Читать книгу Mama allein zu Haus - Barbara Becker - Страница 13
AUSGEFLOGEN
ОглавлениеDer Katzenjammer erwischt mich kurze Zeit später. Obwohl ich durch Noahs Auszug schon eine gewisse Übung im Loslassen haben sollte, trifft es mich diesmal ungleich härter – denn diesmal bleibt kein Kind bei mir zurück. Elias verlässt das Haus zwei Tage nach seiner Graduation in Richtung London.
Ich versuche – auch heute noch –, es nicht zu persönlich zu nehmen, dass die Kinder so schnell ausgezogen sind. Schließlich zeigt das ja auch, dass ich meine Aufgabe als Mutter gut erfüllt habe und sie voller Lust und Mut in ihr eigenes Leben starten. Aber einfach ist das nicht …
Auch ihm fällt es schwer zu gehen. Florida war ein herrlicher Ort für meine beiden Jungs. Das warme Wetter, die amerikanische Herzlichkeit, das reiche Sportangebot. Aber nach der Schule bot Miami für meine Kinder kaum Möglichkeiten, sich kreativ weiterzuentwickeln, deshalb sind sie ausgezogen, um woanders zu studieren und sich zu verwirklichen.
Es gelingt mir, meine Tränen abzuwischen und meinen Sohn mit einem Lächeln und gefühlt tausend Umarmungen zu verabschieden. Dabei rede ich mir ein, er würde nur kurz in den Urlaub fahren, so wie in den letzten Ferien. Viel mehr Gepäck hat er auch nicht dabei. Er sitzt schon im Flugzeug, als wir das letzte Mal facetimen – beide mit Tränen in den Augen.
Zu Hause überrollt mich der Schmerz wie eine große Welle. Plötzlich bin ich ganz allein. Ich gehe in Elias’ Zimmer und sehe die alten Schuhe, die ihm sowieso schon längst zu klein sind, aber immer noch in der Ecke stehen. Könnte ich ja eigentlich jetzt wegwerfen, die braucht er doch nicht mehr. Nein, das geht noch nicht. Ich muss die noch eine Weile behalten. Genauso wie die Kiste mit den Erinnerungen an seine Kindheit.
Meine größte Aufgabe ist erledigt, auch unser Morgenritual fällt in Zukunft weg. Elias wird nicht nach den Sommerferien heimkehren. Diese Erkenntnis sickert langsam in mein Bewusstsein ein.
Heather und Jen kommen gemeinsam mit ein paar weiteren Freundinnen vorbei, denn sie ahnen, wie es mir geht. Stundenlang sitzen wir am Tisch und reden, erzählen uns lustige Geschichten von früher.
Irgendwann sage ich: »So schlecht finde ich die Idee von Hotel Mama gar nicht. Sie hätten doch eigentlich auch noch ein bisschen hierbleiben können. Warum sagt einem das keiner, dass die irgendwann einfach ausziehen und einen allein zu Hause zurücklassen?«
Doch da hält Sam dagegen, meine lebenslustige, welterfahrene, schlaue und herzliche Nachbarin: »Das ist doch Blödsinn! So ist eben der Lauf des Lebens. Die Kinder werden größer und müssen raus in die Welt. Wir alle werden älter und dann müssen wir uns immer wieder neuen Herausforderungen stellen.
Sie hat ja recht. Wäre es nicht eine schreckliche Vorstellung, wenn die Kinder nicht irgendwann ausziehen würden? Bärtige Vierzigjährige, die sich immer noch von Mama die Wäsche bügeln oder das Frühstück richten lassen? Nein. Ich entlasse meine Kinder mit einem Lächeln in ihre neue Lebensphase und ich werde es schaffen, einen neuen Weg finden, der mich glücklich macht.
Kein Mensch verlangt jetzt mehr von mir, dass ich um sechs Uhr aufstehe. Ich schlafe ab heute aus und mache dann meinen Sport oder ich gehe erst einmal mit dem Hund Gassi. Goodbye Morgenhektik, hello Entspannung! Dabei fällt mein Blick auf die wunderschöne Geige, die seit Jahren ungenutzt in der Ecke steht, und die Erkenntnis löst in mir regelrechte Glücksgefühle aus: Ich werde mir einen Lehrer suchen und endlich wieder spielen. Ich habe ja jetzt so viel Zeit für mich. Das wird ganz wunderbar!
So weit die Theorie. Am nächsten Morgen mache ich wie immer einen riesigen grünen Smoothie und verteile ihn auf drei Gläser. Mist. Wer trinkt den denn jetzt? Jetzt muss ich das alles wegschütten. Ach Quatsch, ich friere den jetzt mal ein, beruhige ich mich selbst.
Jen kommt und lacht sich schlapp. »Na, jetzt musst du dich wohl umstellen, Barbara. Du darfst jetzt allein frühstücken.« Ich darf? Auch eine interessante Sicht der Dinge. Und in der Tat bringt so ein vermeintlich »einsames« Frühstück seine Vorteile mit sich. Ich kann in Ruhe Zeitung lesen, neue Pläne schmieden oder meinen eigenen Gedanken nachhängen. Ich werde achtsamer mit mir selbst umgehen, mir neue Rituale suchen, die meinen Tag erfüllen. Ich weiß, es ist noch ein langer Weg, aber ich bin bereit, diese ungewohnte Situation willkommen zu heißen.
Eines Tages ruft mich Elias an.
»Hey, Mama. Alles gut?«
Wir reden über seine Uni und die Fächer, die er dort belegt hat, aber ich merke schon, es geht um etwas anderes.
»Sag mal, wie machst du noch gleich das Porridge?«, rückt er irgendwann raus. »Ich habe es jetzt fünfmal allein probiert, aber es schmeckt nie wie bei dir und ich möchte mich hier auch gerne gesund ernähren.«
Yes! Ich mache heimlich das Victoryzeichen. »Ich dachte, du magst das nicht«, grinse ich. »Du warst doch oft kurz davor, den Teller durch die Küche zu schleudern.«
Elias atmet einmal tief durch. »Das war früher, Mama. Da war ich doch noch ein Kind!«
Ach so. Na klar.
Und dann verrate ich ihm mein absolut geheimes Porridgerezept.