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Ich bin ein emotionaler Mensch
Sandra H. aus Graz schreibt: „Herr Austrofred, weinen Sie eigentlich auch manchmal oder sind Sie wirklich der knallharte Typ, als den man Sie kennt?“
Liebe Sandra,
vielen Dank für diese Frage, die mir die Chance gibt, dass ich das Austrofred-Image in der Öffentlichkeit ein bisschen zurechtrücke, weil es soll auf keinen Fall das Bild entstehen, dass ich so ein harter unemotionaler Typ bin. Gerade das weibliche Publikum schätzt es meiner Erfahrung nach sehr, wenn ein Mann auch weinen kann. Kann. Es sollte halt nicht zu oft sein, weil sonst heißt es schnell, du bist ein Lulu.
Ich selber kann mich in meinem Erwachsenenleben an zwei Situationen erinnern, wo ich geweint habe. Das erste Mal war am Schluss von dem Film Cool Runnings, wo die Jamaikaner ihren Bob ins Ziel tragen, wers gesehen hat, und das zweite Mal, wie mir meine Briefwaage hinuntergefallen ist.
Dazu muss ich sagen, dass mich meine Briefwaage seit dem Anfang meiner Karriere treu begleitet hat. Damals habe ich viele Promo-Packages, Demos, VHS-Mitschnitte etc. an Veranstalter und Medien geschickt und die naturgemäß immer abgewogen, damit ich weiß, wie viel Porto ich draufpicken muss. Später, wie das Geschäft angefangen hat zu rennen, habe ich auch viele Bestellungen aus meinem Onlineshop verschickt. Gemeinsam haben meine Briefwaage und ich über die Jahre sicher an die zehntausend Packerl postfertig gemacht. Irgendwann hat sich das aber aufgehört, weil es unüblich geworden ist, dass man Promo-Packerl verschickt – das rennt jetzt alles übers Internet – und für den Shop-Versand habe ich heute Angestellte, die das erledigen.
Wie die Österreichische Post vor einigen Jahren ihr Tarifsystem dahingehend geändert hat, dass das Porto jetzt nicht mehr rein nach Gewicht berechnet wird, sondern zusätzlich auch noch nach den äußeren Maßen, der Kubatur und der atomaren Ladung, war die Briefwaage dann gar nicht mehr in Betrieb, weil seither ist Frankieren ja eine Wissenschaft auf Bachelor-Niveau – ach was, weit über den Bachelor hinaus, das ist fast ein richtiges Studium! –, sodass ich meine Sachen nicht mehr einfach in den Briefkasten schmeißen kann, sondern wegen jedem Schas extrig zum Schalter dodeln muss.
Auf jeden Fall bin ich dann einmal bei einem Staging Rehearsal mit dem Mikrostangl blöd an der Briefwaage angekommen, sie fällt herunter, tausend Teile – und genau in dem Moment habe ich angefangen zu flennen. Meine Choreografin hat gar nicht gewusst, wie ihr geschieht, aber ich habe einfach nicht aufhören können. Ich weiß bis heute selber nicht, wieso mir da wegen so einem im Endeffekt nutzlosen Trumm so das Häferl übergegangen ist. Zum Postversand habe ich sie ja wirklich nicht mehr gebraucht und als Küchenwaage auch nicht, weil von den vier Gerichten, die ich persönlich regelmäßig koche (Frankfurter, Eierspeis, Wiener Schnitzel, Coupe Dänemark), ist nur beim Schnitzel ein Mehl dabei, das man abwiegen könnte, und da weiß ich instinktiv, wie viel ich brauche. Einen Kuchen zum Beispiel koche ich nie.
Wahrscheinlich habe ich einfach einen Lebensabschnitt beweint, der durch die Briefwaage quasi symbolisiert war, und wo mir in dem Moment bewusst geworden ist, dass der unweigerlich vorbei war. Ja, der Mensch ist wie eine Dusche: Wenn du es geschafft hast, dass du alle Löcher am Duschkopf zuhältst, dann spritzt dir das Wasser aus irgendeiner undichten Stelle am Schlauch heraus.