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VII. Beschreibung des Landes von Verzin

Dieses Land von Verzin ist sehr üppig und größer als Spanien, Frankreich und Italien zusammen. Es gehört dem König von Portugal. Die Völker dieses Landes sind keine Christen und beten nichts an. Sie leben nach den Gebräuchen der Natur und werden 125 und 140 Jahre alt. Sowohl die Männer als auch die Frauen gehen nackt. Sie wohnen in gewissen langen Häusern, die sie boii nennen, und schlafen in Netzen aus Baumwolle, amache33 genannt, die in den Häusern von einem Ende zum anderen an dicke Pfosten gebunden werden; unter diesen machen sie Feuer auf der Erde. In jedem dieser boii leben 100 Männer mit ihren Frauen und Kindern, die einen Riesenlärm machen. Sie haben klobige Boote aus nur einem Baum, canoe genannt, die mit Äxten aus Stein ausgehöhlt werden. Diese Völker benutzen die Steine wie wir das Eisen, weil sie keines haben. Es passen 30 bis 40 Männer in eines ihrer Boote. Sie rudern mit Schaufeln, die Ofenschiebern gleichen. Schwarz, nackt und unbehaart, wie sie sind, ähneln sie beim Rudern den Schiffern auf dem Fluss Styx.

Männer und Frauen haben denselben Körperbau wie wir. Sie essen das Menschenfleisch ihrer Feinde, nicht weil es etwa gut wäre, sondern aus einer Art Brauch. Dieser allgemeine Brauch nahm seinen Anfang bei einer Alten, die nur einen Sohn hatte, der von seinen Feinden totgeschlagen wurde. Einige Tage später ergriffen ihre Leute einen von denen, die ihren Sohn getötet hatten, und brachten ihn dorthin, wo die Alte sich aufhielt. Als sie ihn sah und sich ihres Sohnes erinnerte, rannte sie wie eine tollwütige Hündin auf ihn zu und biss ihn in die Schulter.

Der Gebissene floh kurz darauf zu den Seinen und erzählte, wie man ihn hatte essen wollen; zum Beweis zeigte er die Schulter her. Als diese Leute später wiederum einen von den anderen fingen, aßen sie ihn auf; und so machten es die anderen wieder mit Ersteren. Auf diese Weise kam der Brauch zustande. Sie verspeisen die Leichen nicht mit einem Mal, sondern jeder schneidet ein Stück ab, trägt es nach Hause und hängt es in den Rauch. Sodann schneidet er alle acht Tage ein Stückchen ab und isst es gebraten mit anderen Dingen im Gedenken an seine Feinde. Dies erzählte mir der Steuermann Ioan Carvaio34, der mit uns fuhr und der vier Jahre in diesem Land gelebt hatte.

Diese Leute bemalen sich den ganzen Körper und das Gesicht auf verschiedene Weise wundervoll mit Feuer, auch die Frauen. Sie sind geschoren und bartlos, weil sie ihn sich auszupfen. Sie tragen Kleider aus Papageienfedern mit großen Rädern am Hintern aus den größeren Federn, was lächerlich aussieht. Fast alle außer den Frauen und Kindern haben drei Löcher in der Unterlippe, in denen sie runde Steine tragen, die etwa einen Finger lang sind und heraushängen. Die Leute sind nicht gänzlich schwarz, sondern olivfarben. Ihre Schamgegend lassen sie unbedeckt. Ihre Körper sind unbehaart, und Männer wie Frauen gehen stets nackt. Ihr König wird cacich genannt. Sie haben unendlich viele Papageien, von denen sie acht oder zehn für einen Spiegel hergeben, und kleine Affen, die wie – allerdings gelbe – Löwen35 aussehen und wunderschön sind. Sie erzeugen ein rundes, weißes, nicht besonders schmackhaftes Brot aus dem Mark von Bäumen. Das Mark bildet sich zwischen Stamm und Rinde und ist wie Quark. Sie halten Schweine, die den Nabel auf dem Rücken haben, und große Vögel ohne Zunge, deren Schnabel einem Löffel gleicht36.

Für ein Beil oder ein großes Messer gaben sie uns eine oder zwei ihrer Töchter als Sklavinnen, aber ihre Frauen gäben sie für nichts in der Welt her. Wie man uns sagte, würden diese ihren Ehemännern um keinen Preis Schande machen. Tagsüber sind sie ihren Gatten nicht zu Willen, sondern nur in der Nacht. Sie tun die Arbeit und tragen das ganze Essen von den Bergen herab in Kiepen oder Körben entweder auf dem Kopf oder an den Kopf gebunden. Dabei werden sie immer von ihren Männern begleitet, die nur einen Bogen aus Brasil- oder schwarzem Palmholz und ein Bündel Pfeile aus Schilfrohr mit sich führen; dies tun sie deshalb, weil sie eifersüchtig sind. Die Frauen tragen ihre Kinder an den Hals gehängt in einem Netz aus Baumwolle. Andere Dinge lasse ich aus, um nicht zu langatmig zu werden.

Zweimal wurde an Land die Messe gelesen. Dabei lagen diese Leute mit solcher Zerknirschung auf den Knien, die gefalteten Hände zum Himmel erhoben, dass es ein außerordentliches Vergnügen war, ihnen zuzuschauen. Sie errichteten ein Haus für uns, weil sie dachten, wir würden eine Weile bei ihnen bleiben, und schlugen eine Menge Brasilholz, um es uns bei unserer Abreise zu geben.

Es hatte vielleicht zwei Monate nicht geregnet in diesem Land, und als wir in den Hafen einfuhren, regnete es zufällig. Deswegen sagten sie, wir kämen vom Himmel und hätten den Regen mitgebracht. Diese Völker könnten leicht zum Glauben an Jesus Christus bekehrt werden. Anfangs dachten sie, dass die Beiboote die Kinder der Schiffe seien und dass diese sie gebaren, wenn sie vom Schiff ins Meer gelassen wurden. Und wenn die Boote so wie üblich an der Bordwand lagen, glaubten sie, dass die Schiffe sie säugten.

Eines Tages kam ein schönes junges Mädchen auf das Flaggschiff, wo ich mich aufhielt, zu nichts anderem, als um ihr Glück zu versuchen. Wie sie so abwartend dastand, warf sie einen Blick auf die Kajüte des Meisters und sah einen Nagel länger als einen Finger, den sie mit großer Vornehmheit und Anmut an sich nahm. Sie steckte ihn zwischen die Lippen ihrer Natur und verschwand heimlich, still und leise. Das sahen der Generalkapitän und ich.

Einige Vokabeln dieses Volkes von Verzin37:

zur Hirse – maiz

zum Mehl – hui

zum Angelhaken – pinda

zum Messer – tacse

zum Kamm – chigap

zur Schere – pirame

zum Glöckchen – itanmaraca

besser als gut – tum maragathum

33Vgl. span. hamaca, dt. Hängematte. Das Wort stammt, wie auch boii, canoe und cacich, nicht aus der Sprache der Tupi, sondern der auf den Antillen lebenden Taíno.

34João Lopes Carvalho: Steuermann des Schiffes Concepción, Portugiese († 1522 auf den Molukken).

35Vermutlich Löwenäffchen (Leontopithecus).

36Vogel der Gattung Löffler (Platalea).

37Bis auf das erste entstammen die folgenden Wörter der Tupi-Sprache.

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