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III.Wem er gehört

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Heute herrschen Kommunikationstechniken. Auch über den CEO. Unsere rund zehntausend Mitarbeitenden hatten meine E-Mail-Adresse. Potenziell hatten also zehntausend Menschen die individuelle und kollektive Möglichkeit, in meiner Mailbox eine Nachricht zu deponieren. Natürlich mit dem Anspruch, dass das Anliegen behandelt wird. Sofort.

Mit der Send-Taste kann jeder in der Firma über jede Hierarchie hüpfen. Es stellt sich die Frage: Frisst Technik Hierarchie? Man könnte das so sehen. Ich selbst bin beruflich noch in einer Zeit gross geworden, in der die Hierarchie noch unverrückbar gewesen war. Eine Todsünde beging, wer diese einfach übersprang. Etwas nostalgisch füge ich an: Alle waren auf die Hierarchie angewiesen. Dadurch waren Kompetenzen klar geregelt, die Firma überblickbar. Berechenbarer vielleicht auch.

Heute lässt sich die Hierarchie höchstens noch durch einen gewissen Zynismus bedienen – indem ein Email-Schreiber fast maliziös ein CC, ein BCC mit der Adresse seines Chefs oder gar des CEO einfügt. Der erhält sowieso immer zahlreichere copys. In der gütigen Vorstellung seiner Mitarbeitenden soll der CEO ja informiert sein. Bescheid wissen über alles, was in seinem Laden passiert. So landen dann pro Tag Dutzende, ja Hunderte von elektronischen Briefen im Account des CEO. Das ist kein Ausdruck von besonderer Wertschätzung. Nicht einmal ein Zeugnis eines Mitteilungsbedürfnisses. Seien wir ehrlich: Hier werden im besten Fall unüberlegt Gedanken, im schlechteren Fragen, ja Verantwortung von links nach rechts, von unten nach oben verschoben. Ohne, dass etwas Wesentliches geschehen würde. Management by Mail. Oft sekundiert durch Management by WhatsApp. Und wie oft habe ich dann noch sehr viel später von einem Gegenüber zu hören bekommen, er habe mich vor Monaten in einem Mail einkopiert. Und einfach nie mehr etwas gehört.

Immerhin zeigt das: Im Zeitalter des überquellenden elektronischen Briefverkehrs, in der flüchtigen digitalen Welt scheint der CEO doch noch ein Fixpunkt zu sein, der Orientierung geben soll. Die Marke einer Firma – wenige Buchstaben oder ein paar Striche, die sich zu einer Bildmarke zusammenfügen: sie mögen schön sein, oder auch nicht. Sie bleiben aber ein abstraktes Gebilde. Oft ein seelen- und emotionsloses. Der Mensch bleibt hungrig nach der Antwort auf die Frage: Welches Gesicht gehört zu dieser Marke?

Ist hier in unserer virtuellen Umgebung endlich noch ein Platz für den CEO aus Fleisch und Blut? Sicher ist: Manche taugen als Identifikationsfigur. Andere nicht. Sie lösen Emotionen aus. Positive oder negative. Manchmal strahlen sie. Strahlen etwas aus. Lassen sich von Emotionen tragen. Machen unverständliche Fehler, die Aussenstehende im Kopf nicht aushalten. Bekennen Farbe, wo sich keiner mehr traut. Das gibt zu reden. Und zu schreiben. Wir lesen dann immer sonntags darüber. Oder in Büchern. Erinnern Sie sich noch an Nieten in Nadelstreifen. Deutschlands Manager im Zwielicht, Günter Oggers Bestseller über die Herrschaft der Mittelmässigen aus den 1990er Jahren? Die gibt es selbstverständlich auch. Die Gesichtslosen. Aber selbst diese produzieren Emotionen. Weil sie aus Fleisch und Blut sind. Nicht virtuell. Zumindest noch nicht.

Und wenn sich der CEO dann für Sponsoring engagiert, wird er sichtbar. Erfahrbar. Er tut es vielleicht nicht nur aus selbstlosen Gründen. Sondern, weil in der Firma ja so vieles verteilt und damit weitgehend von ihm abgeschnitten ist – die Finanzen sind beim CFO, das Personal beim HR. Und so fort. Beim Sponsoring aber: Da kann er sich hemmungslos einbringen. Dieses zur Chefsache erklären. Ich beispielsweise habe mir in meiner Zeit als CEO die Freiheit genommen, den Laufsport zu unterstützen. Insbesondere den Marathon. Das Gesicht der Unternehmung wurde bald einmal mit dem Gesicht des Läufers verbunden.

Natürlich produzierte dieses Gesicht innerhalb der Firma Emotionen. Meist in Fragen gekleidete. Muss bei uns einer nun Marathon laufen, um Gnade zu finden beim CEO und Karriere zu machen? Müssen nun alle zu Asketen werden? Karg und gesund leben? All das wirkte nach aussen und nach innen. Und zwar unabhängig vom realen Wahrheitsgehalt solcher Befürchtungen.

Wir halten also fest: Der CEO gibt dem Unternehmen ein Gesicht. Sein Gesicht ist öffentlich. Wird von jedem gesehen. Ist von überall sichtbar. Ein solches Gesicht gehört gewissermassen jedem.

Wird auch gehört, was dieses zu sagen hat?

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