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IV.Was er sagt

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Der CEO organisiert die Sitzung der Konzernleitung. Fixiert die Traktanden. Leitet das Meeting. Führt das Wort. Er bestimmt die Tonalität und gibt den Takt an. Ist das heute noch wichtig wie ehedem? Ich habe meine Zweifel.

Diese Art der Top-down-Hierarchie ist in der Gegenwart wohl nicht mehr notwendig. Vielleicht auch gar nicht mehr möglich. Die Vitalität einer Firma kommt nicht mehr vom CEO. Sondern schöpft sich aus der Fähigkeit der Firma Kreativität laufend und schnell zu erzeugen. Eine einzelne Person, und sei es der CEO persönlich, kann nicht mehr allein entscheidend sein. Die Schlüsselfrage ist nicht mehr, ob die Konzernleitung unter der Leitung des CEO die richtige Traktandenliste abarbeitet. Sondern, ob es gelingt, innerhalb der Firma kreative Teams zu Höchstleistungen zu bringen.

Zu Ende gedacht: Was der CEO sagt, ist nicht mehr entscheidend. Mehr noch: Im Grunde braucht es ihn nicht mehr. Genauso wenig wie das Unternehmen in seiner klassischen hierarchischen Form. Das ist natürlich eine Provokation. Aber nicht ganz aus der Luft gegriffen. Virtuelle Modelle einer mitunter auch firmen- und grenzübergreifenden Zusammenarbeit ermöglichen die schnelle Entwicklung von Ideen und deren Umsetzung in marktfähige Produkte. Das Beste setzt sich durch. Da gibt es keine Rolle mehr für den klassischen CEO. Es spielt auch keine Rolle mehr, wie er seine Konzernleitungssitzungen leitet und was er dort von sich gibt. Dieser CEO ist überflüssig geworden. Punkt.

Damit könnte meinerseits alles gesagt sein zum Thema CEO. Wäre da nicht Jürgen Dormann, der den Technologiekonzern ABB 2001 durch eine existenzbedrohende Krise zu steuern hatte. Vor einigen Jahren hat mir ein Freund dessen Sammlung von CEO-Briefen geschenkt. Immer freitags schrieb er einen ein- bis zweiseitigen Brief an über hunderttausend ABB-Mitarbeitende, der in 15 Sprachen übersetzt und per E-Mail versandt wurde. Er schrieb über Missstände und Versäumnisse. Über Fortschritte und Hintergründe der ABB-Strategie. Von den Mitarbeitern erhielt er Feedback und Ideen. Der CEO hat auch darauf wieder geantwortet.

Mich haben diese Briefe fasziniert: nicht nur, weil sie in einer To be, or not to be-Zeit für ABB geschrieben worden sind. Sondern vor allem, weil sie in einer existenzbedrohenden Zeit den Beweis erbracht haben: Es ist nicht gleichgültig, was der CEO zu sagen hat. Gerade in der Krise braucht es eben doch Führung durch das Gesicht, welches als CEO an der Spitze der Firma steht.

Ich begann ebenfalls Briefe zu schreiben. Es sollten dies spontane Briefe sein: keine Regelmässigkeit, kein Rhythmus. Ich schrieb diese Briefe jedes Mal, wenn ich das Bedürfnis hatte etwas zu sagen. Es waren meistens kurze und manchmal aber auch weniger kurze Schreiben. Es ging um Aufträge, um Stimmungen oder – leider auch – um Leben und Tod – als ich über tödliche Unfälle und Arbeitssicherheit auf Baustellen schrieb. Die Sammlung dieser Briefe habe ich anlässlich meines Weggangs von Implenia unter dem Titel Pinselstriche publiziert und meinen engsten Mitarbeitern und Freunden als Abschiedsgeschenk zugestellt. Es waren Pinselstriche, mehr nicht. Ein Spot auf meine und unsere gemeinsame Geschichte. Manchmal wahr, manchmal auch nur ein Strich. Im Nachhinein betrachtet manches Mal sogar eine Sinnestäuschung. Aus diesen Pinselstrichen ist dann auch die Idee für dieses Buch entstanden. Ein Angebot, dass auch ein CEO vielleicht einmal etwas zu sagen hat. Möglicherweise ist es etwas hoch gegriffen, wenn der Philosoph Luciano Floridi über den CEO als Vordenker und Erzähler notiert: «Früher oder später ist eine mitreissende Geschichte nicht mehr zu trennen von der Person, die sie erzählt.» Bei Jürgen Dormann war das für mich so. Bei mir gilt wie gesagt: Es ist der Pinselstrich eines Angebots. Und Lesen ist freiwillig.

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