225 | Also sprach der Jüngling, und setzte sich. Jetzo erhub sichMentor, ein alter Freund des tadellosen Odysseus,Dem er, von Ithaka schiffend, des Hauses Sorge vertrauet,Daß er dem Greise gehorcht’, und alles in Ordnung erhielte.Dieser erhub im Volk die Stimme der Weisheit, und sagte: |
230 | Höret mich jetzt, ihr Männer von Ithaka, was ich euch sage! Künftig befleiße sich keiner der scepterführenden Herrscher,Huldreich, mild und gnädig zu sein, und die Rechte zu schützen;Sondern er wüte nur stets, und frevle mit grausamer Seele!Niemand erinnert sich ja des göttergleichen Odysseus |
235 | Von den Völkern, die er mit Vaterliebe beherrschte!Aber ich eifre jetzt nicht gegen die trotzigen Freier,Die so gewaltsame Taten mit tückischer Seele beginnen;Denn sie weihen ihr Haupt dem Verderben, da sie OdysseusHabe wie Räuber verprassen, und wähnen, er kehre nicht wieder. |
240 | Jetzo schelt’ ich das übrige Volk, daß ihr alle so gänzlichStumm dasitzt, und auch nicht mit einem strafenden WorteDiese Freier, die wenigen, zähmt, da euer so viel sind! Aber Euenors Sohn Leiokritos sagte dagegen: Mentor, du Schadenstifter von törichtem Herzen, was sprachst du |
245 | Da vor Lästerung aus, und befahlst, uns Freier zu zähmen?Schwer, auch mehreren, ist der Kampf mit schmausenden Männern!Wenn auch selbst Odysseus, der Held von Ithaka, käme,Und die glänzenden Freier, die seine Güter verschmausen,Aus dem Palaste zu treiben gedächte; so würde sich dennoch |
250 | Seine Gemahlin nicht, wie sehr sie auch schmachtet, der AnkunftFreun! Ihn träfe gewiß auf der Stelle das Schreckenverhängnis,Wenn er mit mehreren kämpfte! Du hast nicht klüglich geredet!Aber wohlan! ihr Männer, zerstreut euch zu euren Geschäften!Diesem beschleunigen wohl Halitherses und Mentor die Reise, |
255 | Welche von alters her Odysseus Freunde gewesen!Aber ich hoffe, er sitzt noch lang’, und spähet sich BotschaftHier in Ithaka aus; die Reise vollendet er niemals! Also sprach der Freier, und trennte schnell die Versammlung. Alle zerstreueten sich, ein jeder zu seinen Geschäften; |
260 | Aber die Freier gingen zum Hause des edlen Odysseus. Und Telemachos ging beiseit ans Ufer des Meeres, Wusch in der grauen Flut die Händ’, und flehte Athenen: Höre mich, Gott, der du gestern in unserm Hause erschienest, Und mir befahlst, im Schiffe das dunkle Meer zu durchfahren, |
265 | Und nach Kunde zu forschen vom langabwesenden Vater:Himmlischer, siehe! das alles verhindern nun die Achaier,Aber am meisten die Freier voll übermütiger Bosheit! Also sprach er flehend. Ihm nahte sich Pallas Athene, Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme. |
270 | Und sie redet’ ihn an, und sprach die geflügelten Worte: Jüngling, du mußt dich hinfort nicht feige betragen noch töricht! Hast du von deinem Vater die hohe Seele geerbet,Bist du, wie jener einst, gewaltig in Taten und Worten;Dann wird keiner die Reise dir hindern oder vereiteln. |
275 | Aber bist du nicht sein Samen und Penelopeiens;Dann verzweifl’ ich, du wirst niemals dein Beginnen vollenden.Wenige Kinder nur sind gleich den Vätern an Tugend,Schlechter als sie die meisten, und nur sehr wenige besser.Wirst du dich aber hinfort nicht feige betragen noch töricht, |
280 | Und verließ dich nicht völlig der Geist des großen Odysseus;Dann ist Hoffnung genug, du wirst das Werk noch vollenden.Darum kümmre dich nicht das Sinnen und Trachten der Freier:Toren sind sie, und kennen Gerechtigkeit weder noch Weisheit,Ahnen auch nicht einmal den Tod und das schwarze Verhängnis, |
285 | Welches schon naht, um sie alle an einem Tage zu würgen.Aber dich soll nichts mehr an deiner Reise verhindern.Ich, der älteste Freund von deinem Vater Odysseus,Will dir rüsten ein hurtiges Schiff, und dich selber begleiten,Gehe nun wieder zu Haus, und bleib in der Freier Gesellschaft; |
290 | Dann bereite dir Zehrung, und hebe sie auf in Gefäßen:Wein in irdenen Krügen, und Mehl, das Mark der Männer,In dichtnähtigen Schläuchen. Ich will jetzt unter dem VolkeDir Freiwillige sammeln zu Ruderern. Viel sind der SchiffeAn der umfluteten Küste von Ithaka, neue bei alten; |
295 | Hiervon will ich für dich der trefflichsten eines erlesen.Hurtig rüsten wir dieses, und steuren ins offene Weltmeer. Also sprach Athenaia, Kronions Tochter: und länger Säumte Telemachos nicht; er gehorchte der Stimme der Göttin,Und ging wieder zu Hause mit tiefbekümmertem Herzen. |
300 | Allda fand er die Schar der stolzen Freier: im HofeStreiften sie Ziegen ab, und sengten gemästete Schweine.Und Antinoos kam ihm lachend entgegen gewandelt,Faßte Telemachos Hand, und sprach mit freundlicher Stimme: Jüngling von trotziger Red’ und verwegenem Mute, sei ruhig, |
305 | Und bekümmre dich nicht um böse Taten und Worte!Laß uns, künftig wie vor, in Wollust essen und trinken:Dieses alles besorgen dir schon die Achaier, ein schnellesSchiff und erlesne Gefährten; damit du die göttliche PylosBald erreichst, und Kunde vom trefflichen Vater erforschest! |
310 | Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen: O wie ziemte mir das, Antinoos, unter euch StolzenSchweigend am Mahle zu sitzen, und ruhig im Taumel der Freude?Ist es euch nicht genug, ihr Freier, daß ihr so langeMeine köstlichen Güter verschwelgt habt, da ich ein Kind war? |
315 | Jetzt da ich größer bin, und tüchtig, anderer RedenNachzuforschen, und höher der Mut im Busen mir steiget,Werd’ ich streben, auf euch des Todes Rache zu bringen.Ob ich gen Pylos geh, oder hier in Ithaka bleibe!Reisen will ich, und nichts soll meinen Entschluß mir vereiteln, |
320 | Im gedungenen Schiffe! Denn weder Schiffe noch RudrerHab’ ich in meiner Gewalt: so schien es euch freilich am besten! Also sprach er, und zog die Hand aus der Hand des Verräters Leicht. Die Freier im Saale bereiteten emsig die Mahlzeit.Und sie spotteten seiner, und redeten höhnende Worte. |
325 | Unter dem Schwarme begann ein übermütiger Jüngling: Wahrlich, Telemachos sinnt recht ernstlich auf unsre Ermordung! Gebt nur acht: er holet sich Hilf’ aus der sandigen Pylos,Oder sogar aus Sparta! Er treibt’s mit gewaltigem Eifer!Oder er lenkt auch jetzo nach Ephyras fruchtbarem Lande |
330 | Seine Fahrt, und kauft sich tötende Gifte; die mischt erHeimlich in unseren Wein, dann sind wir alle verloren. Und von neuem begann ein übermütiger Jüngling: Aber wer weiß, ob dieser nicht auch mit dem Leben die Schiffahrt,Fern von den Seinen, bezahlt, umhergestürmt wie Odysseus? |
335 | Denkt, darin macht er uns hier noch sorgenvollere Arbeit!Teilen müßten wir ja das ganze Vermögen, und räumenSeiner Mutter das Haus, und ihrem jungen Gemahle! Aber Telemachos stieg ins hohe weite Gewölbe Seines Vaters hinab, wo Gold und Kupfer gehäuft lag, |
340 | Prächtige Kleider in Kasten, und Fässer voll duftendes Öles.Allda stunden auch Tonnen mit altem balsamischen Weine,Welche das lautre Getränk, das süße, das göttliche, faßten,Nach der Reihe gelehnt an die Mauer, wenn jemals OdysseusWieder zur Heimat kehrte, nach seiner unendlichen Trübsal. |
345 | Fest verschloß das Gewölbe die wohleinfugende Türe,Mit zween Riegeln verwahrt. Die Schaffnerin schaltete drinnenTag und Nacht, und bewachte die Güter mit sorgsamer Klugheit,Eurykleia, die Tochter Ops, des Sohnes Peisenors.Und Telemachos rief sie hinein ins Gewölb’, und sagte: |
350 | Mütterchen, eil’ und schöpfe mir Wein in irdene Krüge, Mild und edel, den besten nach jenem, welchen du schonestFür den duldenden König, den göttergleichen Odysseus,Wenn er einmal heimkehret, dem Todesschicksal entronnen.Hiermit fülle mir zwölf, und spünde sie alle mit Deckeln. |
355 | Ferner schütte mir Mehl in dichtgenähete Schläuche;Zwanzig Maße gib mir des feingemahlenen Mehles.Aber tu’ es geheim, und lege mir alles zusammen.Denn am Abende komm’ ich und hol’ es, wenn sich die MutterIn ihr oberes Zimmer entfernt, und der Ruhe gedenket. |
360 | Denn ich gehe gen Sparta und zu der sandigen Pylos,Um nach Kunde zu forschen von meines Vaters Zurückkunft. Also sprach er. Da schluchzte die Pflegerin Eurykleia; Laut wehklagend begann sie, und sprach die geflügelten Worte: Liebes Söhnchen, wie kann in dein Herz ein solcher Gedanke |
365 | Kommen? Wo denkst du denn hin in die weite Welt zu gehen,Einziger liebster Sohn? Ach ferne vom VaterlandeStarb der edle Odysseus bei unbekannten Barbaren!Und sie werden dir gleich, wenn du gehst, nachstellen, die Meuchler!Daß sie dich töten mit List, und alles unter sich teilen! |
370 | Bleibe denn hier, und sitz’ auf dem Deinigen! Lieber, was zwingt dich,Auf der wütenden See in Not und Kummer zu irren? Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen: Mütterchen, sei getrost! Ich handle nicht ohne die Götter.Aber schwöre mir jetzo, es nicht der Mutter zu sagen, |
375 | Ehe der elfte Tag vorbei ist oder der zwölfte,Oder mich jene vermißt, und hört von meiner Entfernung:Daß sie nicht durch Tränen ihr schönes Antlitz entstelle. Also sprach er; da schwur sie bei allen unsterblichen Göttern. Als sie es jetzo gelobt, und vollendet den heiligen Eidschwur; |
380 | Schöpfte sie ihm alsbald des Weines in irdene Krüge,Schüttete ferner das Mehl in dichtgenähete Schläuche.Und Telemachos ging in den Saal zu der Freier Gesellschaft. Aber ein Neues ersann die heilige Pallas Athene: In Telemachos’ Bildung erscheinend, eilte sie ringsum |
385 | Durch die Stadt, und sprach mit jedem begegnenden Manne,Und befahl, sich am Abend beim rüstigen Schiffe zu sammeln.Hierauf bat sie Phronios’ Sohn, den edlen Noemon,Um ein rüstiges Schiff; und dieser versprach es ihr willig. Und die Sonne sank, und Dunkel umhüllte die Pfade. |
390 | Siehe nun zog die Göttin das Schiff in die Wellen, und brachteAlle Geräte hinein, die Rüstung segelnder Schiffe;Stellt’ es darauf am Ende der Bucht. Die tapfern GefährtenStanden versammelt umher, und jeden ermahnte die Göttin. Und ein Neues ersann die heilige Pallas Athene: |
395 | Eilend ging sie zum Hause des göttergleichen Odysseus,Übertauete sanft mit süßem Schlafe die Freier,Machte die Säufer berauscht, und den Händen entsanken die Becher.Müde wankten sie heim durch die Stadt, und konnten nicht längerSitzen, da ihnen der Schlaf die Augenlider bedeckte. |
400 | Aber Telemachos rief die heilige Pallas Athene Aus dem Saale hervor des schöngebauten Palastes,Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme: Jetzo, Telemachos, sitzen die schöngeharnischten Freunde Alle am Ruder bereit, und harren nur deiner zur Abfahrt. |
405 | Laß uns zu Schiffe gehn, und die Reise nicht länger verschieben! Als sie die Worte geredet, da wandelte Pallas Athene Eilend voran; und er folgte den Schritten der wandelnden Göttin.Und da sie jetzo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten,Fanden sie an dem Gestade die hauptumlockten Genossen. |
410 | Unter ihnen begann Telemachos’ heilige Stärke: Kommt, Geliebte, mit mir, die Zehrung zu holen. Sie liegt schon Alle beisammen im Haus; und nichts argwöhnet die Mutter,Noch die übrigen Mägde; nur eine weiß das Geheimnis. Also sprach er, und eilte voran; sie folgten dem Führer, |
415 | Brachten alles, und legten’s im schöngebordeten SchiffeNieder, wie ihnen befahl der geliebte Sohn von Odysseus.Und Telemachos trat in das Schiff, geführt von Athenen.Diese setzte sich hinten am Steuer, nahe der GöttinSetzte Telemachos sich. Die andern lösten die Seile; |
420 | Traten dann selber ins Schiff, und setzten sich hin auf die Bänke.Einen günstigen Wind’ sandt’ ihnen Pallas Athene,Leise streifte der West das rauschende dunkle Gewässer.Aber Telemachos trieb und ermahnte die lieben Gefährten,Schnell die Geräte zu ordnen. Sie folgeten seinem Befehle: |
425 | Stellten den fichtenen Mast in die mittlere Höhle des Bodens,Richteten hoch ihn empor, und banden ihn fest mit den Seilen;Spannten die weißen Segel mit starkgeflochtenen Riemen,Hochauf wölbte der Wind das volle Segel, und donnerndWogte die purpurne Flut um den Kiel des gleitenden Schiffes; |
430 | Schnell durchlief es die Wogen in unaufhaltsamer Eile.Als sie nun die Geräte des schwarzen Schiffes befestigt,Stellten sie Kelche hin, bis oben mit Weine gefüllet.Und sie gossen des Weins für alle unsterblichen Götter,Aber am meisten für Zeus’ blauäugichte Tochter Athene, |
435 | Welche die ganze Nacht und den Morgen die Wasser beschiffte. |