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V. Die Armada überquert den Atlantik
ОглавлениеAm Montag, den 3. Oktober, um Mitternacht wurden Segel gesetzt mit Kurs nach Süden. Wir fuhren weit aufs Ozean-Meer hinaus und zwischen dem Capo Verde und seinen Inseln hindurch, bei 14 und einem halben Grad. Und so segelten wir viele Tage entlang der Küste von Guinea oder Äthiopien, wo beim 8. Breitengrad ein Berg namens Sierra Leona aufragt, unter widrigen Winden, Flauten und Regen ohne Wind bis zur Äquatorlinie. Entgegen den althergebrachten Theorien21 regnete es 60 Tage ohne Unterlass. Bis wir die Linie bei 14 Grad erreichten, schlugen uns viele heftige Windböen und Wasserströme entgegen. Da wir nicht vorankamen und um die Schiffe nicht zu gefährden, bargen wir die Segel. In dieser Weise trieben wir auf dem Meer hin und her, bis die Böen verebbten, denn sie trafen uns mit fürchterlicher Gewalt. Solange es regnete, wehte kein Wind; wenn aber die Sonne schien, herrschte ruhiges Segelwetter.
An die Bordseiten der Schiffe kamen gewisse große Fische, die tiburoni22 heißen. Sie haben schreckliche Zähne, und wenn sich Menschen im Meer befinden, fressen sie diese auf. Wir fingen viele davon mit eisernen Angelhaken, auch wenn sie nicht schmackhaft sind, mit Ausnahme der kleineren; aber selbst die sind nicht besonders.
In diesen Unwettern erschien uns oft der Heilige Körper23, das heißt Sankt Elmo im Lichte: einmal in stockfinsterer Nacht an der Spitze der Großmarsstenge so hell strahlend wie eine brennende Fackel, und er blieb mehr als zwei Stunden bei uns und tröstete uns in unserem Kummer. Als uns dieses gesegnete Licht verlassen wollte, blendete sein gewaltiges Strahlen unsere Augen so sehr, dass wir alle eine halbe Viertelstunde wie Blinde waren. Wir flehten um Erbarmen und glaubten ernsthaft, wir seien gestorben. Da beruhigte sich das Meer mit einem Mal.
Ich sah viele Arten von Vögeln, darunter eine Art, die keinen Arsch hatte. Bei einer anderen Art legt das Weibchen seine Eier auf den Rücken des Männchens, und dort werden sie ausgebrütet. Diese Vögel haben keine Beine und leben allezeit auf dem Meer. Eine andere Art ernährt sich vom Kot der anderen Vögel und von nichts sonst. Ja, ich sah diesen Vogel, der cagassela genannt wird24, oftmals lange hinter anderen Vögeln herfliegen, bis diese genötigt waren, den Kot auszuscheiden. Sofort schnappt er ihn und lässt den anderen Vogel ziehen. Weiterhin sah ich viele Fische, die flogen, und viele andere so zusammengedrängt, dass sie einer Insel glichen.
21Antike Autoren wie Macrobius vertraten die Ansicht, die Erde werde im Bereich des Äquators, in der sogenannten zona torrida, permanent von sengender Hitze verbrannt, sodass sie dort unbewohnbar sei.
22Span. tiburón: Hai.
23Im Original Corpo Sancto: Pigafetta beschreibt hier das Elmsfeuer, ein durch elektrische Ladungen hervorgerufenes Leuchten, das bei Gewitterlage oft an den Mastspitzen auftrat.
24Gemeinhin mit der Schmarotzerraubmöwe (Stercorarius parasiticus) identifiziert.