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Vierter Gesang

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Inhalt

Menelaos, der seine Kinder ausstattet, bewirtet die Fremdlinge, und äußert mit Helena teilnehmende Liebe für Odysseus. Telemachos wird erkannt. Aufheiterndes Mittel der Helena, und Erzählungen von Odysseus. Am Morgen fragt Telemachos nach dem Vater. Menelaos erzählt, was ihm der ägyptische Proteus von der Rückkehr der Achaier, und dem Aufenthalt des Odysseus bei der Kalypso, geweissagt. Die Freier beschließen den heimkehrenden Telemachos zwischen Ithaka und Samos zu ermorden. Medon entdeckt’s der Penelopeia. Sie fleht zur Athene, und wird durch ein Traumbild getröstet.

Und sie erreichten im Tale die große Stadt Lakedämon,Lenkten darauf zur Burg Menelaos’ des Ehregekrönten.Und Menelaos feirte mit vielen Freunden die HochzeitSeines Sohnes im Hause, und seiner lieblichen Tochter.
5 Diese sandt’ er dem Sohne des Scharentrenners Achilleus.Denn er gelobte sie ihm vordem im troischen Lande;Und die himmlischen Götter vollendeten ihre Vermählung.Jetzo sandt’ er sie hin, mit Rossen und Wagen begleitet,Zu der berühmten Stadt des Myrmidonenbeherrschers.
10 Aber dem Sohne gab er aus Sparta die Tochter Alektors,Megapenthes dem Starken, den ihm in späterem AlterEine Sklavin gebar. Denn Helenen schenkten die GötterKeine Frucht, nachdem sie die liebliche Tochter geboren,Hermione, ein Bild der goldenen Aphrodite.
15 Also feierten dort im hochgewölbeten Saale Alle Nachbarn und Freunde des herrlichen MenelaosFröhlich am Mahle das Fest. Es sang ein göttlicher SängerIn die Harfe sein Lied. Und zween nachahmende TänzerStimmten an den Gesang, und dreheten sich in der Mitte.
20 Aber die Rosse hielten am Tore des hohen Palastes, Und Telemachos harrte mit Nestors glänzendem Sohne.Siehe da kam Eteoneus hervor, und sahe die Fremden,Dieser geschäftige Diener des herrlichen Menelaos.Schnell durchlief er die Wohnung, und brachte dem Könige Botschaft,
25 Stellte sich nahe vor ihn, und sprach die geflügelten Worte: Fremde Männer sind draußen, o göttlicher Held Menelaos, Zween an der Zahl, von Gestalt wie Söhne des großen Kronions!Sage mir, sollen wir gleich abspannen die hurtigen Rosse;Oder sie weiter senden, damit sie ein andrer bewirte?
30 Voll Unwillens begann Menelaos der Bräunlichgelockte: Ehmals warst du kein Tor, Boethos’ Sohn Eteoneus;Aber du plauderst jetzt, wie ein Knabe, so törichte Worte!Wahrlich wir haben ja beid’ in Häusern anderer MenschenSo viel Gutes genossen, bis wir heimkehrten! Uns wolle
35 Zeus auch künftig vor Not bewahren! Drum spanne die RosseHurtig ab, und führe die Männer zu unserem Gastmahl! Also sprach er; und schnell durcheilete jener die Wohnung, Rief die geschäftigen Diener zusammen, daß sie ihm folgten.Und nun spanneten sie vom Joche die schäumenden Rosse,
40 Führten sie dann in den Stall, und banden sie fest an die Krippen,Schütteten Hafer hinein, mit gelblicher Gerste gemenget,Stellten darauf den Wagen an eine der schimmernden Wände,Führten endlich die Männer hinein in die göttliche Wohnung. Staunend sahn sie die Burg des göttergesegneten Königs.
45 Gleich dem Strahle der Sonn’, und gleich dem Schimmer des MondesBlinkte die hohe Burg Menelaos’ des Ehregekrönten.Und nachdem sie ihr Herz mit bewunderndem Blicke gesättigt,Stiegen sie beide zum Bad’ in schöngeglättete Wannen.Als sie die Mägde gebadet, und drauf mit Öle gesalbet,
50 Und mit wollichtem Mantel und Leibrock hatten bekleidet;Setzten sie sich auf Throne bei Atreus’ Sohn Menelaos.Eine Dienerin trug in der schönen goldenen KanneÜber dem silbernen Becken das Wasser, beströmte zum WaschenIhnen die Händ’, und stellte vor sie die geglättete Tafel.
55 Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tischte das Brot auf,Und der Gerichte viel aus ihrem gesammelten Vorrat.Hierauf kam der Zerleger, und bracht’ in erhobenen SchüsselnAllerlei Fleisch, und setzte vor sie die goldenen Becher.Beiden reichte die Hände der Held Menelaos, und sagte:
60 Langt nun zu, und eßt mit Wohlgefallen, ihr Freunde! Habt ihr euch dann mit Speise gestärkt, dann wollen wir fragen,Wer ihr seid. Denn wahrlich aus keinem versunknen GeschlechteStammt ihr, sondern ihr stammt von edlen sceptergeschmücktenKönigen her; denn gewiß Unedle zeugen nicht solche!
65 Also sprach er, und reichte den fetten gebratenen Rückgrat Von dem Rinde den Gästen, der ihm zur Ehre bestimmt war.Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war,Neigte Telemachos sein Haupt zum Sohne des Nestor,
70 Und sprach leise zu ihm, damit es die andern nicht hörten: Schaue doch, Nestoride, du meines Herzens Geliebter, Schaue den Glanz des Erzes umher in der hallenden Wohnung,Und des Goldes und Ambras und Elfenbeines und Silbers!Also glänzt wohl von innen der Hof des olympischen Gottes!
75 Welch ein unendlicher Schatz! Mit Staunen erfüllt mich der Anblick! Seine Rede vernahm Menelaos der Bräunlichgelockte, Wandte sich gegen die Fremden, und sprach die geflügelten Worte: Liebe Söhne, mit Zeus wetteifre der Sterblichen keiner; Ewig besteht des Unendlichen Burg und alles, was sein ist!
80 Doch von den Menschen mag einer mit mir sich messen an Reichtum,Oder auch nicht! Denn traun! nach vielen Leiden und IrrenBracht’ ich ihn in den Schiffen am achten Jahre zur Heimat;Ward nach Kypros vorher, nach Phönike gestürmt und Ägyptos,Sahe die Äthiopen, Sidonier dann und Erember,
85 Libya selbst, wo schon den Lämmern Hörner entkeimen.Denn es gebären dreimal im Laufe des Jahres die Schafe.Nimmer gebricht es dort dem Eigner, und nimmer dem Hirten,Weder an Käse noch Fleisch noch süßer Milch von der Herde,Welche das ganze Jahr mit vollen Eutern einhergeht.
90 Also durchirrt’ ich die Länder, und sammelte großes Vermögen.Aber indessen erschlug mir meinen Bruder ein andrerHeimlich, mit Meuchelmord, durch die List des heillosen Weibes:Daß ich gewiß nicht froh dies große Vermögen beherrsche!Doch dies habt ihr ja wohl von euren Vätern gehöret,
95 Wer sie auch sein. Denn viel, sehr vieles hab’ ich erlitten,Und mein prächtiges Haus voll köstlicher Güter zerrüttet!Könnt’ ich nur jetzo darin mit dem dritten Teile der GüterWohnen, und lebten die Männer, die im Gefilde vor TrojaHingesunken sind, fern von der rossenährenden Argos!
100 Aber dennoch, wie sehr ich sie alle klag’ und beweine;(Oftmal hab’ ich hier so in meinem Hause gesessen,Und mir jetzo mit Tränen das Herz erleichtert, und jetzoWieder geruht; denn bald ermüdet der starrende Kummer!)Dennoch, wie sehr ich traure, bewein’ ich alle nicht so sehr,
105 Als den einen, der mir den Schlaf und die Speise verleidet,Denk’ ich seiner! Denn das hat kein Achaier erduldet,Was Odysseus erduldet’ und trug! Ihm selber war UnglückVon dem Schicksal bestimmt, und mir unendlicher Jammer,Seinethalben des Langabwesenden, weil wir nicht wissen,
110 Ob er leb’ oder tot sei. Vielleicht beweinen ihn jetzoSchon Laertes der Greis, und die keusche Penelopeia,Und Telemachos, den er als Kind im Hause zurückließ! Also sprach er, und rührte Telemachos herzlich zu weinen. Seinen Wimpern entstürzte die Träne, als er vorn Vater
115 Hörte; da hüllt’ er sich schnell vor die Augen den purpurnen Mantel,Fassend mit beiden Händen; und Menelaos erkannt’ ihn.Dieser dachte darauf umher in zweifelnder Seele:Ob er ihn ruhig ließe an seinen Vater gedenken;Oder ob er zuerst ihn fragt’, und alles erforschte.
120 Als er solche Gedanken in zweifelnder Seele bewegte; Wallte Helena her aus der hohen duftenden Kammer,Artemis gleich an Gestalt, der Göttin mit goldener Spindel.Dieser setzte sofort Adraste den zierlichen Sessel;Und Alkippe brachte den weichen wollichten Teppich.
125 Phylo brachte den silbernen Korb, den ehmals AlkandreIhr verehrte, die Gattin des Polybos, welcher in ThebäWohnte, Ägyptos Stadt voll schätzereicher Paläste.Dieser gab Menelaos zwo Badewannen von Silber,Zween dreifüßige Kessel, und zehn Talente des Goldes.
130 Aber Helenen gab Alkandre schöne Geschenke,Eine goldene Spindel im länglichgeründeten Korbe,Der, aus Silber gebildet, mit goldenem Rande geschmückt war.Diesen setzte vor sie die fleißige Dienerin Phylo,Angefüllt mit geknäueltem Garn, und über dem Garne
135 Lag die goldene Spindel mit violettener Wolle.Helena saß auf dem Sessel; ein Schemel stützte die Füße.Und sie fragte sogleich den Gemahl nach allem, und sagte: Wissen wir schon, Menelaos du Göttlicher, welches Geschlechtes Diese Männer sich rühmen, die unsere Wohnung besuchen?
140 Irr’ ich, oder ahnet mir wahr? Ich kann es nicht bergen!Niemals erschien mir ein Mensch mit solcher ähnlichen Bildung,Weder Mann, noch Weib; (mit Staunen erfüllt mich der Anblick!)Als der Jüngling dort des edelgesinnten Odysseus’Sohne Telemachos gleicht, den er als Säugling daheimließ,
145 Jener Held, da ihr Griechen, mich Ehrvergeßne zu rächen,Hin gen Ilion schifftet, mit Tod und Verderben gerüstet! Ihr antwortete drauf Menelaos der Bräunlichgelockte: Ebenso denke auch ich, o Frau, wie du jetzo vermutest.Denn so waren die Händ’, und so die Füße des Helden,
150 So die Blicke der Augen, das Haupt und die lockichten Haare.Auch gedacht’ ich jetzo des edelgesinnten Odysseus,Und erzählte, wie jener für mich so mancherlei ElendDuldete; siehe da drang aus seinen Augen die Träne,Und er verhüllete schnell mit dem Purpurmantel sein Antlitz.
155 Und der Nestoride Peisistratos sagte dagegen: Atreus’ Sohn, Menelaos, du göttlicher Führer des Volkes,Dieser ist wirklich der Sohn Odysseus’, wie du vermutest.Aber er ist bescheiden, und hält es für unanständig,Gleich, nachdem er gekommen, so dreist entgegen zu schwatzt
160 Deiner Rede, die uns, wie eines Gottes, erfreuet.Und mich sandte mein Vater, der Rossebändiger Nestor,Diesen hieher zu geleiten, der dich zu sehen begehrte,Daß du ihm Rat erteiltest zu Worten oder zu Taten.Denn viel leidet ein Sohn des langabwesenden Vaters,
165 Wenn er, im Hause verlassen, von keinem Freunde beschützt wird:Wie Telemachos jetzt! Sein Vater ist ferne, und niemandRegt sich im ganzen Volke, von ihm die Plage zu wenden! Ihm antwortete drauf Menelaos der Bräunlichgelockte: Götter, so ist ja mein Gast der Sohn des geliebtesten Freundes,
170 Welcher um meinetwillen so viele Gefahren erduldet!Und ich hoffte, dem Kommenden einst vor allen ArgeiernWohlzutun, hätt’ uns der Olympier Zeus KronionGlückliche Wiederkehr in den schnellen Schiffen gewähret!Eine Stadt und ein Haus in Argos wollt’ ich ihm schenken,
175 Und ihn aus Ithaka führen mit seinem ganzen Vermögen.Seinem Sohn und dem Volk, und räumen eine der Städte,Welche Sparta umgrenzen, und meinem Befehle gehorchen.Oft besuchten wir dann als Nachbarn einer den andern,Und nichts trennt’ uns beid’ in unserer seligen Eintracht,
180 Bis uns die schwarze Wolke des Todes endlich umhüllte!Aber ein solches Glück mißgönnte mir einer der Götter,Welcher jenem allein, dem Armen, raubte die Heimkehr! Also sprach er, und rührte sie alle zu herzlichen Tränen. Argos’ Helena weinte, die Tochter des großen Kronions,
185 Und Telemachos weinte, und Atreus’ Sohn Menelaos.Auch Peisistratos konnte sich nicht der Tränen enthalten;Denn ihm trat vor die Seele des edlen Antilochos’ Bildnis,Welchen der glänzende Sohn der Morgenröte getötet.Dessen gedacht’ er jetzo, und sprach die geflügelten Worte:
190 Atreus’ Sohn Menelaos, vor allen Menschen verständig, Rühmte dich Nestor der Greis, so oft wir deiner gedachtenIn des Vaters Palast, und uns miteinander besprachen.Darum, ist es dir möglich, gehorche mir jetzo. Ich findeKein Vergnügen an Tränen beim Abendessen; auch morgen
195 Dämmert ein Tag für uns. Ich tadele freilich mitnichten,Daß man den Toten beweine, der sein Verhängnis erfüllt hat.Ist doch dieses allein der armen Sterblichen Ehre,Daß man schere sein Haar, und die Wange mit Tränen benetze.Auch mein Bruder verlor sein Leben, nicht der geringste
200 Im argeiischen Heer! Du wirst ihn kennen; ich selberHab’ ihn nimmer gesehen: doch rühmen Antilochos alle,Daß er an Schnelle des Laufs und in Kriegsmut andre besieget. Ihm antwortete drauf Menelaos der Bräunlichgelockte: Lieber, du redest so, wie ein Mann von reifem Verstande
205 Reden und handeln muß, und wär’ er auch höheres Alters.Denn du redest als Sohn von einem verständigen Vater.Leicht erkennt man den Samen des Mannes, welchen Kronionschmückte mit himmlischem Segen bei seiner Geburt und Vermählung.Also krönet er nun auch Nestors Tage mit Wohlfahrt;
210 Denn er freut sich im Hause des stillen behaglichen Alters,Und verständiger Söhne, geübt die Lanze zu schwingen.Laßt uns also des Grams und unserer Tränen vergessen,Und von neuem das Mahl beginnen! Wohlauf, man begießeUnsere Hände mit Wasser! Auch morgen wird Zeit zu Gesprächen
215 Mit Telemachos sein, uns beiden das Herz zu erleichtern! Sprach’s, und eilend begoß Asphalion ihnen die Hände, Dieser geschäftige Diener des herrlichen Menelaos.Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.
Die großen Klassiker der Antike

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