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Sehnsucht

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Auf der Fahrt zum Flughafen Köln/Bonn hielt Stella herzklopfend ihr Handy umfasst, um ja nicht Stevens Anruf zu verpassen. Später, im Warteraum vor dem Boarding, checkte sie alle drei Minuten vergeblich, ob Steven eine Nachricht hinterlassen hatte.

Sobald das Anschnallzeichen im Flugzeug erloschen war, startete sie wieder den Handyempfang, in der freudigen Gewissheit, Stevens versäumten Anruf angezeigt zu bekommen. Nichts.

Bei der Gepäckausgabe in Zürich hielt Stella sich bewusst zurück und konzentrierte sich auf ihre Atmung. Es gab gewiss einen Grund. Er musste noch einmal eingeschlafen sein. Das war es sicher!, beruhigte sie sich.

Stella fiel ihrer Freundin Julia freudestrahlend um den Hals, und diese kitzelte bereits nach zwei Minuten die wesentlichen Eckpunkte des Geschehenen aus ihr heraus.

„Das wurde ja auch Zeit, dass du mal deinen Deckel findest!“, freute sich Julia.

Als sie später in Julias Küche saßen, lauschte Julia Stellas Bericht.

Stella versuchte, ihrer Freundin, wie es ihre Art war, haarklein jeden Moment der Begegnung mit Zorro/Steven zu schildern, während sie vor überschüssiger Energie den Stiel ihres Weinglases massakrierte. Julia und sie glucksten und kicherten und drückten sich zwischendurch fest die Hand. Sie rekapitulierten weinselig sämtliche Loser, die sie beide bereits in ihrem Leben abgefrühstückt hatten, und konnten es kaum fassen, dass ihnen diese zugemutet worden waren.

„Steven ist ganz anders. Steven ist einfach unglaublich“, schwärmte Stella.

„Mensch, du strahlst wie ein Honigkuchenpferd“, fand Julia. Diese unglaubliche Glückseligkeit konnten nur frisch Verliebte ausstrahlen.

Stunden später sank Stella weinschwer und zufrieden mit ihrem Dasein, nicht ohne kurz vorher ihr Handy noch einmal gecheckt zu haben, in das von Julia bereitete Gästebett. Warum er sich immer noch nicht gemeldet hatte, darüber beschloss sie, erst am nächsten Tag nachzudenken.


Nachdem Steven stundenlang ziellos durch die eisigen Straßen Kölns herumgeirrt war, hatte er wortkarg einen Anruf von Gregor beantwortet. Danach war er schweren Herzens in seine Wohnung zurückgekehrt. An das kurze Gespräch mit seinem Vater, den er im gemeinsamen Patio mit Corinna recht verkatert antraf, konnte er sich kaum erinnern.

Zurück in seinem Loft verharrte er lange im Türrahmen seines Schlafzimmers und blickte auf die zerwühlten Bettlaken, die ihn zu verhöhnen schienen. Wie in Trance setzte er sich auf die Bettkante und vergrub dann stöhnend seine Nase in seinem Kissen, in der vagen Hoffnung, noch etwas von Stellas Duft zu erhaschen. Von einer Minute auf die andere gab er sich jedoch einen Ruck, zog das Bett ab, versenkte das Bettzeug tief im Wäschekorb und öffnete das Fenster sperrangelweit, um die kalte Februarluft jede Erinnerung an sie vertreiben zu lassen. Als ob das so einfach wäre.

Er hob endlich die angerissene Brötchentüte vom Küchenboden auf und warf sie in den Mülleimer. Eigentlich hätte er hungrig sein müssen, aber sein Magen war wie zugeknotet.

Das Beste war, sich durch Arbeit abzulenken, entschied er, und so saß er bis tief in die Nacht an seinem Modell für den Wettbewerb, ohne auch nur ansatzweise voranzukommen. Er konnte den Gedanken an sein einsames Schlafzimmer nicht ertragen und warf sich irgendwann erschöpft aufs Sofa. Als er die Kissen und Kleidungsstücke, die darauf lagen, zu Boden fegte, segelte ein helles Fleckchen Stoff aus seinem Zorro-Umhang auf das Polster. Wie erstarrt griff Steven danach.

Als er später in einer grässlichen Endlosschleife eines Traumes wieder und wieder Szenen der Nacht mit Stella durchlebte, glitt der zerknüllte goldene Tüllstern aus seiner Faust.


Der nächste Tag begann für Stella mit einem Kater, der nicht nur von den fast zwei Flaschen Wein herrührte, die sie mit Julia gekillt hatte. Immer noch fehlte jegliche Nachricht von Steven.

Der Blick auf den blaugrauen Horizont, der Duft nach Salzwasser, Rosmarin und Macchia in der Nase besänftigte am zweiten Urlaubstag Stellas wunde Seele. Die Temperatur auf Elba war im Februar etwas höher als in Köln. In ihrem dicken Wollpulli hätte sie ewig am Ufer stehen und ihre schweren Gedanken vom Seewind wegpusten lassen können. Der gemeinsame Abend mit Steven erschien ihr so fern von der Heimat unwirklich und rückte in einen Nebel der Erinnerung.

Hatte sie wirklich alles so erlebt, wie sie es meinte? Oder sollte sie sich in ihm getäuscht haben? War sie doch nur ein One-Night-Stand für ihn gewesen? Wieder und wieder ging sie die einzelnen Momente durch und versuchte zu greifen, was ihr eventuell entgangen sein konnte. Ihr Kopf dröhnte von dem Karussell, das sich in ihr drehte.

„Mir ist kalt, Stella.“ Julia zog sie in ein Restaurant am Hafen von Rio Marina. Julia, die ihre halbe Kindheit auf Elba verbracht hatte, kannte den Besitzer. Das rustikale Lokal war hauptsächlich von Einheimischen besucht. Die Fischplatte, die der charmante Kellner wenig später mit einer fulminanten Geste vor sie hinstellte, sah aus wie ein maritimes Kunstwerk. Doch nur Julia aß mit gutem Appetit. Stella schob gedankenverloren ihr Essen auf dem Teller von links nach rechts, hatte noch keinen Happen gegessen, hingegen schon das zweite Viertel Weißwein für sich bestellt.

Julia ergriff Stellas Hand. „Hey, sei nicht traurig. Es gibt sicherlich einen Grund, weshalb er sich noch nicht gemeldet hat.“

Stella holte tief Luft. „Welchen denn wohl? Ich meine, wir leben in einer Welt, in der es neben einem Anruf vielfältigste Möglichkeiten der Kommunikation gibt: SMS, WhatsApp, Twitter, Facebook ...“

Julia winkte ungeduldig ab. „Ja, aber vielleicht hat er aus irgendeinem Grund deine Adresse nicht gefunden und ist jetzt genauso verzweifelt wie du.“

Stella schnaubte. „Wie soll er sie denn nicht gefunden haben? Ich hab mir doch genau überlegt, wo ich sie hinlege, damit er sie gleich beim Reinkommen sieht!“

„Vielleicht war ja die Putzfrau zwischendurch da und hat den Zettel weggeräumt?“

„Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Wo war er überhaupt? Welcher Mann lässt eine Frau so einfach allein in seiner Wohnung sitzen und haut ohne ein Wort ab?“

„Du hast doch selbst gesagt, dass du davon überzeugt warst, er käme wieder.“

Stella schluckte schwer und zog eine Grimasse. „Ja, das war vorgestern. Aber weil der sich so überhaupt nicht mehr meldet, bin ich mir da nicht mehr sicher.“ Um sich zusammenzureißen und nicht hier vor allen Leuten in Tränen auszubrechen, stierte sie auf ein kitschiges Ölbild, das eine Hafenszene darstellte.

„Aber warum sollte er das tun? So, wie du mir diese Karnevalsnacht geschildert hast, war es für ihn genauso schön wie für dich.“

Stella leerte, um etwas Zeit zu gewinnen, ihr Glas. Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern, als sie gestand: „Vielleicht habe ich ihn ja verschreckt?“

Julia schüttelte verständnislos den Kopf. „Verschreckt? Wie soll das denn passiert sein?“

„Na, ich hab ihm gesagt, dass ich … ihn liebe.“

Julia schnappte nach Luft und wurde schlagartig laut. „Du hast was gesagt?“

Der Kellner, der hinter der Bar Gläser polierte, schaute zu ihnen herüber und runzelte die Stirn.

Julia räusperte sich und wiederholte ihre ungläubige Frage gedämpfter. Stella holte tief Luft. Unvermittelt wurde sie ärgerlich. Ob auf Julias Reaktion oder mehr auf sich selbst, war ihr in diesem Moment nicht ganz klar.

„Ich wollte es ja nicht. Ich konnte es einfach nicht steuern.“ Nochmals senkte sie ihre Stimme. „Es ist einfach aus mir rausgesprudelt, als ich gekommen bin.“

Julia starrte sie mit offenem Mund an. Dann vergrub sie stöhnend ihr Gesicht in ihren Händen.

„Oh, Stella! Was soll ich sagen? Das klingt gar nicht gut. Hast du denn Bernd und mir gar nicht zugehört?“

Als Stella wie ein Häufchen Elend noch mehr in ihrem Stuhl versank, winkte Julia den Kellner heran. „Zwei doppelte Grappas, bitte.“

Der Kellner war entzückt und kehrte mit einem ganzen Tablett von Flaschen in unterschiedlichsten Designvarianten zurück. Er wollte gerade ansetzen, die einzelnen Vorzüge der Grappasorten zu erläutern, als ihn ein strenger Blick Julias abrupt verstummen ließ.

Stella musste trotz ihres Elends leicht schmunzeln. Diesen Blick hatte Julia schon während der Schulzeit draufgehabt und in ihrer Anwaltskarriere perfektioniert. Der Kellner tat ihr fast leid. Dieser jedoch schien nach einem kurzen Moment der Stille, umso faszinierter von der dominanten Signorina zu sein.

„Ah! Ich weiß, was Sie brauchen“, rief er mit erhobenem Zeigefinger. Und mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er gerade das Rad erfunden, verschwand er mit dem Tablett hinter seiner Bar. In weniger als einer Minute stand er wieder da. Triumphierend hielt er den „bellissime Signorine“ eine Flasche unter die Nase, in der eine klare Flüssigkeit hin und her schwappte, auf der sich allerdings kein Etikett befand.

Julia schien zufrieden, denn sie nickte gnädig. Erleichtert, die strenge Zensur bestanden zu haben, goss der Kellner zwei Wassergläser zu fast einem Drittel voll. Julia drehte das Glas in ihren Händen und betrachtete stirnrunzelnd das undefinierbare Gebräu.

„Auf die Liebe also!“, sagte sie zu Stella, die der Szene mit zunehmender Belustigung gefolgt war und gespannt darauf gewartet hatte, wie es wohl weitergehen würde.

Sie hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit diesem Trinkspruch. Verblüfft stieß sie mit Julia an, und dann leerten sie beide das Glas in einem Zug. Obwohl es Stella so war, als hätte sie mit Stacheldraht gegurgelt und ihr Hals brannte, hielt sie stand und blickte ihre Freundin mit tränenden Augen an. Unvermittelt prusteten sie los. Das nahm der Kellner gleich zum Anlass, eifrig das Glas nachzufüllen.

Nach einer weiteren Runde löste sich endlich der Knoten in Stellas Magen, und sie konnte etwas essen. Der Fisch war zwar mittlerweile abgekühlt, aber hervorragend. Mit ihrer Gabel deutete sie Richtung Julia und sagte kauend: „Klar war ich doof. Wer gesteht schon seine Liebe in der allerersten Nacht? Noch dazu in meinem Alter!“

Julia nickte nur.

Was sollte ihre Freundin auch anderes sagen, wo Stella doch absolut recht hatte?

„Wie grässlich peinlich. Da finde ich endlich Mister Right und verschrecke ihn gleich wieder.“

Glücklicherweise führte das teuflisch brennende Gesöff dazu, dass Stella diesen Umstand nun witzig fand. Also kicherte sie wieder los, und Julia stimmte dankbar mit ein.

„Und dabei hättest du es besser wissen müssen. Du bist immerhin Psychologin.“

„Ja, das bin ich“, gluckste Stella.

„Du hättest ihn so manipulieren können, dass er geradewegs in deine Fänge gelaufen wäre.“

„Ja, das hätte ich, ich dumme Kuh. Ist das nicht selten dämlich?“

Sie fielen sich kichernd in die Arme. Glück im Unglück für Stella, dass sie bei Julia war. Der Kellner, der sich wenige Minuten später als Luigi vorstellte, fand es wohl an der Zeit für einen Vorstoß. Stella und Julia tanzten sich mit Luigi und seiner Clique in dieser Nacht durch verschiedene Inseldiskos, bis sie zufrieden in ihre Betten plumpsten.


Steven öffnete die Tür seiner Wohnung, nachdem es ein paar Mal laut geklopft hatte.

Mithilfe eines befreundeten Architekten hatten sein Vater und er in der Nähe des Kölner Südparks ein sehr männliches, aber dennoch behagliches Zuhause mit zwei geschmackvollen, doch autarken Lofts in einem Gebäude geschaffen. In den letzten Tagen war er seinem Vater hin und wieder im Patio begegnet. Steven war dessen fragenden Blicken jedoch bisher erfolgreich ausgewichen. Er wusste, dass sein Vater ihn noch nie so gedämpft und antriebslos erlebt hatte.

„Hast du einen Kaffee für deinen alten Herrn?“

Steven verdrehte sofort die Augen, ließ seinen Vater aber ein. Er ahnte, was bevorstand. Gerion wählte diese Bezeichnung für sich immer, wenn es Zeit für ein „Vater-Sohn-Gespräch“ war. Gerion stand an der Terrassentür und begann mit Unwichtigem.

„Schau mal, die Krokusse blühen schon.“

Ungeduldig schüttelte Steven den Kopf und fuhr sich mit den Händen durch seine Haare. „Was willst du, Pa?“

„Erzähl du es mir! Nur so viel, mein Junge: So kenne ich dich nicht. Ich hab allerdings bei Gregor angerufen. Aus Sorge. Und wenn das stimmt, was ich von ihm gehört habe, dann hast du … Liebeskummer?“

Während Steven geschäftig an der Kaffeemaschine herumhantierte, gelang es seinem Vater, ihm Stück für Stück wenigstens Teile der Geschichte aus der Nase zu ziehen.

„Was ich an der ganzen Sache nicht verstehe …“, wandte Gerion erstaunt ein. „Du hast eine ganze Nacht mit dieser Frau verbracht und weißt nur ihren Vornamen? Also nicht, dass ich finde, man müsste unbedingt den Nachnamen erfahren, um mit einer Frau zu schlafen. Aber doch wenigstens irgendein anderes Detail aus ihrem Leben. Wo sie wohnt, wo sie herkommt, was sie arbeitet ...“

Stöhnend rieb sich Steven sein Gesicht. „Ich weiß ja, Pa. Heute kommt mir das genauso merkwürdig vor. Das ist eher eine Nummer, die ich meinem Freund Michi zugetraut hätte. Aber es war eben eine … ganz besondere Nacht.“

„Besonders? Inwiefern?“

„Na, ja. Es bestand vom ersten Moment an diese enorme Anziehung zwischen uns. Ein Verstehen. So, als ob wir uns schon lange kennen würden. Es war einfach unwichtig, welcher Job, welche Adresse ... Es war einfach nur wichtig, welche Galaxie.“

Sein Vater verdrehte die Augen, und auch Steven musste ein wenig lächeln. Obwohl es seinen Herzschmerz anfachte, tat es Steven gut, mit seinem Vater über seine Gefühle zu reden. Endlich konnte er einigermaßen nachvollziehen, was in dieser Nacht eigentlich mit ihm geschehen war.

„Am Anfang spielten wir ja auch noch unsere Rolle. Ich der Rächer und sie der Stern. Wobei ich erst hinterher erfahren habe, dass Stella ihr richtiger Name ist.“ In Erinnerung an den schönen Moment auf der Brücke versunken, hielt Steven inne. „Kurz: Wir verstanden uns auch ohne Worte. Außerdem konnte ich ja nicht ahnen, dass sie am nächsten Morgen wegrennt, ohne sich zu verabschieden. Du kannst mir glauben, ich hatte vor, ihr noch beim Frühstück die wichtigsten Fakten aus der Nase zu ziehen.“

Er verzog sein Gesicht, als er sich an die zerfetzte Brötchentüte auf dem Küchenfußboden erinnerte, die das Symbol des verpatzten Morgens gewesen war.

„Wäre ich doch bloß nicht aus dem Haus gegangen!“, stöhnte er wieder und ballte vor Wut auf sich und auf Stella die Hände zu Fäusten. Unglücklich schaute er seinen Vater an.

Gerion lächelte und machte jetzt auf Steven einen erleichterten Eindruck.

„Halt sie fest, mein Junge!“, waren die einzigen Worte, die er auf Stevens Bericht hin sagte.

Steven schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich weiß nicht, was du meinst, Pa.“

„Doch, das tust du, Steven.“

Steven nahm nur vage wahr, dass sein Vater die Wohnung verließ. Kaum hatte er das Klicken der Tür gehört, stand es Steven unvermittelt glasklar vor Augen, was sein Vater gemeint hatte: Er würde Stella finden und ihr sagen, was er für sie empfand.

Der Knoten in seiner Brust löste sich leicht, als die lähmende Starre von ihm abfiel. Steven ergriff unruhiger Aktionismus. Er telefonierte sämtliche Leute ab, bei denen auch nur die geringste Chance bestand, dass sie Stella kannten. Michi, Hannes und Gregor versprachen, sich umzuhören. Doch keiner von ihnen wusste etwas über Stella. Hätte er nicht den Stern von ihrem Kostüm gehabt, hätte er beinahe geglaubt, dass alles nur ein verrückter Traum gewesen war.

Steven saß an den folgenden zwei Abenden im Lokal Spielplatz und schaute gebannt auf jeden Eintretenden, in der Hoffnung, es wäre Stella. Fehlanzeige. Sowohl die tätowierte männliche Bedienung als auch die Frau, die ihm Stellas Gin Tonic bereitet hatte, schüttelten verständnislos den Kopf, als er ihnen Stella beschrieb.

Lange konnte sich Steven nicht von dem kleinen Platz vor dem Lokal lösen. Er schaute in den sternklaren Himmel, um das Gefühl des Abends heraufzubeschwören und die Sterne anzuflehen, dass Stella wieder aus der Tür des Lokals käme und ihn anlächeln würde. Erst als seine Füße bereits Eiszapfen waren, fand er den einsamen Weg nach Hause.

Steven versuchte nach außen, sich zusammenzureißen. Wie zufällig suchte er indes vermehrt Orte in Köln auf, an denen täglich viele Menschen vorbeikamen. Er verbrachte Stunden damit, die Ehrenstraße auf und ab zu schlendern, sich am Neumarkt, am Rudolfplatz und auf der Domplatte aufzuhalten, um Stella in jedem Passanten zu suchen. Auf der bei Tage tristen Durchfahrtsstraße vor dem Alten Wartesaal hielt er es sogar zwei Stunden aus und hätte danach sämtliche Plakate und Graffitis aus dem Kopf nachzeichnen können.

Dem größten Schmerz setzte er sich aus, als er an die Stelle auf der Hohenzollernbrücke zurückkehrte, an der sich alles entschieden hatte. Die Stirn an das Gatter mit den Liebesschlössern gelegt, ließ er sich eine Weile vom scharfen Wind durchrütteln, hörte das Kreischen der in den Bahnhof einfahrenden Züge und das Schnattern der Touristen in seinem Rücken. In just diesem Moment fing es wie wild zu schneien an, und Steven stellte für sich fest, dass dieser Ort bei Tage und ohne Stella alles andere als romantisch war.

Nach einer Woche sah auch sein Vater, wie unglücklich Steven war.

„Sie weiß ja schließlich, wo ich wohne. Augenscheinlich hat sie kein Interesse an mir, sonst hätte sie sich längst gemeldet“, stellte Steven resigniert fest.

„Auch andere Mütter haben schöne Töchter.“

Stevens schiefes Lächeln bestätigte ihm, dass er sich den Atem für diesen abgedroschenen Satz hätte sparen können.

Narrenschicksal

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