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Steven Berghoff

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„Bin ich nicht langsam zu alt für solche Kostümierungen?“, murmelte Steven Berghoff und betrachtete skeptisch das enge Oberteil aus Trikotstoff und den glänzenden Umhang in seiner Hand: Teile seines Outfits für die heutige Partynacht. Die Frage war rein rhetorisch. Er wusste selbst, dass das Alter bei der Wahl des Karnevalskostüms die letzte Rolle spielte. Schließlich lebte er schon immer in dieser Stadt.

Das hab ich nun von meinem Versuch, mich vor dem Karneval zu drücken, dachte Steven, während er sich in die enge Hose zwängte.

„Aber was tut man nicht alles für seinen besten Freund“, seufzte er.

„Was ist dein Problem?“, hatte Gregor ihn gefragt, nachdem Steven eher zögerlich auf die Aussicht reagiert hatte, auf die coole Karnevalsparty seines Freundes im Kölner Alter Wartesaal zu kommen.

Steven zuckte nur die Achseln. „Mir ist einfach nicht nach feiern. Ich hab in zwei Wochen Abgabetermin für den kanadischen Wettbewerb und bin noch lange nicht mit dem Prototyp des Möbelstücks fertig, dessen Entwurf ich einreichen will.“

Als er Gregors verständnislose Miene sah, seufzte Steven. „Na, der Designwettbewerb. Die Gartenliege? Mensch, Gregor, interessierst du dich gar nicht für meine Projekte?“

Gregor grinste. „Verrat mir mal, wie ich mir merken soll, wann bei dir die Gartenliege oder der Toaster dran ist? Das wechselt doch monatlich. Ich hab genug mit meinen eigenen Events zu tun. Du kannst dir sicher auch nicht jede Veranstaltung merken, die ich organisiere!“

Steven lachte. „Das ist aber auch nicht vergleichbar. Du hast ja fast drei Veranstaltungen wöchentlich, während ich monatelang an einem einzigen Projekt feile.“

An der Liege fehlte noch der letzte Schliff, und wenn Steven im kreativen Rausch war, igelte er sich gerne ein.

„Ist doch auch egal. Du kommst gefälligst, und damit basta! Einen Abend wirst du dich ja wohl freimachen können. Ist auch besser für deine Kreativität. Du wirst den Alten Wartesaal nicht wiedererkennen, nach dem, was ich daraus gemacht habe. Saturday Night Fever trifft Tausendundeine Nacht. Du wirst schon sehen.“

Gregor blickte verträumt, und Steven erkannte, wie stolz sein Freund auf dieses Event war, das eines der Top-Ereignisse dieser Karnevalssaison in Köln sein sollte. Er konnte seinen Freund nicht enttäuschen.

„Schade eigentlich, dass ihr Eventmanager keine Wettbewerbe habt!“

„Du sagst es, Alter. Was ist nun? Ja oder ja? Ich garantiere dir die atemberaubendste Erfahrung deines Lebens! Den Abend wirst du sicher nicht so schnell vergessen.“

Steven schaute nur skeptisch, nickte dann aber.

„Bis Donnerstagabend dann, ich zähle auf dich!“, hatte Gregor sich verabschiedet und sich königlich über Stevens genervte Miene amüsiert.

Sein Vater Gerion hatte ebenfalls kein Verständnis für ihn gehabt, als er ihm vor gut einer halben Stunde von seinem Dilemma berichtet hatte.

„Ich habe überhaupt kein Kostüm.“ Steven suchte nach dem letzten plausiblen Grund, um weiter an seiner Liege basteln zu können.

„Warte, ich hab da eins für dich.“ Sein Vater drückte ihm mit blitzenden Augen das Zorro-Kostüm in die Hand.

„Hatte ich letztes Jahr selbst an. Du kannst mir glauben, die Frauen stehen auf so etwas. Dieses Jahr geh ich als Poseidon.“ Gerion hob bedeutungsvoll die Augenbrauen.

Steven kapitulierte seufzend und zwängte sich in das knappe Trikot. Seine breiten Schultern verhinderten, dass er die vorgesehene Verschnürung über der Brust auch nur ansatzweise schließen konnte. Auch die schwarze Kniebundhose saß durch seine Muskeln arg stramm über seinem Hintern.

„Na, siehst du! Passt doch wie angegossen!“, rief sein Vater amüsiert, während er Stevens Ächzen registrierte. „Fast so gut wie bei mir!“

Mit seinen fünfundsechzig Jahren stand der sportliche und wohlhabende Gerion Berghoff immer noch „gut im Saft“. Er leitete in dritter Generation erfolgreich das exklusive Kölner Möbelhaus „Berghoff“. Steven vermutete schon lange, dass die Affären mit oftmals wesentlich jüngeren Frauen seinen Vater fit hielten.

„Corinna und ich sind dann mal weg. Dir viel Spaß!“, hatte Gerion ihm recht erheitert in Gestalt des Meeresgottes zugerufen und dabei mit seinem Dreizack gewunken.

Seit dem Tod seiner Frau Claudia vor über drei Jahrzehnten, die bei einem Rheinspaziergang völlig unerwartet einer Hirnblutung erlegen war, ließ sein Vater keine Frau ernsthaft an sich ran. Was nicht hieß, dass er enthaltsam lebte. Im Gegenteil: Die als schillernde Meerjungfrau verkleidete sexy Corinna, die mehr Haut als Kostüm zeigte, genoss derzeit seine Aufmerksamkeit.

Steven hatte von seinem Wohntrakt aus beobachtet, wie die beiden in ein Großtaxi stiegen, in dem bereits seine Tante Ricarda und ihr Mann sowie weitere Freunde seines Vaters warteten.

Stirnrunzelnd wandte sich Steven wieder seinem Spiegelbild zu und komplettierte sein Outfit mit einem schwarzen Filzhut und einer Zorro-Maske, die ihm wenigstens ein wenig Inkognito-Feeling gab. Sofort blickte ihm der wahre Zorro aus seinem Badezimmerspiegel entgegen. Gar nicht so schlecht! So langsam regte sich auch bei Steven Vorfreude auf den heutigen Abend. Für seinen Geschmack sah er allerdings zu gewollt heiß aus.

„So, wie ich aussehe, kann ich Corinna gar keinen Vorwurf machen, dass sie zu viel Haut zeigt.“

Beim Rausgehen warf er einen letzten sehnsuchtsvollen Blick auf die unfertige Gartenliege und zog die Haustür hinter sich ins Schloss. Vielleicht würde es ja doch ein netter Abend werden.

Narrenschicksal

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