Читать книгу Der Wind in meinen Federn - Barbara Eckhoff - Страница 7
Kapitel 3
ОглавлениеIsabella hatte ihr Sonntagskleid gegen ihr Reitkostüm eingetauscht. Es war so ein herrlicher Frühlingstag, dass sie sich ein paar Stunden stehlen und einen Ausritt wagen wollte. Es war der Erste seit dem langen Winter und es würde ihr und ihrer Stute Tipsy gut tun, von der Ranch zu kommen. Nachdem der Reverend nicht nur zum Apfelkuchen, sondern auch zum Mittagessen geblieben war, hatte er sich jetzt auf den Weg nachhause gemacht und Isabella blieb ein bisschen Zeit, bevor sie sich um das Abendessen kümmern musste.
Mit Louisa hatte sie abgemacht, pünktlich wieder da zu sein. Schnell war sie in ihren braunen Winterreitrock geschlüpft, der aus schwerer Wolle geschneidert war. Dazu passend trug sie eine weiße Bluse mit langen Ärmeln und hohem Kragen. Gegen die noch frischen Temperaturen zog sie ihre moosgrüne Jacke aus warmer Winterwolle an, welche ihr bis zur Hüfte reichte und nach hinten ein längeres Schößchen hatte. Abgerundet wurde ihr Erscheinungsbild mit warmen, aus Wolle gefütterten, braunen Reitstiefeln,
schwarzen Handschuhen, einem keck um den Hals gebundenen lindgrünen Schal und einem nicht ganz zum eleganten Kleidungsstil passenden aber sehr praktischen Cowboyhut, unter dem sie ihr langes, kastanienbraunes Haar versteckte.
Mit einem letzten, zufriedenen Blick in den Spiegel, verließ sie ihr Zimmer und machte sich auf den Weg zum Stall. Normalerweise machte sie nicht so viel Aufheben um ihr Aussehen, aber heute war ein schöner Tag und sie freute sich auf ihren Ausritt. Warum also sich nicht auch mal schick anziehen. Die Gelegenheiten auf einer Ranch waren da nicht sehr häufig vorhanden. Mit einem Lächeln auf den Lippen und einer kleinen Melodie im Kopf kam sie am Stall an.
Die Stallungen gehörten zu einem großen Scheunen Komplex, der sich in der Nähe des Haupthauses befand. Eine Scheune beherbergte die Pferde, die für die Rancharbeit genutzt wurden. Gleich dahinter befanden sich mehrere Koppeln, auf denen jetzt die Pferde grasten und etliche kleine und größere Paddocks, in denen die Cowboys neue Pferde zuritten oder Rinder zum Branding hineintreiben konnten.
In einem kleinen Paddock etwas abseitsstand ein rabenschwarzer Hengst und beobachtete sie aus aufmerksamen Augen. Die Ohren gespitzt, verfolgte er jede Ihrer Bewegung. Sie überlegte und hielt kurz inne, bevor sie sich dem Tier zuwandte. Langsam ging sie auf das kleine Paddock zu. Sofort setzte sich das Tier in Bewegung und lief unruhig umher. Ihr Vater hatte den wilden Mustang vor einer Woche eingefangen und mit hierher gebracht. Eigentlich wollte er ihn längst für sich zugeritten haben aber das Tier war der Teufel in Person, denn es hatte bisher niemanden an sich herangelassen und stieg bedrohlich, sobald man sich ihm nur näherte. Auch jetzt schnaubte er, warf seine schwarze Mähne wild hin und her und tänzelte am Boden. Isabella hielt an. Sie war nur noch wenige Meter vom Zaun entfernt und konnte die diabolischen Augen des Tieres erkennen. Es war ein wunderschönes Tier, doch leider unreitbar und sie fragte sich, als sie kehrt machte und zum Stall zurückging, was ihr Vater mit ihm vorhatte. Nun, heute würde sie sich mit ihrem eigenen Pferd ein paar schöne Stunden machen.
Ihre Fuchsstute wieherte schon fröhlich, als sie sie den Gang hinunter kommen hörte. Tipsy war eine gutmütige, schnelle Fuchsstute, die Isabella als kleines Fohlen zu ihrem fünften Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Seitdem waren sie ein Herz und eine Seele und verstanden sich blind, wenn sie gemeinsam ausritten.
„Na meine Schöne? Wollen wir heute einen Ausritt machen? Es ist so schön draußen. Es wird dir gefallen, den Wind durch die Mähne pusten zu lassen.“
Freudig rieb die Stute ihre Nüstern an Isabellas Arm und wieherte zustimmend, als ob sie verstanden hätte, was sie soeben gehört hatte.
Es dauerte nicht lange, da hatte Isabella ihr Pferd gesattelt und aus dem Stall geführt. Gekonnt schwang sie sich in den Sattel und lenkte ihre Stute in Richtung Haupthaus, da ihr Großvater gerade aus der Haustür gekommen war.
„Willst Du einen kleinen Ausritt wagen?“
„Ja, es ist herrlich heute und ich war schon lange nicht mehr los.“
„Reite aber nicht zu weit. Hast Du das Gewehr mit? Für alle Fälle?“
Sie griff an ihren rechten Oberschenkel und zog aus dem Gewehrholster den Gewehrschaft ein bisschen heraus, damit ihr Großvater das Gewehr sehen konnte.
„Es ist alles da, ich bin in ein paar Stunden wieder daheim. Bis später.“
Damit schob sie das Gewehr wieder zurück ins Holster, tippte sich an den Hut zum Gruß und gab ihrer Stute das Kommando zum Trab. Freudig trabten sie beide davon.
Die Sonne schien strahlend vom Himmel und nicht eine kleine Wolke trübte das Wetter. Zuerst war sie ein gutes Stück an dem Zaun der Rinderweide entlang geritten und hatte etliche Cowboys ihres Vaters bei der Arbeit gesehen. Die Ranch lag in einer Art Hochtal. In der Ferne konnte man rechts und links der Ranch, Wälder, Hügel und hohe Bergketten erkennen. Dazwischen lag die Ranch mit ihren weit reichenden Weiden. Dann hatte sie einen kleinen aber scharfen Galopp über die endlose Weite der angrenzenden Prärie gemacht, bis sie nun auf einem Hügel pausierte und sich um sah. Von hier oben hatte sie einen atemberaubenden Blick auf ihr Zuhause. So weit das Auge reichte, sah man kleine schwarze Punkte auf der Prärie grasen. Es waren die Rinder ihres Vaters. Das Ranchhaus konnte man schon nicht mehr sehen.
„Das war herrlich, nicht wahr Tipsy? Komm wir reiten weiter.“
Glücklich klopfte sie dem Tier auf den Hals und Tipsy schnaubte zufrieden. Sie lenkte ihr Pferd in den angrenzenden Wald und ritt langsam hinein. All zu weit wollte sie nicht mehr reiten, da sie ja versprochen hatte pünktlich wieder zurück zu sein, aber sie beide genossen den Ausritt so sehr, dass sie sich entschied, ihn noch ein bisschen auszudehnen. Sie liebte den Duft des Waldes.
Die zarten, lindgrünen Knospen der neuen Blätter an den Bäumen. Ihr Pferd trug sie sicher auf dem kleinen Trampelpfad um die Bäume herum. Irgendwo oberhalb in den Bäumen saßen Vögel und sangen ihr Frühlingslied. Sie erschrak kurz, als zwei Hasen vor ihr aus dem Gebüsch sprangen, doch Tipsy ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Frech setzten sich die beiden Hasen vor ihnen auf den Waldboden und beobachteten die Näherkommenden, bevor sie dann mit einem Satz plötzlich im Unterholz verschwanden. Lachend ritt sie weiter. Ein Reh tauchte im Unterholz auf und verschwand darauf gleich wieder aus ihrem Blickwinkel. Die ganze Natur war aus dem langen Winterschlaf erwacht. Sie genoss die friedliche Stimmung, die hier herrschte. Wie gerne wäre sie noch länger geblieben aber sie musste sich auf den Heimweg machen. Isabella kannte sich hier gut aus. Wie oft war sie schon diesen Weg entlang gekommen. Nur noch ein kurzes Stück, dann würde der Wald sich öffnen und ein kleiner Pfad würde die Böschung hinab führen, wo sie dann am Wald entlang auf freier Prärie zurück zur Ranch reiten konnte.
Plötzlich hielt Tipsy abrupt an und fing an nervös zu wiehern. Isabella schaute sich um, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken. Beruhigend versuchte sie, auf das immer nervöser werdende Tier einzureden.
„Ruhig, Tipsy. Was ist es, was dich nervös macht? Komm wir reiten weiter.“
Doch das Tier ließ sich nicht vom Fleck bewegen. Stattdessen fing es an, laut zu wiehern und nervös auf der Stelle zu tänzeln. Isabella zog langsam das Gewehr aus dem Holster und machte sich innerlich bereit, einen Schuss abgeben zu müssen. Was immer um sie herum war, sie musste versuchen Tipsy aus dem Wald zu treiben.
Sie hatte diesen Gedanken noch nicht ganz beendet, da sprang wie aus dem nichts ein Puma auf den Hals ihres Pferdes und biss dem Tier in den Nacken. Wild vor Schmerz bäumte sich das Tier auf, schüttelte krampfhaft mit dem Hals und versuchte das Tier abzuschütteln. Isabella hatte entsetzt aufgeschrien, als der Puma vor ihr auf das Pferd gesprungen war. Die Schrecksekunde, die es gedauert hatte, bis sie die Situation erkannt hatte, hatte der Puma genutzt um sich am Pferdehals fest zubeißen. Schießen konnte sie nicht, dafür war der Puma zu nah, doch sie versuchte ihn, mit dem Gewehrkolben vom Pferd zu schlagen. Mit aller Kraft schlug sie auf das Tier ein, der Puma ließ vom Hals des Pferdes ab und krallte nun seine eine Tatze tief in Ihren Oberschenkel, während er mit seinen spitzen Zähnen ihrem Körper näher kam. Schmerzlich schrie sie auf und panisch hieb sie weiter und weiter mit dem Gewehr auf den Puma ein.
In diesem Moment setzte sich Tipsy in Bewegung, um dem Puma zu entkommen. Doch dieser hatte sich wieder in ihrem Hals festgebissen. Mit großer Mühe konnte sie sich auf dem Pferd halten und versuchte gleichzeitig die Bestie abzuschütteln. Tipsy wurde schneller und schneller. Isabella hielt in der einen Hand die Zügel und zugleich das Sattelhorn um sich Halt zugeben, während die andere Hand versuchte mit dem Gewehrkolben den Puma zu treffen, der immer noch am Hals hing. Geduckt, um nicht von den Ästen der Bäume aus dem Sattel gehoben zu werden, sah sie vor sich das Ende des Waldes kommen.
Bis zur offenen Prärie musste sie es schaffen, dann würde sie sich besser bewegen können, doch bis dahin schien endlose Zeit zu vergehen. Endlich hatte Tipsy die Böschung erreicht und galoppierte in wildem Tempo hinunter. Isabella drohte Gefahr den Halt zu verlieren. Sie war eine gute Reiterin und saß seit Kindesbeinen an im Sattel, doch auf diese Extremsituation war sie nie vorbereitet worden. Sie krallte sich mit den Oberschenkeln am Pferd fest und war froh, als sie auf ebenem Boden angekommen waren. Doch anstelle, das Tipsy in Richtung Ranch ritt, fegte sie die Prärie in der entgegengesetzten Richtung entlang. Nun konnte sie sich aufrichten. Sie band die Zügel um den Sattelknauf, damit sie sie nicht verlor und nahm das Gewehr in beide Hände. Mit der restlichen Kraft, die sie noch hatte, holte sie mit dem Gewehr aus und schlug dem Puma mit voller Wucht den Kolben auf den Kopf. Dieser ließ endlich fauchend von dem Tier ab und mit einem gleich darauf folgenden zweiten Hieb flog der Puma in hohem Bogen vom Pferd. Innerlich atmete Isabella auf.
Sie hatte es geschafft, die gefährliche Bestie abzuschütteln. Schnell verstaute sie das Gewehr wieder in dem Schaft unter ihrem Oberschenkel und nahm die Zügel wieder auf. Nun musste sie nur noch Tipsy beruhigen und in Richtung Ranch lenken, doch das Tier war so in Panik, das es weder auf die beruhigenden Worte von ihr noch auf die Zügelhilfen reagierte. Im Gegenteil jetzt auf dem offenen Gelände legte das Tier noch an Tempo zu. Sie entfernten sich im mörderischem Tempo Meile um Meile mehr von der Ranch und die Umgebung wurde immer fremder für sie.
Auf der Anhöhe zügelte er sein Pferd. Der Wald lag endlich hinter ihm und gab ihm nun einen freien Blick auf die atemberaubende Landschaft unter ihm. Lange war er unterwegs gewesen und seine Mission betreffend war er in der Zwischenzeit keinen Schritt vorangekommen.
Etwas unentschlossen, wohin er sich nun wenden sollte, stand er auf dieser Anhöhe und ließ den Zauber der Natur auf sich wirken. Zwischen dem kleinen Bergrücken, auf dem er jetzt stand und der tiefen Schlucht, die sich ein paar hundert Meter entfernt von ihm auftat, lag grüne Prärie. Sein Blick schweifte nach links, wo er sah, dass die Schlucht dort breiter wurde und die Prärie endete. Dort käme man nur weiter, wenn man einen Weg hinunter finden würde und die Schlucht es zuließe, dass man in ihr reiten könnte.
Nach rechts sah das Gelände eher aus, als könnte man dort hin seinen Weg fortsetzen. Gerade als er sein Pferd in diese Richtung den Hügel hinab lenken wollte, zog eine Staubwolke am Horizont seine Aufmerksamkeit auf sich. Was konnte es sein, was in scheinbar schnellem Tempo auf ihn zu kam. Eine Büffelherde? Nein, dazu war die Staubwolke nicht groß genug.
Er hatte schon viele Büffelherden gesehen, und wenn sie kamen, dann bebte der Boden und die Staubwolken waren riesig. Sein geübter scharfer Blick erkannte plötzlich einen einzelnen Reiter, doch was trieb diesen Reiter in diese Gegend mit solcher Geschwindigkeit. Langsam gab er seinem Pferd das Kommando den Hügel hinab zu steigen. Er wollte sich nicht zu früh dem entgegenkommenden Reiter zu erkennen geben. Unten angelangt suchte er hinter einem Busch Deckung und konnte von hier aus beobachten, dass der Reiter sein Tempo nicht verringert hatte und aus seiner Sicht extrem gefährlich am Abgrund entlang preschte. Der Reiter musste wahnsinnig sein. Er konnte jeden Augenblick mit einem Fehltritt des Pferdes in den Abgrund stürzen.
Nun war das Pferd auf seiner Augenhöhe und er erkannte, dass der Reiter eine Frau war, die scheinbar die Kontrolle über Ihr Tier verloren hatte. Ohne lange zu fackeln, hieb er seinem Pferd die Fersen in die Flanken und preschte in wildem Galopp der Reiterin hinterher.
Das Pferd war schnell, doch gegen seinen Mustang kam es nicht an und so machte er Meter für Meter an Boden gut. Die Reiterin schien weder ihn schon bemerkt zu haben, noch war sie sich der Gefahr bewusst, in der sie schwebte. Jeden Augenblick konnte sie das Gleichgewicht verlieren, oder ihr Pferd konnte mit ihr, in die Schlucht stürzen. Mit einem Blick nach vorne sah er, dass sie sich dem Ende näherten, an dem die Schlucht sich mit dem Bergrücken vereinte und das Gras endete.
Das Tier der Reiterin preschte ohne Halt
weiter darauf zu. Er erkannte den panischen Blick in den Augen des Pferdes und wusste, dass er die Frau vom Pferd holen musste. Mit den indianischen Worten, die er seinem Pferd ins Ohr flüsterte, verschärfte das Tier sofort noch einmal sein Tempo. Langsam schob er sich links neben das panische Tier und ritt nun fast gleichauf mit ihm. In diesem Moment erhaschte die Frau einen Blick auf ihn und riss angstvoll die Augen auf. Gerade als sie mit ihrer rechten Hand das Gewehr ziehen wollte, lenkte er sein Pferd direkt neben das ihre, beugte sich zu ihr hinüber, schlang seinen rechten Arm um ihre zierliche Taille und hob sie mit einem gekonnten Griff aus ihrem Sattel. Er warf sie sich direkt über den Hals seines Tieres. Schnell riss er die Zügel herum und ließ seinen Mustang noch ein paar Meter auslaufen, bevor er das Tier zum Stehen brachte. Dann ließ er sich elegant vom Pferd gleiten und zog die vor sich her strampelnde Frau vom Pferd.
Dadurch, dass sie wild um sich schlug und er in dem Moment von ihr abließ, verlor sie das Gleichgewicht und landete auf ihrem Hinterteil. Mit einem Aufschrei versuchte sie sich aufzurappeln, doch ihre Beine versagten ihr den Gehorsam und so landete sie wieder auf dem Fußboden. Verzweifelt und von Angst getrieben, robbte sie langsam von dem Angst einflößenden Indianer weg, der jetzt ganz ruhig neben seinem schwarzen Hengst stand und sie genau beobachtete.