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Beginnen wir mit dem äußeren Kreis – den sinnlichen Voraussetzungen. Ohne technische Hilfsmittel und nur mit der Stimme zu sprechen, war im Altertum eine enorme Herausforderung. Daher nutzte man gerne naturgegebene oder künstliche Erhöhungen, um besser gehört zu werden. Schauspieler stellten sich auf eine Bühne und Feldherren kletterten auf ein Gerüst, um vor der Schlacht eine Rede an die Soldaten zu richten. Das taten sie aus zweierlei Gründen: Zum einen wurde so der Schall ihrer Stimme nicht vorschnell von den anwesenden Zuhörern abgeschwächt, sondern konnte sich über ihre Köpfe hinweg besser ausbreiten. Und zum anderen wurden sie an einer solch exponierten Stelle viel besser gesehen. Wo ihre Stimme vielleicht nur noch schwach vernehmbar war, da konnten sie mittels Gestik und Mimik immer noch verstanden werden. Auch Jesus wusste von solchen akustischen Rahmenbedingungen. So wird etwa zu Beginn der Bergpredigt darauf hingewiesen, dass er beim Anblick der vielen Menschen auf eine Anhöhe stieg (Matthäus 5,1). Das war eine wichtige Voraussetzung, damit er auch von allen Zuhörern gehört werden konnte.

Auch das Bemühen um die zweite Ebene des Sprechens – die Verständlichkeit – ist bei Jesus in hohem Maße gegeben. Natürlich können wir nur die Reden Jesu beurteilen, die uns die Evangelisten überliefert haben. Aber was uns vorliegt, ist auch heute noch nach rund 2000 Jahren erstaunlich gut verständlich. Sicher, viele Begriffe unterliegen einem Bedeutungswandel. Umso erstaunlicher ist die große Klarheit seiner Reden, die das Lesen auch heute ohne große Vorkenntnisse im Großen und Ganzen ermöglicht. Für etliche andere religiöse Schriften aus dieser Zeit, wie etwa aus der gnostischen Literatur, lässt sich das so nicht immer behaupten. Mit anderen Worten: Jesus sprach nicht dunkel und raunend wie ein Esoteriker, sondern er bemühte sich als Lehrer um Klarheit und Unkompliziertheit. Verständlichkeit im Reden, plain talk und einfache Sprache erscheinen bei ihm als hohes Ideal. Diesem Ideal fühlte sich auch Paulus verpflichtet, wenn er etwa den Christen in Korinth ins Stammbuch schrieb: »Aber in einer Gemeindeversammlung spreche ich lieber fünf verständliche Worte, die anderen helfen, als zehntausend Worte in einer anderen Sprache« (1. Korinther 14,19).

Verständlichkeit bedeutete für Jesus aber keinesfalls geistige Unbedarftheit oder gar Dummheit. So einfach seine Sprache damals und heute scheint, so akkurat waren bisweilen seine Argumentationsverfahren. Ganz offensichtlich waren ihm viele der damals gängigen Diskussionstechniken geläufig. So schließt er zum Beispiel in der Bergpredigt vom Kleineren aufs Größere. Wenn Gott das Gras des Feldes (das Kleine), das morgen in den Ofen geworfen wird, so schön ausstattet, sollte er sich nicht viel mehr auch um seine Kinder (das Große) kümmern (Matthäus 6,30)? Rhetoriker nennen dieses Beweisverfahren das argumentum a minore ad maius. Aber er nutzt auch das umgekehrte Verfahren, was gemeinhin als argumentum a maiore ad minus bezeichnet wird. Hier schließt er vom Größeren auf das Kleinere, wie etwa bei der Heilung des Gelähmten, der durch das Dach zu ihm heruntergelassen wird (Markus 2,12). Wenn er heilen kann (in den Augen der Zuschauer das Größere), dann hat er auch die Macht, Sünden zu vergeben (das Kleinere im Dafürhalten der Anwesenden). Mal argumentiert er mit der Erfahrung, sehr häufig auch mit dem Hinweis auf die Heilige Schrift. Jesus war, so Martin Luther, der »beste Dialecticus« (WA 47, 777, 17), also ein hervorragender Diskutant und Dialogpartner. Er war in keinem Gespräch um gute Gründe verlegen und erwies sich als ziemlich schlagfertig.

Jesus war ein großer Lehrer – aber er besaß kein Lehrhaus und leitete auch keine eigene Schule. Ganz im Gegenteil: Wohl hielt er sich manchmal in Kapernaum auf, doch die längste Zeit war er unterwegs. Er eilte von Ort zu Ort, um das Evangelium vom anbrechenden Reich Gottes zu predigen. Im Grunde ist das eine schlechte Voraussetzung, um viele Menschen um sich zu sammeln. Denn die mögen in aller Regel stabile und tragfähige Beziehungen. Einem Durchreisenden gegenüber sind sie eher skeptisch.

Jesus gelang es trotzdem die Leute mit seiner Predigt zu gewinnen – aber was war sein Geheimnis?

Predigt braucht Gefühl

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