Читать книгу Bella Calabria - Barbara Collet - Страница 14
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Der Gesandte aus Rom beunruhigte die Karmeliter. Antonio nutzte den nächsten Tag, um Vertraute in sein Haus einzuladen und über den seltsamen Besuch zu debattieren. Kein Ungebetener störte. Den Kassierer der Bruderschaft, Luigi, den dicken Wichtigtuer um die sechzig, hatte er geflissentlich vergessen. Er kam aus einer wohlhabenden, einflussreichen Familie und war noch immer beleidigt, aus der Wahl zum Prior nicht als Sieger hervorgegangen zu sein. Die anderen Brüder kannte er seit der Schulzeit.
Pasquale, er zählte zu Antonios besten Freunden und war wie er selbst Anfang vierzig, hatte eine feste Anstellung in der Verwaltung von Reggio, Abteilung Umweltschutz und kulturelles Erbe. Er eröffnete zurückhaltend wie immer das Gespräch: »Ich habe mir die ganze Nacht den Kopf zerbrochen, warum dieser Pater hier aufkreuzt«, seufzte er.
»Wir müssen das in Ruhe durchgehen«, stimmte Francesco zu. Er besaß einen Schmuckladen im Zentrum der Stadt. Ein entspannter Ordensbruder. »Welche Gründe seht ihr?«
Antonio griff nach einer Zigarette und paffte nachdenklich den Rauch in die Luft. »Wieso hat er das Skalupier mit unseren Zeichen? Wisst ihr darauf eine Antwort?«
»Du musst ihn fragen, ob er irgendetwas mit einer anderen Bruderschaft der Karmeliter zu tun hat und deswegen den Umhang trägt«, meldete sich Raffaele. Er arbeitete in einem Reisebüro und hatte des Öfteren Gruppen auf Pilgerreisen begleitet. »Vielleicht kommt er aus Frankreich?«
»Nie im Leben«, protestierte Carlo. »Er hat einen spanischen Akzent. Ich weiß das, schließlich bin ich Lehrer für Fremdsprachen.«
»Spanier?«, entfuhr es allen. Sie schauten sich an.
»Carlo, das könnte bedeuten, dass er zur spanischen Fraktion des Vatikans gehört!«, rief Pino erregt. Als Journalist bei einer einflussreichen Zeitung zollte ihm die Öffentlichkeit Anerkennung wegen seiner investigativen Recherchen. Er verfolgte brandgefährliche Neuigkeiten wie ein Spürhund, der eine Fährte aufnahm.
»Was ist denn das für eine Fraktion?«, fragte Antonio.
»Opus Dei, Gründer war ein gewisser Escrivá. Ein Aal. Schlängelte sich durch die Widrigkeiten des spanischen Bürgerkrieges. Im System Franco bereitete er sein Ziel vor: Geld, Macht, verbunden mit dem Wunsch, seine Ideologie im Vatikan und weltweit zu verankern. Die zahlreichen Mitglieder arbeiten praktisch auf allen Kontinenten. Sie sind übrigens einem Bestrafungs- und Denunzierungsritual unterworfen. Man erzählt von einer fünfschwänzigen Katze, mit der sich die Mitglieder mehrmals wöchentlich auspeitschen müssen«, Pino hielt kurz inne. »Escrivá war Faschist«, fügte er hinzu.
»War?«
»Seine Leiche liegt seit 1975 in Rom im Hauptquartier der Sekte.«
»Wie meinst du das?«, fragte Carlo.
»Keine Sorge. Sie betreiben keine unmittelbare Nekrophilie. Es soll da eine Krypta geben«, spottete Pino.
»Warum sollte der zu uns geschickt worden sein?«, wiederholte Pasquale seine Frage.
»Vielleicht will er bei uns schnüffeln. Informationen sammeln. Informationen jeder Art«, überlegte Antonio.
»Wenn er zum Opus gehört, entspricht das genau ihrer Strategie«, murmelte Pino. »Übrigens: Ich erinnere mich, gelesen zu haben, dass Papst Pius XII. Opus Dei das Recht verlieh, unsere Embleme für ihre Umhänge zu benutzen. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.«
»Warum war ihnen das so wichtig?«, fragte Pasquale.
»Wegen unserer Nähe zum Berg Karmel und der heiligen Maria.«
Schweigen.
»Da war doch die Prozession von dieser Domenica kürzlich, von der alle sprachen«, sagte Pino langsam.
»Wo ist der Zusammenhang?«, fragte Carlo.
»Kalabrien ist für Rom ein schwieriges Terrain. Vielleicht hat die Kurie ihn erst einmal bei uns abgesetzt, damit er eine Ausgangsbasis hat?«, kombinierte Francesco.
»Was ist das mit dieser Prozession? Ich weiß gar nichts darüber«, bemerkte Antonio erstaunt.
»Ach, eine Frau Anfang dreißig hält sich offenbar für eine legitime Nachfolgerin Padre Pios und organisiert ganze Pilgerströme. Sie hat sogar Flugblätter und Plakate für ihren Auftritt drucken und verteilen lassen. Vor ein paar Tagen wurden vier Busse gezählt, die in der Nähe des Bahnhofs Palmi zu der Grotte Tràchina wanderten«, berichtete Pino.
Alle lachten erstaunt.
»Ich würde nicht über sie lachen«, kritisierte Pino sanft. »Sie soll wahre Wunder vollbracht haben, erzählt man sich. Sie hat schon einige Kranke kuriert, solche, denen es richtig schlecht ging vorher.«
»Meinst du, dass Rom schon darauf aufmerksam geworden ist?«, fragte Carlo.
»Vielleicht. Oder es ist Zufall, dass der Padre gerade eintraf, als sie ihre Pilger empfing. Andererseits haben sie ihre Ohren überall, vor allem, wenn es um Macht geht. Der Vatikan braucht vermutlich keinen neuen Heiligen«, gab Pino zu bedenken, »Padre Pio reicht völlig. Und hier geht es auch noch um eine Frau …«
»Was riskiert unsere Heilige denn schon! Was kann Rom sich als Strafe ausdenken? Hexenverbrennung gibt es ja nicht mehr«, witzelte Giuseppe. Er besaß eine renommierte Pharmazie im Ort und hegte – berufsbedingt – Sympathie für die weisen Frauen, seiner Ansicht nach beste Kennerinnen der Pflanzenwelt.
»Nein, aber sie kann einem Inquisitor unterworfen und exkommuniziert werden. Das ist fast das Gleiche, jedenfalls hier in unserem Land«, schloss Antonio die Debatte.
»Vor allem für die Familie gar nicht amüsant«, fügte Pasquale mit düsterem Gesicht hinzu.
Die Brüder beschlossen, Informationen einzuholen und dem Besucher gegenüber zurückhaltend zu bleiben.