn freundschaftlich in den Oberarm, ehe sie wieder zu ihrer eigenen Station hinüberschlenderte und ihr Augenmerk auf den Käptn richtete.
Neben Xalas Sitz befand sich der Aquandium-Eimer. An den leichten Berührungen, mit der sie ihre Fingerspitzen immer wieder zur Mitte ihrer Stirn führte, erkannte Arsay, dass Xala fast pausenlos mit dem Wesen/den Ureinwohnern Aquandias kommunizierte. Was sie sehr anstrengt. Sie muss aufpassen ...
Der munterste unter ihnen war zweifellos Professor Zelu Kvight. Er schien die bizarren und heftigen Erlebnisse mit Abstand am besten verkraftet zu haben, und er bestürmte Xala mit Fragen, bis sie abwehrend die Hand hob. „Bitte, Professor – haben Sie ein wenig Geduld. Ihr auch, Offiziere. Das Aquandium teilt mir alles Wesentliche mit und ich kann es nicht simultan übersetzen.“
Der korpulente Biologe errötete. „Verzeihen Sie, Kapitän. Ich bin nur – so aufgeregt und gleichzeitig könnte ich mich ins Knie beißen dafür, dass ich nicht genauer auf meine innere Stimme gehört habe, als ich anfing, diesen wunderbaren Planeten zu erforschen.“
„ Ja, das kann ich gut nachvollziehen“, sagte Xala geduldig. „Ich fasse in ein paar Minuten alle wesentlichen Informationen zusammen und Sie können dann auch Fragen stellen, Professor Kvight.“
Langmut könnte wirklich dein zweiter Vorname sein, mein Käptn. – Unauffällig schob sich Arsay näher heran; als erfahrene Lucidianerin wollte sie beobachten, ob es Xala auch wirklich gut ging. Was sie gerade leistete, war eine empathisch-telepathische Herkulesarbeit, und das mit einer mehr als fremdartigen Spezies. Verglichen damit waren die Ombronen geradezu humanoid.
Jetzt tauchte Aquandia im Monitor auf, eine zauberhaft schimmernde dunkelblaue Kugel mit Goldsprenkeln.
„ Wow“, kommentierte Arsay.
„ Atemberaubend“, meinte Nathan.
„ Im wahrsten Sinne des Wortes“, lachte Kvight. „Es riecht da nicht gerade lieblich. Schwefelwasserstoffwolken, Sie verstehen? Die goldenen Flecken.“
Nathan verzog das Gesicht. „Also stinkt es auf Aquandia nach faulen Eiern?“
„ Ja. Nicht immer, aber doch häufig. Aber komisch“, Kvights Augen umwölkten sich verträumt und er strich sich über seinen seltsamen kleinen Spitzbart, als er weitersprach, „mich hat das überhaupt nicht gestört. Aquandia hat mich von Anfang an so sehr fasziniert ... ich freue mich, den Planeten wiederzusehen. Und das verdanke ich nur der tapferen Crew der MEGAN 3! Ohne Sie hätte ich nur noch mit Grauen an diesen wunderbaren Ort zurückdenken können. Jetzt habe ich sogar Hoffnung, dass ich meine Forschungen dort weiterführen kann, eines Tages ...“
*
Er ist Wissenschaftler mit Leib und Seele, und er hat Mumm.
„ Was halten Sie davon, Professor, wenn Ihr Wunschtraum auf der Stelle Wirklichkeit werden würde?“
Er schwankte zwischen Ungläubigkeit und Begeisterung. „Das, das wäre phantastisch!“
Xala musterte ihn kühl. „Das Aquandium möchte, dass ein Mensch auf Aquandia landet und bleibt, und dass er die – noch immer besetzten – Kolonisten, sobald sie behutsam freigegeben werden, gründlich unterrichtet und sie an die neue Wirklichkeit heranführt. Ihnen erklärt, dass das Aquandium lange Zeit Geduld gezeigt hat mit den Menschen, diese Geduld aber sehr plötzlich erschöpft war, als die Trockenlegungsanstrengungen der Kolonisten immer heftiger wurden und trotz aller Zeichen niemand erkannte, dass die Meere selbst die Essenz des Planeten sind – und mehr als das. Das Aquandium ergriff Maßnahmen, doch aus jetziger Sicht waren einige zu extrem und schossen über das Ziel hinaus. Deshalb möchte es/möchten sie den Menschen eine weitere Chance geben. Alles ist da: noch weiter verbesserte Algennahrung, und die Möglichkeit, neues Land auf natürliche Weise zu gewinnen. Aber das Zusammenleben darf zukünftig von gegenseitiger Achtung und Harmonie geprägt sein. Das müssen sie lernen.“
Sie legte eine Pause ein und sogleich fragte Kvight eilfertig: „Natürliche Landgewinnung? Wie das?“
„ Durch Flüsterkorallen. Genau das ist auch der Baustoff, aus dem die Türme bestehen. Das Aquandium spielte sie den Kolonisten zu, auch damit es eine Verbindung zu ihnen hatte. Die Korallen transportieren Informationen.“
Kvight faltete zufrieden die Hände. „Ich ahnte es! Und weshalb habe ich keine Spur von den Korallen im Meer entdeckt? Ah, verraten Sie es nicht – es sind Tiefseewesen, stimmt es? In die Tiefe bin ich in der kurzen Zeit nicht vorgedrungen. Und die Ozeane auf Aquandia sind außerordentlich tief.“
„ Genau so ist es. – Professor, sind Sie erfahren im Unterrichten? Sind Sie ein Lehrer?“
„ Ich habe Studenten, und fast alle lernen gern bei mir.“
Wieder berührte Xala ihre Stirn.
Wir hätten lieber dich.
Ich weiß. Und Euer Wunsch ehrt mich und hat viel Reizvolles. Doch ich bin Raumschiffkapitänin in der Flotte von Axarabor.
Wir respektieren das. Doch es fällt uns nicht leicht, erneut einem Fremden zu trauen. Du hast gesehen, was vor mehreren hundert Jahren geschah. Anfangs freuten wir uns, und wir nahmen sie gern auf. Sie handelten im Einklang mit dem, was unsere Welt ausstrahlte und gab, und wir gaben gern von unserem Überfluss. Doch sie wurden immer gieriger und vermehrten sich hemmungslos, sie wichen von ihren guten Grundsätzen ab und wir haben Angst, dass das wieder passiert.
Das wird es nicht. Ich werde darauf achten und Aquandia beschützen. Und ich vertraue dem Professor. Er wirkt ehrlich auf mich und Darkin schätzt ihn auch.
Gut. Wir akzeptieren ihn. Aber du bleibst also unsere Mittlerin. Wir werden dich rufen, wenn wir dich brauchen.
„ Das Aquandium nimmt Sie an, Professor, weil Darkin und ich für Sie bürgen.“
Vollkommen überwältigt starrte Kvight Xala an und strahlte über sein gesamtes Mondgesicht.
„ Käptn, du bist erschöpft.“ Unmerklich war Arsay dicht hinter sie getreten und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
Xala straffte sich. „Oh, es geht noch. Ich ...“
„ Unsinn, du bist kreideweiß. Zeit, mal loszulassen. Alles andere kann warten, verdammt.“
Xala versuchte ein Lächeln, doch es misslang. Arsay hatte vollkommen recht. Die gewaltige Anstrengung forderte endlich ihren Tribut, und der Käptn war froh, dass sie es noch ohne Hilfe in ihr Quartier schaffte.
*
Die MEGAN 3 befand sich auf dem Heimflug.
Obwohl Xala noch etwas angeschlagen war – wenn sie in den Spiegel schaute, sah sie ihren nach wie vor kalkigen Teint – ließ sie es sich nicht nehmen, Null-Eins-Strich-Sieben im Antriebsraum aufzusuchen, noch ehe sie auf Windhem Prize gelandet waren. Über ihre stark verbesserten empathischen Fähigkeiten konnte sie jedenfalls uneingeschränkt verfügen.
Arsay hatte sie gewarnt und gemeint, bei diesem Volk würde es dennoch nicht funktionieren, trotz aller Fortschritte. „Selbst mir, die ich mich in die dwarfinnischen Träume hacken konnte, war es nur möglich, äußerst vage Eindrücke zu erhaschen.“
Null-Eins-Strich-Siebens nichtssagendes Gesicht blieb die ganze Zeit ausdrucks- und emotionslos auf sie gerichtet, aber das war schließlich, wie sie jetzt wusste, nichts als Bluff.
Xala kam ohne Umschweife zur Sache, und sie fuhr ihre empathischen Antennen voll aus.
„ Welche Emotion war es, die dem Aquandium das Einfallstor zu euch Dwarfinnen ermöglicht hat?“
„ Angst“, antwortete Null-Eins-Strich-Sieben starr, und so sehr sich Xala auch anstrengte, sie nahm nur das stumpfe weißgraue Rauschen wahr, das die Hoffnungslosigkeit ihres Unterfangens illustrierte.
„ Situation extrem bedrohlich. Rief in uns allen Angst hervor. Gratulation an Kapitänin für gelungenen Widerstand und Lösung.“
Die Dwarfin-Sprecherin ging nicht so weit zu lächeln, doch sie sah so aus, als sei sie dicht davor. Verdammt. Es ist mir nicht möglich festzustellen, ob sie die Wahrheit sagt oder nicht.
„ Und wieso“, begann sie langsam, „habt ihr euch überhaupt nicht gewehrt?“
Null-Eins-Strich-Sieben blickte kurz zur Seite, so dass das unnatürliche Schwarzlicht-Weiß ihrer Augen verschwand.
„ Unmöglich zu widerstehen.“, war die tonlose Antwort.
Xala schenkte der Dwarfin ihr Todeslächeln, ohne Zweifel auch schön verstärkt durch das bläulichweiße Schwarzlicht-Schimmern, „Wie überaus bedauerlich.“
*
Null-Eins-Strich-Sieben blieb eine ganze Weile reglos stehen. Sie hatte gelogen. Es war Wut gewesen, nicht Angst. Die ganze Zeit schon, seitdem Xala O’Rapin zum ersten Mal derart eingegriffen hatte, brodelte wilder Zorn in ihrem Kollektiv, und allmählich leckte die Empfindung sogar durch. Seitdem sie zum ersten Mal reduziert worden waren. Und jetzt, auf dieser Reise, hatten sie es als besonders schlimm empfunden.
Aber die Kapitänin ahnte nichts, das war die erfreuliche Nachricht.
Die Dwarfin ging an einen Spind und entnahm diesem eine milchblaue Kugel von Murmelgröße. Sie rief die anderen und teilte ihnen mit: „Zustimmen, dass Objekt O’Rapin immer wertvoller wird? Verletzte uns zum wiederholten Male, dokumentiert heute. Bringt Glas.“
Ein Dwarf brachte ein Glas, in dem bereits zwei blaue Kugeln ruhten, und Null-Eins-Strich-Sieben tat die dritte hinzu. Die anderen sahen dabei zu und murmelten zustimmend. Dann war das nüchterne kleine Ritual schon wieder vorbei und alle Dwarfinnen gingen wieder ihren normalen Tätigkeiten nach.