Читать книгу Bella Calabria - Barbara Collet - Страница 10
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Spät abends hielt ein Auto vor der Tankstelle, das Antonio nur zu gut kannte. »Voll«, hörte er die Anweisung aus dem Inneren der schwarzen Limousine. Sein Onkel Alberto, Mitte fünfzig, schlank, gepflegt, wohlhabend, unverheiratet, war neben vielen Nebentätigkeiten auch Arzt. Hin und wieder verirrten sich Patienten in sein Kabinett.
Alberto war selten in der Praxis anzutreffen. Das Geld verdiente er auf eine Weise, die Antonio zu ignorieren gelernt hatte. Seine Besuche im Nachbardorf an der Küste trugen auch den Nimbus des Mysteriösen. Sie hingen, so munkelte man, mit der regelmäßigen Abwesenheit eines gehörnten Ehemanns zusammen. Nicht einmal hinter vorgehaltener Hand debattierte das Dorf die näheren Umstände seines Lebens. – Es kümmerte keinen. Es hatte niemanden zu interessieren.
Antonio seufzte. Wie immer bezahlte er das Benzin für den Tank aus eigener Tasche oder mithilfe einer unauffälligen Korrektur an den Abrechnungen mit Agip. Diese Manipulationen waren nichts Ungewöhnliches. Seine Konkurrenten in der Stadt verloren nach jahrelangen verschleiernden Abrechnungen die Konzession der Erdölgesellschaft, zu viele Parasiten waren auf Dauer nicht tragbar. Antonio hatte das bislang verhindert.
»Wie laufen die Vorbereitungen für die Prozession?«, erkundigte sich sein Onkel.
»Alles gut. Wie immer.«
»Das freut mich. Unsere Reputation hängt von deiner Arbeit ab. Nicht umsonst will ich alles getan haben, damit du Chefprior wirst«, kommentierte Alberto und entschwand.
Wenig später schlurfte sein Vater am Kabuff vorbei und steuerte die Bar Ciccios an. Seine Mutter trank eine erfrischende Limonade unter dem Maulbeerbaum neben der Eingangstür. Sie hob nicht einmal den Kopf zur Begrüßung.
Der Alte stützte seinen Arm auf den Stock und schwieg verdrossen. Keiner kam auf die Idee zu fragen, ob er durstig sei. Niemand sprach ihn an. Der Patron war da und duldete masochistisch seine Einsamkeit. Antonio beobachtete das Schauspiel. Wie lange noch würde der Alte die Krankheit besiegen? Ärztliche Hilfe lehnte er nach wie vor ab. Nur die Schmerztherapie akzeptierte er, lethargisch und schweigsam. Antonio überlegte einen Moment, ob er Gefühle für den Alten verspürte. Er horchte in sich hinein. Weder Mitleid noch Hass empfand er. Die Wunden der Kindheit und Jugend waren vernarbt. Wie ein Augenzeuge beobachtete er den zunehmenden Verfall seines Erzeugers. Vermutlich erlebte der Alte nicht einmal das Weihnachtsfest. Im Dezember würde er umziehen. Mit Glück pünktlich zum Fest.