Читать книгу Bella Calabria - Barbara Collet - Страница 8

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»War was Besonderes?«, fragte Antonio den Jungen, der seit dem frühen Morgen die Stellung an der Agip-Tankstelle hielt.

Der Angesprochene schüttelte den Kopf. Er sah müde aus. Roberto hatte zwei Jobs: Er half seinem Vater, Inhaber eines florierenden Fischladens, wenn Not am Mann war. Dann verhandelte er frühmorgens vor Sonnenaufgang mit den Fischern am dörflichen Hafen den Preis der Ware. Ansonsten füllte er jeden Tag die Tanks der Last- und Personenwagen in Antonios Tankstelle auf.

Die Holzbank im ehemaligen Wartehäuschen einer nicht mehr existenten Bushaltestelle verhalf zu schattigen Ruhepausen. Robertos angepflanzter Efeu breitete sich inzwischen wie ein Teppich über das offene Kabuff aus. Wenn kein Kunde zu bedienen war, saßen die beiden schweigend rauchend auf der Bank und betrachteten das Straßengeschehen. Von diesem Platz behielten sie auch einen Überblick darüber, wer die Durchgangsstraße verließ und in den schmalen Sandweg dahinter einbog. Die Menschen dieser Siedlung gehörten zu Antonios und einem befreundeten Clan. Jeder im Paese kannte ihre Geschichte. Entweder waren sie, ins Alter gekommen, aus den Gefängnissen entlassen und genossen die wiedergewonnene Freiheit oder sie standen als schlummernde Mitglieder für Sondereinsätze zur Verfügung. Aktiv war zurzeit keiner von ihnen. Antonio hatte ein ganzes Waffenarsenal in seiner Garage im Sand vergraben. Nur er und ein paar Eingeweihte waren informiert. Auf den Ernstfall wartete eine Pistole, für das Auge Fremder unsichtbar unter der Bank deponiert.

Roberto sah auf die Uhr. »Mittagspause«, murmelte er und griff in seinen Lederbeutel, um Antonio die Geldscheine, die er inzwischen eingenommen hatte, zu überreichen.

Der steckte das dicke Bündel Lira-Scheine, kaum das Papier wert, auf dem sie gedruckt waren, in seine Hosentasche, wünschte ein angenehmes Mittagsmahl – buon Pranzo – und ging wieder.

Er sah zur Bar seines Cousins Ciccio hinüber und überlegte kurz, bei ihm einen Espresso zu trinken, verwarf den Gedanken aber wieder. Den Kaffee hob er sich für seine Abendschicht nach dem Mittagsschläfchen auf. Antonio streifte kurz die unscheinbare Eingangstür, rief einen Gruß ins Innere und setzte den Spaziergang fort.

Lisabetta hatte den Tisch auf der schattigen Terrasse hinter dem Haus gedeckt. Antonio bediente sich aus der prall gefüllten Salatschüssel, belud seinen Teller mit dem nach Basilikum duftenden Pastagericht, den Hackbällchen mit Minze und warf ihr einen anerkennenden Blick zu.

Er betrachtete seine Kinder: Orest widmete sich schweigend dem Essen, Antonella stocherte gelangweilt auf ihrem mit Pasta gefüllten Teller herum. Sie hat ein Essproblem, überlegte er. Bei dem Gedanken, dass er ihren Gesichtern in der Ferienzeit die nächsten Wochen pausenlos ausgeliefert war, schauderte es ihn.

Seine Frau warf ihm ein beruhigendes Lächeln zu. »Und? Geht es voran?«, fragte sie.

Sie kannten sich so lange, dass jeder sofort wusste, wovon die Rede war.

»Sie haben alles im Griff.«

»Ich habe Gebäck vorbereitet. Für die Träger.«

Antonio nickte. Die Männer, die die Madonna mitsamt den tonnenschweren Aufbauten am Tag der Prozession stundenlang bergauf, bergab schleppten, erwartete ein Büffet mit Snacks und Wein, vorbereitet von den Frauen der Gemeinde.

Nach dem Mittagessen zog Antonio sich ins Schlafzimmer zurück. Schläfrig wartete er eine Weile auf seine Frau. Sie klapperte in der Küche mit dem Geschirr. Dann herrschte Stille im Haus.

Fast unhörbar öffnete Lisabetta die Tür. Er blinzelte sie fragend an und gab ihr ein Zeichen. Sie entkleidete sich lächelnd. Er warf Hemd und Hose auf den Boden und liebte sie. Wortlos. Leise stöhnend. Das Gesicht zwischen ihren Beinen. Sie riechen und liebkosen. Er fühlte sich besser.

Später legte sie den Kopf an seine Schulter und streichelte ihn. Sie ist doch nicht so unglücklich, seufzte er erleichtert. Irgendwann würde sie ein komfortableres Heim bekommen: das leere Haus seines Vaters.

Er küsste ihre Stirn. »Ich bin müde«, murmelte er und schlief auf der Stelle ein. Draußen zirpten die Grillen. Ihr Konzert begleitete ihn in seine Träume. Er sah Jerusalem mit den vier sephardischen Synagogen und die schmalen Gassen der Altstadt, nach Altertum riechend, und die prachtvolle Al-Aqsa-Moschee. Nächstes Jahr in Jerusalem, grinste er im Traum. Lisabetta erzählte später, er habe im Schlaf gelacht.

Bella Calabria

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