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Ohne das Buch zu lesen, wird der Titel jedoch schnell missverständlich. Denn auch wenn der Glaube kein Gefühl ist, so geht er fast immer mit Gefühlen einher. Einen Glauben ohne Gefühle gibt es eigentlich gar nicht. Ein Blick ins Neue Testament untermauert diesen Standpunkt. So sind für Paulus etwa Glaube und Gefühl keine Gegensätze, sondern das eine folgt aus dem anderen. So schreibt er etwa in seinem Brief an die Gemeinde Roms: »Denn im Reich Gottes ist nicht entscheidend, was man isst oder trinkt, sondern dass man ein Leben führt in Gerechtigkeit und Frieden und in der Freude im Heiligen Geist« (Römer 14,17).

Mit anderen Worten: Freudengefühl und innere Ruhe sind wesentliche Ausgestaltungen der Zugehörigkeit zu Gottes neuer Welt. Wegweisend ist für diesen Zusammenhang auch Paulus’ Darstellung der sogenannten »Frucht des Geistes« im Brief an die Galater: »Wenn dagegen der Heilige Geist unser Leben beherrscht, wird er ganz andere Frucht in uns wachsen lassen: Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung« (Galater 5,22-23).

Nicht alle der genannten Kennzeichen sind dem Bereich der Emotionen zuzuordnen, einige aber schon, wie etwa Freude und Frieden. Man sieht: Glaube ist kein Gefühl. Aber wie gute Früchte folgen Gefühle auf den Glauben.

Heute sind wir daran gewöhnt, scharf zwischen Denken und Fühlen zu unterscheiden. Dem biblischen Verständnis entspricht das aber nicht. Hier steht die Bezeichnung des »Herzens« im Mittelpunkt. Und in ihm denkt und fühlt der Mensch. Es war Martin Luther, der diese ganzheitliche Sicht zu seiner Zeit wieder stark betonte. Für ihn sind Verstand (lat. intellectus) und Emotionen (lat. affectus) zwar eigenständige Vorgänge, sie gehören aber eng zusammen. Und ihr gemeinsamer Ort ist das Herz. Mit dem Herzen wird gedacht und gefühlt – und nicht bloß Letzteres, wie es heute oft verstanden wird. Das Herz ist das Zentrum der Persönlichkeit. Mit dem Herzen glaubt der Mensch auch. Eine Bevorzugung des Verstandes vor den Gefühlen kennt Luther nicht. Gefühle und Intellekt sind für Luther gleichermaßen elementare Seiten des Menschseins. Mit ihnen kann sich der Mensch von Gott abwenden oder ihm zuwenden. Ein Glaube ohne Intellekt ist blind, ein Glaube ohne Gefühl ist nicht lebendig. In seiner Vorrede zum Psalter entwirft Luther ein plastisches Bild, wie massiv die Gefühle das Herz bewegen und bestürmen. Er greift dabei auf ein Bild aus der Seefahrt zurück:

Denn ein menschliches Herz ist wie ein Schiff auf einem wilden Meer, welches die Sturmwinde von den vier Orten der Welt treiben. Hier stößt her Furcht und Sorge vor zukünftigem Unfall. Dort fährt Grämen her und Traurigkeit von gegenwärtigem Übel. Hier webt Hoffnung und Vermessenheit von zukünftigem Glück. Dort bläst her Sicherheit und Freude in gegenwärtigen Gütern. (Luther, WA DB 10 I, 100,33-37)

Mit anderen Worten: Der Intellekt ist ein wichtiger Teil des Herzens, aber eben nicht alleiniger. Gefühle bewegen uns oftmals viel stärker. Darauf sollte eine Predigt unbedingt Rücksicht nehmen. Der Berliner Erweckungstheologe August Neander (1789–1850) sagte es so: Pectus est quod facit theologum, also: Das Herz macht den Theologen.

Predigt braucht Gefühl

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