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Stern und Zorro

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Stella genoss das ihr wohlbekannte Treiben, und so war sie bis zu ihrem Ziel in mindestens drei Geplänkel über lustige Kostümierungen verwickelt und absolvierte ein sirtakiartiges Kurztänzchen mit drei als Handys verkleideten Japanern.

Sie lachte fröhlich und rückte nochmals das Sternenhaarband zurecht, während sie sich der Bar näherte. Hm, da war einiges los. Gut, dass sie in ihren High Heels recht gut über die Köpfe der Menschentraube spähen konnte, die sich für eine Erfrischung angestellt hatten.

Obwohl oder gerade weil fünf Barkeeper im Einsatz waren, ging es her wie an der New Yorker Börse. Um Stella herum bestellten zuckende Finger mit geheimen Handzeichen Richtung Bar einen Drink nach dem anderen. Stella schob sich ein wenig nach vorne und fixierte den ihr am nächsten stehenden Barkeeper.


Als Steven wieder den Blick von Babs’ Schuhen hob, sah er sie. Ein engelhaftes Wesen in einem luftigen, funkelnden Kleid entwand sich gerade lachend aus der Sirtaki-Umarmung einer Gruppe als Handys verkleideter Japaner. Stevens Kehle wurde schlagartig trocken, und er konnte nur wie gebannt auf die Frau starren. Es ließ sich nicht logisch erklären, was ihn so fesselte.

Sie war jünger als er. Steven schätzte sie auf Anfang dreißig. Blonde Locken, auf denen ein entzückender Sternenreif saß, umrahmten ein hübsches Gesicht. Er sah sehr ansehnliche Beine, die durch halsbrecherisch hohe, goldene Pumps vorteilhaft gestreckt wurden. Das war es allerdings nicht, was Stevens Blick so bannte. Vielmehr war es die unbändige Lebensfreude und Souveränität, die diese außergewöhnliche Frau ausstrahlte.

„Stern!“, wisperte es unvermittelt in seinem Kopf. Sein Herz fing wild zu hämmern an. Er schaute rasch auf das Kölschglas. Nein, am Bier konnte es nicht liegen, das war sogar noch halbvoll. Steven versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Gut erkannt, Steven, sie ist eindeutig als Stern kostümiert, zog er sich selbst auf. Gleichwohl konnte er seinen Blick nicht von ihr abwenden.

Die Sternenfrau strich sich in einer unbeschwerten, sehr weiblichen Geste ihr Haar zurecht, bemerkte dabei, wie ihr Haarreif mit den goldenen Tüllsternen verrutscht war, und richtete diesen mit einem entzückenden kleinen Seufzer wieder zurecht. Letzteren konnte Steven zwar im Toben der Menge nicht hören, jedoch an ihrem lächelnd gespitzten Mund und dem kurzen Rollen ihrer unbeschreiblich blauen Augen erahnen.

Diese kleine Geste weitete sein Herz, und schlagartig fühlte er ein unbändiges Verlangen, diese Frau zu halten, zu beschützen, zu riechen und zu schmecken. Wie in Trance fühlte er sich von ihr angezogen.


„Einen Gin Tonic, bitte.“ Stella brüllte, hatte ihre Hände sogar trichterförmig vor dem Mund zusammengefasst, um ihre Stimme zu verstärken.

Der Mann hinter der Bar war zwar mit seinem eindeutig regelmäßig trainierten Body, den das eng anliegende Muscle-Shirt betonte und dabei ein recht eindrucksvolles Drachen-Tattoo offenbarte, ohne Zweifel ein attraktiver Mann. Sein mürrischer Gesichtsausdruck, der sich umso härter von denen der karnevalsseligen Gäste abhob, führte aber zu einem Abzug in der B-Note.

Wie erwartet, reagierte er nicht auf Stellas Bestellung. Stella taufte den Typen insgeheim „Fred“.

„Fred“ und „Toni“ waren Stellas Lieblingsnamen für Menschen, die ihr das Leben schwer machten. Diesen lustige Namen zu verpassen, besonders Namen von knubbeligen Comicfiguren, dämpfte im Regelfall Stellas Adrenalinspiegel. Diese Methode der Wutbekämpfung gab Stella auch gerne an ihre Klienten weiter. Leider klappte sie nicht richtig beim Streit mit Familienmitgliedern, allen voran mit Rolf, ihrem Vater. Aber zurück zu Fred.

„Hey, wer zuerst lächelt, hat verloren!“

Die gut gelaunte Stella konnte sich diesen Spruch nicht verkneifen, bereute dies aber bitter, als der mürrische Typ sie fast mit seinem Blick getötet hätte und sich wortlos an einen anderen Teil der Bar begab.

„Dann eben nicht.“ Sie zuckte die Achseln und peilte die nächste Bedienung, diesmal weiblich, an, die Stella jedoch ebenso stur ignorierte wie Fred zuvor.

„Hätte ich die Fortbildung in Hypnosetherapie doch gebucht, dann könnte ich diese Trulla jetzt dazu bringen, mich anzuschauen“, sinnierte Stella. Sie versuchte es trotzdem und skandierte innerlich mit OM-Stimme: „Schau mich an, schau mich a-han-n!“ Doch die Frau bewegte nicht einmal ihren Kopf in Stellas Richtung.


Die Sternenfrau stand mittlerweile mit dem Profil zu ihm an der Bar und versuchte – offensichtlich erfolglos – bei einem mürrisch dreinblickenden, tätowierten Kerl einen Drink zu bestellen. Steven konnte, wie durch ein Mikroskop vergrößert, sehen, wie sich die zarten Sommersprossen ihrer Nase leicht kräuselten, als der Barkeeper sich von ihr

abwandte. Sie versuchte ihr Glück nun bei einer Barfrau.

Magnetisch angezogen, trat Steven hinter die Frau, sodass er ganz dicht bei ihr stand. Er fühlte ihre Wärme und konnte einzelne leicht verschwitzte Locken in ihrem Nacken ausmachen, die dem Sternenhaarreif entkommen waren. Steven musste sich gewaltsam zusammenreißen, sein Gesicht nicht in das wirre Sternenhaar zu pressen und diese blonden Löckchen zwischen seinen Lippen zu spüren.


Stella hatte keine Gelegenheit, genervt zu reagieren. Denn genau in diesem Moment scherte der DJ aus den üblichen Karnevalsliedchen aus und spielte doch tatsächlich „Cantaloop“, eines von Stellas absoluten Lieblings-Tanzliedern und sicherlich „das Lied“ von Bernd und ihr, auf das sie beide bereits zu Studienzeiten abgegroovt hatten. Freudestrahlend wandte sich Stella beim ersten Refrain von „Funky, Funky“ Richtung Rory und Bernd, um wenigstens einen kurzen, verständnisinnigen Blickkontakt mit Bernd herzustellen.

Aber anstatt einen freien Blick auf die Kneipe zu haben, trafen Stellas Augen auf einen dunklen Trikotstoff mit geschnürtem Ausschnitt, aus dem schwarzer Brustflaum blitzte, der eindeutig zu einem großen männlichen Wesen gehörte.


Unerwartet drehte sie sich zu ihm um. Nur wenige Zentimeter trennten sie. Auf ihrem Gesicht lag ein begeistertes Strahlen. Sie wollte augenscheinlich jemand anderem im Raum etwas mitteilen. Abrupt hielt sie inne und fixierte seine Brust. Die Sternenfrau hob leicht verblüfft den Kopf und starrte nun auf seinen Mund, während sich ihre Nasenflügel zart blähten, als würde sie schnuppern.

Steven hatte nun direkten Blick auf ihr Gesicht. Gott, wie konnten diese süßen, vollen Lippen eine solch überirdische Anziehungskraft haben? Der Drang, endlich in ihre Augen zu schauen, wurde übermächtig. Doch die Frau schien ihren Blick nicht von seinem Mund lösen zu können, was sein Herz in törichter Hoffnung aufflackern ließ. Er lächelte unwillkürlich, und sein Gehirn suchte fieberhaft nach etwas, das er ihr sagen konnte. Aber in diesem Moment fiel ihm absolut nichts ein. Er war definitiv aus der Übung.


Stella hob langsam den Blick. Die definierten, hingegen nicht aufgepumpten Muskeln, die sich unter dem Trikotstoff abzeichneten und ihr sehr nah waren, irritierten sie leicht. Während sie in einem vagen Reflex noch darüber nachgrübelte, ob die Muskeln in das Kostüm eingenäht oder echt waren, war sich Stella schlagartig ihrer hellwachen Sinne, ihres Herzschlags und ihrer Atmung bewusst. Absurderweise schienen sämtliche Laute, außer dem Rauschen des Blutes in ihren Ohren, gleichzeitig gedämpft zu sein.

Hatte irgendjemand den Ton leiser gedreht? Ihr Gehirn war aber nicht in der Lage, darüber nachzusinnen, wohin der Trubel so schnell hatte verschwinden können. Trotz des Tropenklimas überzog eine Gänsehaut ihren Körper. Sie löste schwerfällig den Blick von der männlichen Brust und starrte eine gefühlte Ewigkeit auf ein markantes Kinn und einen sehr sinnlich wirkenden Mund.

„Zorro“, konnte sie nur tumb denken, denn außer dem Kinn waren unter einem breitkrempigen schwarzen Filzhut nur ein paar dunkle Haare auszumachen. Der Rest des Gesichts des Unbekannten war von einer schwarzen Maske verdeckt.

„Es ist der Duft“, registrierte Stella in der hintersten noch funktionierenden Ecke ihres anscheinend ausgesetzten Gehirns. Und tatsächlich. Obwohl die jeden Geruch übertünchenden Eindrücke des wilden Gemischs aus tanzenden Leibern und verschüttetem Bier es eigentlich unmöglich machten, nahm sie einen unglaublich intensiven, erotischen Geruch nach Mann wahr, der nur von ihrem Gegenüber kommen konnte und ihre sämtlichen Hormone sofort verrücktspielen ließ.

Der sinnliche Mund, den sie unverwandt anstarrte, verzog sich erst zu einem charmanten Lächeln und formte dann ein paar Wörter. Sie nahm das so erstaunt wahr, wie ein Kind ein begehrenswertes Spielzeug angaffte, das sich plötzlich und unerwartet bewegte. Sie konnte ihren Blick nicht von diesen Lippen lösen.


Bevor Steven es selbst steuern konnte, verließen die spontanen Worte „Schön, dass du da bist!“ seinen Mund.

Er erschrak kurz über seinen Mut, den sie wahrscheinlich als plumpe Anmache abtun würde, und so grinste er schief in Erwartung einer brüsken Reaktion. Doch sie schien ihn nicht gehört oder verstanden zu haben. Erleichterung über die zweite Chance durchflutete ihn. Er hob zwei Finger unter ihr Kinn. Es wirkte so hell und zart in seiner großen Hand, und doch war ihr Gesicht bei näherem Hinsehen mit den zarten, reifen Linien einer erfahrenen und charakterstarken Frau gesegnet.

Die leichte Berührung reichte aus, einen wohligen Schauer in ihm auszulösen. Wie gerne wollten seine Hände ihr Gesicht umschließen und sie an sich reißen. Das durfte doch nicht wahr sein! Er fühlte sich wie ein hormongefluteter Fünfzehnjähriger!


Der Mund schmunzelte wieder. Diesmal leicht schief, gekräuselt nannte man das wohl. Etwa belustigt? Auf einmal fühlte Stella, wie ihr Kinn von zwei Fingern federzart von unten angehoben wurde, sodass ihr Blick auf die Augen des Maskierten fiel.


Endlich sah ihm die Sternenfrau in die Augen. Er sah in den ihren leichtes Erstaunen, das sich auch in seinen spiegeln musste. Da entsann er sich: Sie konnte seine Augen wegen der Maskierung wahrscheinlich kaum erkennen, denn er war ja „el Zorro“. Diese Erkenntnis gab Steven den Mut, endlich seinem inneren Drängen nachzugeben. Er beugte sich vor und wagte es, seine Wange an den zarten Flaum ihres Gesichts zu schmiegen.


Obwohl Zorros Finger sie kaum berührten, schienen kleine elektrische Schwingungen von ihnen auszugehen, die sich langsam Stellas Hals hinabbegaben.

Der Fremde neigte sich, ohne die Finger von ihrem Kinn zu nehmen, zu ihr hin und brachte damit einen weiteren Schwall dieses unglaublichen Duftes näher. Ein Hauch von Sandelholz? Nein, Vetiver! Das musste es sein und noch etwas Ursprüngliches, unzweifelhaft sein eigener Duft. Dieser Duft löste in Stella in unerwarteter Weise das Gefühl von Frieden und stillem Glück aus. Fast so, als würden zwei Dinge nach langer Zeit endlich zusammengefügt werden.

Stella hatte seine Annäherung wie in Zeitlupe wahrgenommen. Seine Lippen befanden sich ganz nah an ihrem Ohr und sagten weitere Worte. Sein Flüstern neckte sämtliche Härchen in ihrer Ohrmuschel. Ihr Mund wurde trocken, und ein lang vermisstes Ziehen im Unterleib verbreitete seine Hitze. Stella fühlte seine weiche Haut an ihrer Wange, und ihre Knie wurden fast zu schwach, um sie in den goldenen High Heels noch länger zu tragen.


Er war ihr so nahe, dass er den Duft ihrer Haare in sich aufnahm. Ihre rechte Brust wölbte sich zart gegen den Trikotstoff an seinem Oberkörper. Seine Worte an ihrem Ohr erregten sie anscheinend, denn ihre Brustwarze reckte sich auf einmal deutlich erhärtet gegen seine Seite.

Wieder überkam Steven dieses animalische Begehren. Ein Gefühl, das er schon viel zu lange – wenn überhaupt jemals in dieser ursprünglichen Form – nicht mehr bei einer anderen Person gefühlt hatte. Was war nur los heute Abend? Was war anders an dieser Frau?

Er richtete sich rasch auf, damit sie seine eigene körperliche Reaktion auf sie nicht allzu offensichtlich an ihrer Hüfte spürte. Verfluchtes eng anliegendes Trikot!

Sie stützte sich mit ihrer rechten Hand auf seiner Brust ab. Er schloss kurz die Augen, weil die Wärme ihrer Hand auf seiner Brust seine Atmung beschleunigte und fiebrige Impulse in seine Lenden sandte. Dann konnte er ihr ansehen, dass sie seine Worte vernommen hatte und offensichtlich deren Bedeutung verarbeitete.


Stella atmete keuchend aus und griff Halt suchend an den Brustkorb des Fremden. Während sie dabei noch registrierte, dass die Muskeln nur echt sein konnten, setzte ihr Bewusstsein endlich Stück für Stück die Worte Zorros zu einem Satz zusammen.

„Hallo, schöner Stern. Darf ich dir zu Diensten sein?“

Die Hitze, die Stella in diesem Moment durchflutete, spiegelte sich in ihren geröteten Wangen. Mehr als ein krächzendes „Hä?“ brachte sie nicht zustande. Der Mund des schwarz gekleideten Fremden lächelte wieder zuckersüß.

Mein Gott, Stella! Reiß dich zusammen, du bist erwachsen, du bist erfolgreiche Psychotherapeutin, das ist Köln und kein Kitschfilm!!, ermahnte sie sich innerlich und lockerte ihre Schultern.

„Wie bitte?“, wiederholte sie gesitteter.

„Also … du hast Probleme, einen Drink zu bestellen? Soll ich es mal versuchen?“

Stella nickte baff und holte tief Luft. Langsam erwachte sie aus ihrer Trance, nahm wieder die Musik und die anderen Menschen in der Bar wahr, obwohl sie sich immer noch seltsam benommen fühlte. Was geschah hier gerade? Unglaublich, dass immer noch dasselbe Lied lief. Sie hätte schwören können, es wären mindestens zehn Minuten seit dem Beginn von „Cantaloop“ vergangen.

„Was trinken Sterne denn so? Bier?“

Stella lachte. „Ach so! Ähm. Nein. Ich wollte eigentlich einen Gin Tonic.“

„Wird sofort geliefert“, verneigte sich Zorro kurz in Stellas Richtung. Bevor er sich jedoch dem Tresen zuwandte, hielt er kurz inne und fixierte Stella mit seinen maskierten Augen. „Darf ich den Namen des schönen Sterns erfahren?“

Stella strahlte unwillkürlich. „Ganz einfach: Nenn mich Stella.“

„Stella?! So, so“, wiederholte er leicht schmunzelnd und gab dann, eine Hand über dem Herzen und seinen Arm in einer ausladenden Verbeugung schwenkend, zurück: „Gestatten, Zorro, der Rächer der Armen!“

Während sich Zorro um ihren Drink kümmerte, konnte Stella sich etwas erholen. Was war das denn?, fragte sie sich. Sie versuchte, ihn nicht zu sehr anzustarren, während sie beobachtete, wie er auf Anhieb von der Trulla bedient wurde, die ihm natürlich ein strahlendes Lächeln schenkte. War ja klar.

Macht der jede Frau so an?, dachte Stella und spürte einen albernen Anflug von Enttäuschung.

Aber selbst mit Abstand konnte sie sich der Anziehungskraft seines eindrucksvollen Körpers nicht entziehen. Verstohlen schielte sie in seine Richtung: breite Schultern, dunkles, volles Haar, das zwischen Umhangkragen und Hut hervorblitzte. Als sie den Blick senkte, musste sie scharf einatmen, denn nun konnte sie die muskulösen Beine und vor allem den wohlgeformten Hintern in dem eng anliegenden Kostüm bewundern. Ihre Hände erinnerten sich sofort an das Gefühl seiner harten Brust und gierten danach, auch andere Stellen seines Körpers zu erkunden. Das konnte doch nur ein Traum sein?

Wie oft war sie mit ihrer Freundin Julia aufgebrezelt um die Häuser gezogen, um das Angebot auf dem männlichen Markt zu sondieren, und war einem Flirt oder sogar mehr nicht abgeneigt gewesen. Aber alles, was sie und Julia an solchen Abenden „anfuppte“, waren mickrige Exemplare ohne Body und Esprit.

„Fuppen“ nannten Julia und sie – angelehnt an das saugende Geräusch, das man dann meinte zu hören – das Phänomen, wenn Männer sich innerhalb von Minuten um eine allein in einer Bar sitzende Frau mit dem „gewissen Extra“ scharten. Nicht gerade selten hatten sich Julia und Stella daraufhin, lachend aber auch enttäuscht, fluchtartig aus einer Bar laviert. Wenn Stella sich dann am Ende des Abends aus ihrer Spitzenunterwäsche pellte, die sich leider nicht amortisiert hatte, hatte sie einen frustrierten Seufzer über die öde Männerwelt nicht unterdrücken können.

Und jetzt so etwas! Und dann noch in der passenden Verkleidung, die sämtliche körperlichen Vorzüge definierte. Und dabei hatte sie noch nicht einmal nach einem Mann gesucht. Hatte sie nicht heute Nachmittag noch zu sich gesagt, dass sie mit ihrem gemütlich dahinfließenden Leben sehr zufrieden sei?

Stella schüttelte ungläubig den Kopf.

„Magst du doch keinen Gin, Stella?“

Zorro reichte ihr amüsiert lächelnd ein Longdrinkglas. Ertappt, weil sie immer noch seine Hüfte fixierte, schaute Stella ihn an und nahm das kühle Glas entgegen. Reflexartig hielt sie sich das Gefäß an ihre erhitzte rechte Wange und lächelte ihn dankbar an.

„Wie hast du das denn so schnell geschafft?“

„Zorro hat eben seine Tricks – Berufsgeheimnis.“ Bedeutsam neigte er den Kopf.

Stella hätte ihm zu gerne die Zorro-Maske abgenommen, um endlich sein ganzes Gesicht, vor allem aber seine Augen zu sehen. Nervös und auf einmal unbeschreiblich durstig, sog Stella am Strohhalm. Der Drink war gut, wenn die Trulla es auch mit dem Alkoholanteil ein wenig zu gut gemeint hatte. Bereits nach dem ersten tiefen Zug, als sie den wacholdrigen Geschmack auf ihrer Zunge schmeckte, fühlte sich Stella beschwipst. Ihr ganzer Körper vibrierte, und ihr sonst so analytisches Denken fühlte sich leicht wattiert an.

Zorro stand wieder verteufelt dicht vor ihr. Er hatte sich ein Glas Bier besorgt, und Stella wurde gewahr, dass er wohl mit ihr anstoßen wollte.

„Oh, entschuldige, bitte!“

Sie stieß ihr Glas sachte an seines und musterte ihn. Er wirkte auf einmal sehr ernst und, obwohl er diesmal die Stimme nicht hob, hörte Stella genau, was er sagte.

„Auf Sternschnuppen und Weltverbesserer!“

Stellas Knie wurden weich. War das wirklich so poetisch, wie es sich anhörte, oder war sie total neben der Spur?

„Ja, genau!“, war alles, was sie mit ihrem aufgeweichten Hirn von sich geben konnte.

Rasch zog sie ein zweites Mal an ihrem Strohhalm und war froh, sich an dem Glas festhalten zu können. Genau diesen Moment wählte der überwiegende Teil der Barbesucher, um einstimmig auf den Refrain des Toy Doll Songs „Nellie the Elephant“ krähend eine Pogo-Polonaise abzuhalten. Stella wurde samt Glas gegen Zorros breite Brust gedrückt und verschüttete es halb in den Ausschnitt seines geschnürten Trikots. Er fing sie auf und zog sie, während er ihre Gläser rasch auf einem Tisch loswurde, lachend in seiner Umarmung Richtung Ausgang.

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