Читать книгу Die großen Klassiker der Antike - Aristoteles - Страница 107
Fünfter Gesang
ОглавлениеZeus befiehlt durch Hermes der Kalypso, den Odysseus zu entlassen. Ungern gehorchend, versorgt sie den Odysseus mit Gerät, ein Floß zu bauen, und mit Reisekost. Am achtzehnten Tage der Fahrt sendet Poseidon ihm Sturm, der den Floß zertrümmert. Leukothea sichert ihn durch ihren Schleier. Am dritten Tage erreicht er der Phäaken Insel Scheria, rettet sich aus der Felsenbrandung in die Mündung des Stroms, und ersteigt einen waldigen Hügel, wo er in abgefallenen Blättern schläft.
Und die rosige Frühe entstieg des edlen TithonosLager, und brachte das Licht den Göttern und sterblichen Menschen.Aber die Götter saßen zum Rate versammelt; mit ihnenSaß der Donnerer Zeus, der alle Dinge beherrschet. | |
5 | Und Athene gedachte der vielen Leiden Odysseus’,Welchen Kalypso hielt, und sprach zu der Götter Versammlung: Vater Zeus, und ihr andern, unsterbliche selige Götter, Künftig befleißige sich keiner der scepterführenden Herrscher,Huldreich, mild und gnädig zu sein, und die Rechte zu schützen; |
10 | Sondern er wüte nur stets und frevle mit grausamer Seele!Niemand erinnert sich ja des göttergleichen OdysseusVon den Völkern, die er mit Vaterliebe beherrschte!Sondern er liegt in der Insel, mit großem Kummer belastet,In dem Hause der Nymphe Kalypso, die mit Gewalt ihn |
15 | Hält; und wünschet umsonst, die Heimat wiederzusehen:Denn es gebricht ihm dort an Ruderschiffen und Männern,Über den breiten Rücken des Meeres ihn zu geleiten.Jetzo beschlossen sie gar des einzigen Sohnes Ermordung.Wann er zur Heimat kehrt; er forscht nach Kunde vorn Vater |
20 | In der göttlichen Pylos und Lakedämon der großen. Ihr antwortete drauf der Wolkenversammler Kronion: Welche Rede, mein Kind, ist deinen Lippen entflohen?Hast du nicht selber den Rat in deinem Herzen ersonnen,Daß heimkehrend jenen Odysseus Rache vergelte? |
25 | Aber Telemachos führe mit Sorgfalt, denn du vermagst es:Daß er ohne Gefahr sein heimisches Ufer erreiche,Und die Freier im Schiffe vergebens wieder zurückziehn. Sprach’s, und redete drauf zu seinem Sohne Hermeias: Hermes, meiner Gebote Verkündiger, melde der Nymphe |
30 | Mit schönwallenden Locken der Götter heiligen RatschlußÜber den leidengeübten Odysseus! Er kehre von dannenOhne der Götter Geleit, und ohne der sterblichen Menschen!Einsam, im vielgebundenen Floß, von Schrecken umstürmet,Komm’ er am zwanzigsten Tage zu Scherias fruchtbaren Auen, |
35 | In das glückliche Land der götternahen Phäaken!Diese werden ihn hoch, wie einen Unsterblichen, ehren,Und ihn senden im Schiffe zur lieben heimischen Insel,Reichlich mit Erz und Golde beschenkt und prächtigen Kleidern,Mehr als jemals der Held von Ilion hätte geführet, |
40 | Wär’ er auch ohne Schaden mit seiner Beute gekommen!Also gebeut ihm das Schicksal, die Freunde wiederzuschauen,Und den hohen Palast und seiner Väter Gefilde! Also sprach Kronion. Der rüstige Argosbesieger Eilte sofort, und band sich unter die Füße die schönen |
45 | Goldnen ambrosischen Sohlen, womit er über die WasserUnd das unendliche Land im Hauche des Windes einherschwebt.Hierauf nahm er den Stab, womit er die Augen der MenschenZuschließt, welcher er will, und wieder vom Schlummer erwecket.Diesen hielt er und flog, der tapfere Argosbesieger, |
50 | Stand auf Pieria still, und senkte sich schnell aus dem ÄtherNieder aufs Meer, und schwebte dann über die Flut, wie die Möwe,Die um furchtbare Busen des ungebändigten MeeresFische fängt, und sich oft die flüchtigen Fittiche netzet:Also beschwerte Hermeias die weithinwallende Fläche. |
55 | Als er die ferne Insel Ogygia jetzo erreichte,Stieg er aus dem Gewässer des dunkeln Meeres ans Ufer,Wandelte fort, bis er kam zur weiten Grotte der NympheMit schönwallenden Locken, und fand die Nymphe zu Hause.Vor ihr brannt’ auf dem Herd’ ein großes Feuer, und fernhin |
60 | Wallte der liebliche Duft vom brennenden Holze der CederUnd des Citronenbaums. Sie sang mit melodischer Stimme,Emsig, ein schönes Gewebe mit goldener Spule zu wirken.Rings um die Grotte wuchs ein Hain voll grünender Bäume,Pappelweiden und Erlen und düftereicher Cypressen. |
65 | Unter dem Laube wohnten die breitgefiederten Vögel,Eulen und Habichte und breitzüngichte Wasserkrähen,Welche die Küste des Meers mit gierigem Blicke bestreifen.Um die gewölbete Grotte des Felsens breitet’ ein WeinstockSeine scharrenden Ranken, behängt mit purpurnen Trauben. |
70 | Und vier Quellen ergossen ihr silberblinkendes Wasser,Eine nahe der andern, und schlängelten hierhin und dorthin.Wiesen grünten umher, mit Klee bewachsen und Eppich.Selbst ein unsterblicher Gott verweilete, wann er vorbeiging,Voll Verwunderung dort, und freute sich herzlich des Anblicks. |
75 | Voll Verwunderung stand der rüstige Argosbesieger;Und nachdem er alles in seinem Herzen bewundert,Ging er eilend hinein in die schöngewölbete Grotte.Ihn erkannte sogleich die hehre Göttin Kalypso:Denn die unsterblichen Götter verkennen nimmer das Antlitz |
80 | Eines anderen Gottes, und wohnt’ er auch ferne von dannen.Aber nicht Odysseus den Herrlichen fand er zu Hause;Weinend saß er am Ufer des Meers. Dort saß er gewöhnlich,Und zerquälte sein Herz mit Weinen und Seufzen und Jammern,Und durchschaute mit Tränen die große Wüste des Meeres. |
85 | Aber dem Kommenden setzte die hehre Göttin KalypsoEinen prächtigen Thron von strahlender Arbeit, und fragte: Warum kamst du zu mir, du Gott mit goldenem Stabe, Hermes, Geehrter, Geliebter? Denn sonst besuchst du mich niemals.Sage, was du verlangst; ich will es gerne gewähren, |
90 | Steht es in meiner Macht, und sind es mögliche Dinge.Aber komm doch näher, daß ich dich gastlich bewirte. Also sprach Kalypso, und setzte dem Gott die Tafel Voll Ambrosia vor, und mischte rötlichen Nektar.Und nun aß er und trank, der rüstige Argosbesieger. |
95 | Und nachdem er gegessen, und seine Seele gelabet;Da begann er und sprach zur hehren Göttin Kalypso: Fragst du, warum ich komme, du Göttin den Gott? Ich will dir Dieses alles genau verkündigen, wie du befiehlest.Zeus gebot mir hieher, ohn’ meinen Willen, zu wandern! |
100 | Denn wer ginge wohl gern durch dieses salzigen MeeresUnermeßliche Flut? Ringsum ist keine der Städte,Wo man die Götter mit Opfern und Hekatomben begrüßet!Aber kein Himmlischer mag dem wetterleuchtenden GotteZeus entgegen sich stellen, noch seinen Willen vereiteln. |
105 | Dieser sagt, es weile der Unglückseligste allerMänner bei dir, die Priamos’ Stadt neun Jahre bekämpften,Und am zehnten darauf mit Ilions Beute zur HeimatKehreten, aber Athene durch Missetaten erzürnten,Daß sie die Göttin mit Sturm und hohen Fluten verfolgte. |
110 | Alle tapfern Gefährten versanken ihm dort in den Abgrund;Aber er selbst kam hier, von Sturm und Woge geschleudert.Jetzo gebeut dir der Gott, daß du ihn eilig entlassest.Denn ihm ward nicht bestimmt, hier fern von den Seinen zu sterben;Sondern sein Schicksal ist, die Freunde wiederzuschauen, |
115 | Und sein prächtiges Haus, und seiner Väter Gefilde. Als er es sprach, da erschrak die hehre Göttin Kalypso. Und sie redet’ ihn an, und sprach die geflügelten Worte: Grausam seid ihr vor allen und neidisches Herzens, o Götter! Jeglicher Göttin verargt ihr die öffentliche Vermählung |
120 | Mit dem sterblichen Manne, den sie zum Gatten erkoren.Als den schönen Orion die rosenarmige EosRaubte, da zürnetet ihr so lang’, ihr seligen Götter,Bis in Ortygia ihn die goldenthronende JungfrauArtemis plötzlich erregte mit ihrem sanften Geschosse. |
125 | Als in Jasions Arm die schöngelockte Demeter,Ihrem Herzen gehorchend, auf dreimalgeackertem SaatfeldSeliger Liebe genoß; wie bald erfuhr die UmarmungZeus, und erschlug ihn im Zorne mit seinem flammenden Donner!Also verargt ihr auch mir des sterblichen Mannes Gemeinschaft, |
130 | Den ich vom Tode gewann, als er auf zertrümmertem KieleEinsam trieb; denn ihm hatte der Gott hochrollender DonnerMitten im Meere sein Schiff mit dem dampfenden Strahle zerschmettert.Alle tapfern Gefährten versanken ihm dort in den Abgrund;Aber er selbst kam hier von Sturm und Woge geschleudert. |
135 | Freundlich nahm ich ihn auf, und reicht’ ihm Nahrung, und sagteIhm Unsterblichkeit zu und nimmerverblühende Jugend.Aber kein Himmlischer mag dem wetterleuchtenden GotteZeus entgegen sich stellen, noch seinen Willen vereiteln.Mög’ er denn gehn, wo ihn des Herrschers Wille hinwegtreibt, |
140 | Über das wilde Meer! Doch senden werd’ ich ihn nimmer;Denn mir gebricht es hier an Ruderschiffen und Männern,Über den weiten Rücken des Meeres ihn zu geleiten.Aber ich will ihm mit Rat beistehn, und nichts ihm verhehlen;Daß er ohne Gefahr die Heimat wieder erreiche. |
145 | Ihr antwortete drauf der rüstige Argosbesieger: Send’ ihn also von hinnen, und scheue den großen Kronion,Daß dich der Zürnende nicht mit schrecklicher Rache verfolge! |