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XXXIII

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Platons Kreationismus, der Demokrits atomarer Kosmologie auf dem Fuße folgt, mag wie ein Rückschritt zur naiven natürlichen Theologie aus Hesiods Theogonie wirken. Und so wäre es auch, hätte Platon ihn nicht mit einer ganz neuen Ontologie unterfüttert. Auf der Suche nach einer Quelle der Stabilität in einer veränderlichen, wandelbaren Welt argumentierte Platon, dass die physikalischen Einheiten, die wir sehen, nur unvollkommene Kopien abstrakter, immaterieller Einheiten sind, die er Formen oder Ideen nannte. Es ist eine undurchsichtige Doktrin, aber wenn wir uns diese Formen als Blaupausen in Gottes Geist vorstellen, kommen wir vielleicht dem nahe, was er im Sinn hatte. Der gesamte Kosmos ist nur eine Kopie einer Form. Im Timaios nennt Platon das Original das »intelligible Lebendige« – die Bezeichnung spiegelt seine Überzeugung wider, dass der Kosmos lebendig ist. Diese ultimative Form enthält zahllose untergeordnete Formen, die Blaupausen für alles, was der Kosmos enthält. Betten, Vögel und Menschen sind nichts als verschwommene Spiegelbilder unsichtbarer Ideale.

Platons Ideenlehre ist der Vorgänger aller Arten des Idealismus. Moderne Wissenschaftler sind in der Regel Realisten und werden sie daher unverständlich oder bizarr finden. So ging es auch Aristoteles. Er wollte die Eigenschaften der physikalischen Welt erklären. Aber wenn Formen ewig und statisch sind, wie können sie dann, fragt er, irgendetwas tun? Und was bedeutet es, dass die physikalische Welt an der Welt der Formen »teilhat«? Und wenn eine Form nur ein mentales Konzept ist, hat dann nicht jeder physikalische Gegenstand so viele Formen, wie Arten möglich sind, darüber nachzudenken? Und wenn eine Form für einen gegebenen Gegenstand existiert, etwa für Sokrates, warum sollten dann nicht zwei, drei oder eine unendliche Anzahl von Kopien von Sokrates auf der Erde wandeln? Platons Formen, so schlussfolgert er, sind nur leere Worte und poetische Metaphern. Sie machen das Studium der Natur zunichte.

Es ist daher umso bemerkenswerter, dass diese aussichtslose Theorie die Quelle einer von Aristoteles’ tiefschürfendsten Konzepten war. Denn Aristoteles glaubt, dass die Natur eines Lebewesens, oder wenigstens der wichtigste Teil davon, tatsächlich seine Form ist – wenn nicht gar seine Platon’sche Form. Er benutzt dabei für »Form« denselben Begriff wie Platon, eidos. Er ist einer der Angelpunkte seines Gedankens.

Aristoteles behauptet, dass jeder wahrnehmbare Gegenstand eine Verbindung aus Form (eidos) und Materie (hylē) ist. Man kann abstrakt von »Form« und »Materie« sprechen, aber in der Praxis sind sie untrennbar. Um zu erklären, was er meint, greift Aristoteles auf verschiedene Metaphern zurück: Wenn Wachs hylē ist, dann ist eidos der Abdruck, den ein Siegelring hinterlässt. In seiner allgemeinsten Bedeutung ist eidos die Art, auf die Materie strukturiert ist, um die Dinge zu bilden, die wir sehen. Das scheint ziemlich klar. Wenn er jedoch den Begriff auf die Welt des Lebendigen bezieht, verwendet er ihn in mehreren unterschiedlichen, aber verwandten, Bedeutungen.

Die erste biologische Bedeutung, in der Aristoteles eidos verwendet, liegt nahe bei unserem Verständnis von »Form« – dem Erscheinungsbild eines Tieres. Sein Begriff für ein Taxon von Tieren ist genos (pl. genē) – was ich als »Sorte« übersetze. Manche genē sind klein, wie die Sorte der Spatzen, manche groß, wie die Sorte der Vögel. Wenn er also die Merkmale beschreiben will, die einen Spatz zu einem Spatz und nicht zu einem Kranich machen oder einen Vogel zu einem Vogel und nicht zu einem Fisch, dann spricht er von eidos.

Wenn er eidos in diesem Sinne verwendet, spricht Aristoteles meist von Formen innerhalb einer Sorte: »Es gibt viele eidē von Fischen und Vögeln.« Was uns zur zweiten Bedeutung von eidos bringt: die der Grundeinheit der Artenvielfalt, also nahe dem, was wir mit »Art« in der taxonomischen Bedeutung meinen. Tatsächlich lautet die traditionelle lateinische Übersetzung von eidos denn auch species, genau wie genus die Übersetzung von genos ist.[] Man könnte also obigen Satz umschreiben zu: »Es gibt viele Arten von Fischen und Vögeln.«

Die Zweideutigkeit wirft Probleme auf. Die Aussage, es gebe viele verschiedene Vogel- und Fischarten, ist viel gehaltvoller als die, dass sie in vielen Formen daherkommen, und häufig ist es schwierig zu unterscheiden, welches von beidem Aristoteles gerade meint. Ältere Übersetzungen der biologischen Werke verwenden oft einfach »Art« für eidos. Liest man William Ogles de Partibus animalium (1882) oder D’Arcy Thompsons Historia animalium (1910), kann man sich schwer des Eindrucks erwehren, dass Aristoteles’ Auffassung vom Vorhandensein der Arten sich nicht sehr von der Linnés unterscheidet. Heutzutage stimmen die meisten Gelehrten darin überein, dass Aristoteles eidos selten in dieser zweiten Bedeutung verwendet. Manchmal bezieht er sich auf ein atomon eidos – eine »unteilbare Form« –, zum Beispiel wenn er sagt, dass Kallias und Sokrates einen atomon eidos aufweisen. Damit meint er ganz offensichtlich nicht, dass sie identisch sind, sondern dass sie dieselben Grundmerkmale aufweisen. Dies scheint unserer »Art« zu entsprechen. Aber er nennt nur sehr wenige unteilbare Formen, unter ihnen Menschen und Pferde, Spatzen und Kraniche.

Das Problem ist, dass hier wie so oft Aristoteles’ fachliches Vokabular unterbestimmt ist. Er prägt nur sehr zögerlich neue Begriffe, selbst wenn er sie dringend bräuchte. Er ist sich des Problems durchaus bewusst. Oft gibt er an, dass ein bestimmter Begriff in mehreren verschiedenen Bedeutungen benutzt wird, und sagt uns sogar, welche das sind – aber im Folgenden müssen wir dann sehr oft raten, welche er gerade meint.

Tatsächlich gibt es noch eine dritte Bedeutung, in der Aristoteles eidos verwendet. Sie ist mit den anderen beiden verwandt, geht aber viel tiefer und ist viel überraschender. Es ist das Erscheinungsbild eines Lebewesens, aber – wenn das nicht zu paradox klingt – sein Erscheinungsbild, wenn es noch nicht gesehen werden kann. Es ist die »Information« oder die »Formel«, die ihm von seinen Eltern übertragen wurde, aus der es sich selbst im Ei oder Mutterleib gestaltet hat und die es seinerseits an seine Nachkommen übertragen wird. In dieser Bedeutung meint Aristoteles, dass die Natur eines Gegenstands vorwiegend in seiner Form liegt.

Von eidos als »Information« zu sprechen, birgt die Gefahr eines Anachronismus. Aristoteles versteht Information mit Sicherheit nicht in dem allgemeinen Sinn wie wir heute. Doch diese Deutung wird gestützt von Abschnitten, in denen er eine Parallele zwischen der Übertragung der tierischen Form und der Übertragung von Wissen zieht. In De partibus animalium betrachtet Aristoteles, wie ein Bildschnitzer seine Kunst erklären würde. Er würde natürlich nicht nur von dem Holz sprechen – das ist nur die Materie, aus der das Bild gemacht ist. Auch würde er nicht nur von seinem Beil und Bohrer sprechen – sie sind nur Werkzeuge. Auch nicht über die Handgriffe, die er tätigt – das ist nur die Technik. Nein, wenn er wirklich den Ursprung des Gegenstands übermitteln will, den er herstellt, muss er über die Vorstellung sprechen, die er hatte, als er mit seiner Arbeit begann – den Vorgang, durch den er unter seinen Händen entsteht, sein fertiges Aussehen und den endgültigen Zweck – er muss über sein eidos sprechen. Auf dieselbe Weise muss ein Wissenschaftler, wenn er erklären will, warum Lebewesen bestimmte Merkmale haben, über ihre eidē sprechen. Es ist nur so, dass die Formen der Lebewesen nicht, wie Platon behauptete, im Geist irgendeines göttlichen Handwerkers existieren, sondern in den Samen ihrer Eltern.

In einem Abschnitt in der Metaphysik nennt Aristoteles eine weitere Metapher für die Beziehung zwischen Material und formellen Naturen. Auf recht geniale Weise vergleicht er die Bestandteile eines Körpers mit einem Symbolsystem. Manche Dinge, sagt er, sind Zusammensetzungen. Die Silbe ab ist eine Zusammensetzung aus den Buchstaben a und b. Es reicht jedoch nicht, a und b einfach zusammenzusetzen, um diese bestimmte Silbe zu erhalten; man braucht noch etwas anderes: Man muss die Ordnung der Buchstaben festlegen (sonst erhält man ba) oder, wie wir heute sagen würden, man braucht weitere Informationen. Auf dieselbe Weise sei das Fleisch eine Zusammensetzung aus Feuer und Erde und noch etwas: der Art, wie sie geordnet sind. Und diese Ordnung ist die Form und Natur des Fleisches.

Aristoteles’ Überzeugung, dass wir uns weniger der Materie widmen sollten als der Informationsstruktur der Lebewesen, lässt ihn wie einen vorweggenommenen Molekulargenetiker erscheinen. Dabei griff er nicht etwa auf wundersame Weise der Entdeckung der DNA vor – es ist reiner Zufall, dass er eine geordnete alphabetische Sequenz verwendete – ab gegenüber ba –, um Formen zu beschreiben, wie wir Nukleotide beschreiben. Doch indem er die Formen aus dem Platon’schen Reich jenseits der Sinne zurückholte, beantwortete Aristoteles – und zwar korrekt – die Frage: Was ist die unmittelbare Quelle der Gestaltung, die wir in Lebewesen erkennen? Es ist die Information, die sie von ihren Eltern erben.

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