Читать книгу Psychodynamische Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen - Arne Burchartz - Страница 11
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2 Zum Begriff Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TfP)
In Deutschland wurde die Psychotherapie 1967 als Heilungsverfahren in die Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Neben der psychoanalytischen Therapie wurden auch die Verfahren kassenrechtlich anerkannt, die bislang unter der Begrifflichkeit »Dynamische Psychotherapie« Eingang in die Sprachregelung gefunden hatten. Aus einer gewissen Verlegenheit heraus, wie man Kurzzeitpsychotherapie, Fokaltherapie, Dynamische Psychotherapie und langfristig stützende Verfahren unter einen Begriff fassen kann, wurde die gleichsam »künstliche« Wortkombination »Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie« eingeführt und festgelegt. Damit entstand eine Begrifflichkeit, die zwar in Deutschland im Rahmen des Kassenrechts verständlich und zur Differenzierung von der Analytischen Psychotherapie notwendig und hilfreich ist, die allerdings keine Entsprechung im internationalen Psychotherapie-Diskurs hat. Von der Analytischen Psychotherapie werden solche Behandlungsverfahren unterschieden, die sich durch eine niedrige Behandlungsfrequenz, Begrenzung der Regression und die Fokussierung auf einen umschriebenen, bewusstseinsnahen Konflikt kennzeichnen lassen (Ermann 2004). Unklar blieb, wie weit sich in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie die TfP von der Analytischen Psychotherapie abgrenzen lässt. In einer früheren, der 6. Auflage des »Kommentar(s) Psychotherapie-Richtlinien« hieß es noch, dass eine »exakte Unterscheidung dieser Behandlungsarten – insbesondere in der Kinderpsychotherapie – nicht begründet werden konnte« (Rüdiger, Dahm & Kallinke 2003, S. 41). Die Tatsache aber, dass seit Einführung des Psychotherapeutengesetzes 1999 einerseits die Zahl der Anträge zur Tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter wächst (vgl. Streek-Fischer 2002), andererseits – damit zusammenhängend – eine nennenswerte Zahl der zugelassenen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ausschließlich über eine Qualifikation in diesem Verfahren verfügt, sollte Anlass sein, über diese Auffassung neu nachzudenken. Diese Entwicklung hat ja nicht nur äußere, in der Verfassung des Gesundheitswesens und dessen Interessenkonflikten liegende Gründe. Vielmehr haben sich – wie gezeigt – auf dem Boden der Psychoanalyse eine Reihe von Behandlungsverfahren herausdifferenziert und haben an Bedeutung gewonnen, welche solchen Patientengruppen gerecht werden können, bei denen aufgrund ihrer Struktur, ihres Störungsbildes, ihrer Selbstreflexionsfähigkeit oder auch aus äußeren Gründen eine Analytische Psychotherapie nicht indiziert ist, die aber von einem psychodynamischen Vorgehen (Einsichtsförderung, positive Beziehungserfahrung, Affektdifferenzierung, intrapsychische Konfliktaufdeckung, Analyse der bewusstseinsnahen interpersonellen (Außen-)Konflikte des Patienten, Ressourcenaktivierung etc.) profitieren können (kurze Übersicht in: Wöller & Kruse 2020, S. 9–17, vgl. auch Rüger 2002, Burchartz 2004).
Der Versuch, Analytische und Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie auch im Kindes- und Jugendalter schärfer voneinander zu unterscheiden und die jeweiligen Profile herauszuarbeiten, relativiert allerdings den Usus, beiden Verfahren die gleichen Stundenkontingente zuzuordnen. Es sollte neu begründet werden, welcher zeitliche Umfang bei den jeweiligen Verfahren im Rahmen des psychodynamischen Spektrums für sinnvoll gehalten wird. Dabei muss differenziert werden zwischen Kurzzeitpsychotherapien (wie bisher auch), tiefenpsychologisch fundierten und fokussierten Langzeittherapien und langfristig angelegten stützenden und strukturbezogenen Psychotherapien. In jedem Fall sollte beachtet werden, dass Patienten für Veränderungsprozesse ihrer psychischen Konstellationen auch unabhängig von der Frequenz ihren eigenen Zeitrahmen brauchen.
Merke
• Der Begriff »Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie« entstand im Zusammenhang mit der Aufnahme der Psychotherapie ins deutsche Kassenrecht.
• Er bezeichnet von der Psychoanalyse abgeleitete Verfahren, die regressionsbegrenzend und konzentriert auf einen Aktualkonflikt oder auf strukturelle Funktionsstörungen arbeiten.