Читать книгу Baustellen - Anton Affentranger - Страница 14

V.Was übrig bleibt

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Ich benötige kein langes Abwägen. Übrig bleibt auch für den CEO als wichtigste, schwierigste und nobelste Aufgabe der Mensch. Ohne den Menschen geht gar nichts. Den oder die Richtige für Schlüsselpositionen innerhalb der Firma zu finden, gelingt schon rein statistisch nur bei jedem zweiten Fall. Oft habe ich mich bei solchen Anstellungen getäuscht. Oder auch täuschen lassen. Manches Mal habe ich aber auch Glück gehabt und Top-Talente anheuern und weiter entwickeln können. Und die Richtigen zu behalten, zu begeistern – auch, wenn diese Spezies Mensch selbst für den Chef nicht unbedingt immer nur pflegeleicht sind – gehört für einen CEO zum Tagwerk wie das Tagesgebet für den Christen. Ebenso wie die Aufgabe, die, die nicht mehr passen zu bitten, sich anderswo Beschäftigung zu suchen. Das verlangt auch nach Demut.

Übrig bleibt auch eine Visitenkarte. Die mit den drei Buchstaben darauf. Am Vorabend des Swiss Economic Forum (SEF) gibt es immer den CEO Abend. Die mit der gleichen Visitenkarte sind dann unter sich. Tauschen sich aus. Die Visitenkarte als ultimative Erfüllung einer Karriere. Jeder hat Jahre, Jahrzehnte auf dieses Ziel hingearbeitet. Sich positioniert. Grabenkämpfe ausgefochten und mehrheitlich gewonnen. Vieles aufgegeben: Familie, Freunde und vor allem sich selbst und oftmals auch die Gesundheit aufs Spiel gesetzt. Bis endlich CEO auf der Visitenkarte stand.

Es gibt noch diesen anderen Preis für den CEO: Einsamkeit. Es ist ein Klischee. Ich weiss. Auch Klischees sind Realität. Und die Realität, wenn im Machtzentrum des Unternehmens folgenreiche Entscheide anfallen, geht das dann so: Alles ist diskutiert. Alle Fragen, alle Antworten liegen auf dem Tisch. Der CEO kann versuchen, sich mit jedem am Tisch abzustimmen. Um sich hinter einem gemeinsamen Entscheid zu verstecken. Es gibt aber keinen gemeinsamen Entscheid. Es gibt nur ein Team mit Spitze, wie der grosse, kürzlich verstorbene Nestlé-Chef Helmut Maucher einmal gesagt hat. Er hat Recht. Bei jeder Akquisition, jedem Verkauf, jeder strategischen Neuausrichtung, entscheidet einer. Hat einer zu entscheiden. Es ist der mit der CEO-Visitenkarte. Auch wenn die Richtigkeit eines Entscheids nie klar und eindeutig ist. Alle anderen können sich im Zweifelsfall wegducken. Der Verwaltungsrat hört auf seine Berater und will vom CEO eine klare Ansage. Es ist immer die Ansage des CEO – nie des Verwaltungsrats. Die Kollegen in der Geschäftsleitung können sich stark machen für den Entscheid des CEO oder auch nicht – die Folgen tragen nicht sie, sondern der CEO. All das ist dann auch fein säuberlich protokolliert. Für alle Fälle.

Falls der CEO eine anvisierte Transaktion im letzten Augenblick abbläst, hat er auch nichts gewonnen. Er wird die Verantwortung für aufgelaufene Kosten tragen müssen und sich der Kritik aussetzen, die beschlossene Strategie nur zögerlich umzusetzen. Ein solcher CEO ist wie ein taumelnder Boxer: angezählt. Zieht er die Sache aber trotz innerer Zweifel durch, lauern gleichfalls Untiefen. Geht die Sache schief, ist er wie der Boxer nach verlorenem Kampf: ausgezählt.

Einsam ist der CEO in jedem Fall.

Er ist es im Grunde bereits bei der Einstellung. Denn schon dort wollen die Verantwortlichen vor allem eines: sich absichern. Für den Fall, dass etwas schiefgeht. Zunächst wird also, meist im Nominationsausschuss des Verwaltungsrates, ein so genanntes CEO-Profil erstellt: Gewünschte Ausbildung, Erfahrung, Geschlecht, Sprachen, Alter. Dazu der Nachweis von kommunikativen Fähigkeiten und strategischen Skills. Diese Liste wird so lange verlängert, bis es auf diesem Planeten garantiert keinen Kandidaten mehr geben kann, der den gesamten Wunschzettel erfüllt. Dann kommt der Headhunter, zu Deutsch, der Kopfjäger ins Spiel und die Kriterien werden nun wieder auf ein erträgliches Mass, in Must haves und Nice to haves unterteilt. Es liesse sich auch urteilen: verwässert, bis die Wahl einem gewissen Zufall unterliegt. Reüssiert der oder die schliesslich Auserwählte nicht, werden alle Verantwortlichen im Verwaltungsrat beteuern, der Auswahlprozess sei hochprofessionell abgelaufen.

Und dann gibt es noch diese so profan scheinende, aber entscheidende Aufgabe des obersten Chefs: Die Liquidität der Unternehmung muss immer gesichert sein. Alle finanziellen Verpflichtungen müssen immer bezahlt werden können. Und diese ultimative Verantwortung trägt der CEO. Niemand sonst. Das ist mir aus meiner Zeit als Venture Investor, aktiver Unternehmer und Acting CEO geblieben. Banken habe ich als Lender of last resort nie getraut. Vielleicht, weil ich auch einmal Bankier gewesen bin. Ganz sicher aber hat mich auch die Finanzkrise diesbezüglich geprägt, als die UBS um ein Haar bankrottgegangen war und der Staat intervenieren musste. Ich fühlte mich damals bestätigt in meiner Haltung. Seit dieser Zeit hatten wir bei Implenia unsere Cash-Bestände auf verschiedensten Banken verteilt und definiert, dass diese niemals unter die Drei-Monats-Verpflichtungen unserer Firma fallen durften. Jeden Freitag erhielt ich als CEO die detaillierten Liquiditätspositionen auf den Tisch und so halte ich das auch heute bei meinen Venture-Investments.

Jenseits von all dem: Eine sehr vornehme Aufgabe bleibt in jedem Fall ganz oben am CEO hängen, und Vorbild für diese Aufgabe gibt es mitunter ganz unten. Die Mitarbeitenden am Empfang einer jeden Firma haben diese Freundlichkeit auszustrahlen, die ich bei uns gewohnt war. Sie waren immer die erste Visitenkarte der Unternehmung. Diese Freundlichkeit war ansteckend und breitete sich über den ganzen Hauptsitz aus. Dies war die Aufgabe der Empfangsmitarbeitenden. Tag für Tag wurde sie grossartig erfüllt.

Der CEO in der Teppichetage muss sich bei diesem so positiven Sachverhalt fragen: Wie kann er das, was am Empfang vorgelebt wird selber verinnerlichen? Wie kann er Empfangsherr oder auch Empfangsdame für seine Firma werden?

Das bedingt Antworten auf Fragen. Etwa auf folgende: Wie kann der CEO sicherstellen, dass in seiner Firma eine Kultur der Offenheit herrscht? Welche Kultur will er? Welche Werte soll das Unternehmen ausstrahlen? Wie, von wem sollen diese entwickelt werden? Wie sorgt er dafür, dass diese auch in der Teppichetage Gültigkeit haben? Was ist Sinn, Lebenszweck und Vision der Unternehmung? Wohin geht die Reise?

Das sind nun doch die wirklich entscheidenden Fragen. Die Antworten hat der CEO zu entwickeln und zu gestalten, oder? Das muss seine Aufgabe sein! Eine schwierige, philosophische, umfassende, manchmal sogar leicht esoterische Frage. Die Resultate sind nicht kurzfristig messbar. Ebenso wenig wie der Erfolg.

Klar ist nur: Hier ist der CEO wirklich gefordert. Diese Aufgabe kann ihn auch auffressen. Das ist vielleicht der Preis für seine Leidenschaft.

Ich meine aber: Das ist eine sehr schöne und noble Aufgabe.

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