Читать книгу Predigt braucht Gefühl - Arndt Schnepper - Страница 18

Praxis

Оглавление

Ich denke, es ist höchste Zeit, die immer sehr beliebte Konfrontation von Gefühlen und Gedanken zu überwinden. Sie entspricht weder den modernen medizinischen Ergebnissen noch dem biblischen Menschenbild. Beide Funktionen sind zutiefst menschlich und gehören zusammen. Deshalb darf es bei aller Wertschätzung der Emotionen auch nicht um die Preisgabe der Rationalität gehen. Es muss außerdem immer legitim sein, Emotionen kritisch zu hinterfragen. Gefühl ist eben nicht alles, wie Goethe seinen Protagonisten Faust im gleichnamigen Drama sagen lässt. Genauso wenig, wie Verstand und Intellekt alles bedeuten. Beide Funktionen des menschlichen Herzens haben ihren jeweils eigenen Wert und bedürfen ihrer gegenseitigen Ergänzung. Die Gefährdung tritt dann ein, wenn sie isoliert erscheinen.

Es wäre aber zu kurz gegriffen, die Bedeutung der Emotionen nur vom Menschen her zu begründen. Gefühle sind nämlich nicht nur zutiefst menschlich, sie haben ihren Ursprung in Gott selbst. Immer wieder fällt beim Bibellesen auf, dass Gott ziemlich emotional dargestellt wird. So reut es ihn, dass er den Menschen geschaffen hat (1. Mose 6,69), und er zürnt gegen Mose (2. Mose 4,14). Gleichzeitig freut er sich über die Menschen (Zefanja 3,17) und ist gnädig gegenüber den Sündern (Psalm 25,8). Gleiches lässt sich auch über Gottes Sohn sagen. Er weint (Johannes 11,35), er jubelt (Lukas 10,21) und liebt (Johannes 11,5). Ja, Gott wird deshalb auch die Liebe selbst genannt (1. Johannes 4,16). Von theologischer Seite hat man manchmal mit Blick auf solche Aussagen von einem Anthropopathismus gesprochen. Darunter verstand man eine Vermenschlichung Gottes. Der Mensch habe, weil er es nicht besser gewusst habe, seine Gefühle auf Gottes Wesen übertragen. Gott sei aber Gott und habe deshalb keine Gefühle. Wenn in der Bibel nun doch von Gottes emotionalen Regungen die Rede sei, dann nur, weil der Mensch nicht umhinkönne, Gott aus seinen menschlichen Erfahrungen heraus zu beschreiben.

Das klingt erst mal gut, wird aber bei näherem Hinsehen dem biblischen Sachverhalt nicht gerecht. Denn der Clou des christlichen Menschenverständnisses ist ja gerade der, dass der Mensch nach Gottes Wesen und Bildnis geschaffen wurde (1. Mose 1,26). Er erhält von Gott sogar den Atem des Lebens (1. Mose 2,7). All dies sind Hinweise auf die Quelle der geistigen Verfasstheit des Menschen. Seine intellektuellen und emotionalen Fähigkeiten sind nicht nur menschlich erklärbar, sondern sind auf Gottes Wesen zurückzuführen. Mit anderen Worten: Wenn wir denken und wenn wir fühlen, tun wir es, weil es Gottes Wesen bildhaft entspricht. Und wenn wir in den Predigten emotional werden und die Gefühle ansprechen, so liegt das Motiv nicht in einer rhetorischen Überzeugungsstrategie, sondern im Wissen um den göttlichen Ursprung der Gefühle und die geschöpfliche Signatur des Menschen.

Predigt braucht Gefühl

Подняться наверх