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Kapitel 5

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Inzwischen war es dunkel geworden und auf der Ranch herrschte helle Aufregung. Isabella war längst überfällig von ihrem Ausritt und inzwischen waren nicht nur James und William unterwegs, um nach ihr zu suchen, sondern auch die Cowboys der Ranch hatten Suchtrupps gebildet. Louisa war im Haupthaus geblieben, falls sie in der Zwischenzeit auftauchen würde, und vertrieb sich nun die bange Zeit mit Essensvorbereitungen. Wenn die Männer wiederkamen, würden sie alle Hunger haben. Gott, hoffentlich war dem Mädchen nichts zugestoßen. Das würden weder James noch William überleben, wenn dem einzigen Kind und Enkelkind etwas passieren würde. Doch es musste etwas geschehen sein. Es war nicht Isabellas Art, unpünktlich zu sein. Auf das Mädchen war immer Verlass. Hoffentlich würden die Männer sie finden, und gerade als sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, hörte sie Hufgetrappel vor dem Haus. Schnell eilte sie zur Tür und riss diese soeben auf, als James und William und die restlichen Cowboys von ihren müden Pferden stiegen.

„Habt ihr sie gefunden?“

„Nein, leider nicht. Wir haben die gesamte nähere Umgebung abgesucht aber nichts gefunden und jetzt ist es dunkel und wir können nichts mehr sehen.“

„Kommt erst einmal rein. Ich habe Essen auf dem Tisch und einen guten Kaffee, der euch wieder aufwärmt. Ihr könnt dann in Ruhe planen, was ihr als Nächstes tun könnt.“

„Ja, vielleicht hast du Recht. Männer, wir machen erst einmal Rast und die Tiere brauchen auch eine Pause!“

Mit diesen Worten gingen James und William mit sorgenvollen Blicken voran und die Cowboys folgten ihnen. Während des Essens hing ein jeder seinen Gedanken nach und somit war es wohl die schweigsamste Mahlzeit, die in diesem Hause je eingenommen worden war. Als alle gestärkt waren und nur noch mit ihren Kaffeetassen am Tisch saßen, meinte Malcolm, der Ehemann von Louisa und Vormann der Arbeiter, zu James:“ ich weiß es hört sich jetzt hart an, aber ich glaube, wir haben heute Abend keine Chance mehr, sie zu finden. Es ist bereits dunkel da draußen und wir haben ihre Spur bis zum Wald verfolgen können. Im Wald können wir aber heute Nacht nichts mehr ausrichten und ich denke, wir sollten morgen bei Sonnenaufgang uns gleich wieder auf den Weg machen. Da stehen unsere Chancen besser. Was meinst du?“

William sah James erwartungsvoll an, und wenn es auch seine Enkeltochter war, die es zu finden galt, musste er innerlich seinem Vormann Recht geben. Sie hatten jetzt alles abgesucht und bis zur Dunkelheit nichts von ihr gefunden. Morgen Früh hätten sie da mehr Chancen. James sah ihn an und erkannte in dem Blick seines Vaters die gleiche Antwort, die er jetzt schweren Herzens geben musste.

„Du hast Recht. Wir können heute Nacht nichts mehr ausrichten und werden gleich morgen Früh die Suche fortsetzen. Geht und nutzt die Stunden zum schlafen, bevor wir wieder aufbrechen.“

Die Cowboys verabschiedeten sich und James meinte zu William gerichtet:“ ich hoffe, ich mache das Richtige. Ich mache mir schreckliche Sorgen. Ich weiß nicht, was ich tue, wenn ihr was zugestoßen sein sollte.“

„Denk nicht gleich an das Schlimmste. Isabella ist klug und kein Kind mehr. Sie wird die Nacht im Freien verbringen. Sie kann sich Schutz suchen und sie hat ein Gewehr mit. Und du wirst sehen, morgen finden wir sie. Vielleicht hat sie sich nur verirrt und wartet ebenfalls bis zum Morgen, damit sie den Weg wieder zurückfindet. Mach es Deinen Männern gleich und versuch ein wenig zu schlafen.“ Mit diesen Worten schob er seinen Sohn fast die ersten Stufen zum Obergeschoss hinauf.

Isabella erwachte, weil ihr der Duft von Leder und Pferd in die Nase stieg. Sie brauchte eine Weile, bis sie registrierte, dass sie weiterhin auf dem Pferd des Indianers sass, welches sie sicher durch die dunkle Nacht trug. Sie musste eingeschlafen sein, denn das Letzte, woran sie sich erinnerte war, dass er sie auf sein Pferd gehoben hatte und mit ihr in die Richtung geritten war, aus der sie gekommen war. Nun bemerkte sie, dass sie sich an ihn geschmiegt hatte und ihr Kopf an seiner breiten Brust lag. Sofort hob sie den Kopf und rückte ein wenig von ihm ab. Bei dieser abrupten Bewegung verstärkte er automatisch seinen Griff um ihre Taille und hielt sie so an sich fest, gleichzeitig versuchte er, sie zu beruhigen.

„Schhh!“ vorsichtig strich er mit seiner Hand über ihre weichen Haare. Isabella erschrak ein wenig bei dieser zärtlichen Geste und stellte fest, dass sie Ihren Hut nicht mehr trug. Dieser baumelte jetzt lose an der Seite ihres Sattels, denn er hatte ihn ihr abgenommen, damit sie sich an ihn schmiegen konnte. Langsam beruhigte sie sich wieder und ließ es zu, dass er sie wieder an seine Brust zog. Sie versuchte sich zu entspannen, was ihr merkwürdigerweise nicht so recht gelingen wollte. Noch nie hatte sie so eng mit einem Mann gesessen. Hatte den Körper eines Mannes durch ihre Kleidung gespürt.

Durch die Bewegung des Pferdes und der Nähe zu ihm konnte sie jeden Einzelnen seiner Muskel fühlen. Seine Brust war muskulös und seine Arme stark. In der Dunkelheit konnte sie sein Gesicht nicht richtig erkennen aber das er sehr markante Gesichtszüge mit ausgeprägten Wangenknochen hatte, hatte sie vorhin schon bemerkt gehabt. Das Interessantestes an ihm waren jedoch seine Augen. Sie hatte noch nie einen Menschen mit so strahlend blauen Augen gesehen und diese zogen sie irgendwie magisch in ihren Bann. Inzwischen hatte sie auch nicht mehr das Gefühl, als würde er Ihr Gewalt antun wollen. Doch wohin er mit ihr ritt, wusste sie auch nicht. Sie wollte ihn fragen doch wie sollte sie sich mit ihm verständigen. Sie sprach nicht seine Sprache, und ob er sie verstand, wusste sie nicht, da er bisher noch kein Wort mit ihr geredet hatte.

„Wo bringst du mich hin?“ Sagte sie mehr zu sich selbst als an ihn gewandt. Trotzdem zügelte er sein Pferd und hielt an. Isabella richtete sich auf. Wiederholte ihre Frage und sah ihn dabei fest in die Augen.

„Wo bringst du mich hin?“

Es kam keine Antwort. Er schaute sie an, verstand aber nicht was sie sagte. Sie versuchte es weiter.

„Wie heißt du?“

Sie klopfte sich mit ihrer Hand auf die eigene Brust und sagte dabei „Isabella“.

Dies wiederholte sie ein paar Mal, bis es schien, das er kapiert hatte, denn er antwortete plötzlich mit einer tiefen, extrem männlichen Stimme:

„Chágha tho“

„Chágha tho?“

Er nickte zustimmend.

„Ich bin Isabella und du Chágha tho.“ Sie strahlte und das erwärmte plötzlich sein Herz und er lächelte leicht zurück. Insgeheim musste Isabella schmunzeln.

Der erste Schritt zur Völkerverständigung war gemacht.

Langsam merkte sie auch, wie die kühlen Nachttemperaturen in ihre Knochen krochen, denn sie fing an zu zittern. Auch er musste das gespürt haben, denn er griff plötzlich hinter sich und zog die Decke, auf der sie vorhin gesessen hatte hervor und legte sie sich beiden um. Dankbar für diese Geste, schmiegte sie sich wieder näher an ihn ran und zog die Decke fest um sich. Irgendwie konnte sie es sich nicht erklären, doch sie hatte keine Angst mehr vor ihm. Er war ihr fremd, ja und sie wusste nicht, was er vorhatte. Sie konnte sich nicht mit ihm verständigen, aber irgendetwas Beruhigendes ging von ihm aus.

Bis jetzt hatte er auch keine Anstalten gemacht, dass er Böses im Schilde führte. Insgeheim hoffte sie nur, dass er sie nachhause bringen würde und nicht zu seinen Leuten. Wohin er ritt, konnte sie in der Dunkelheit nicht erkennen, er aber schien genau den Weg zu kennen. Sie hatte keine Ahnung, wie er es schaffte, in der Nacht seinen Weg zu finden. Total erschöpft und müde, merkte sie wie das leichte Geschaukel des Pferdes sie einschlummern ließ.

Chágha tho hielt die weiße Frau fest an sich gedrückt, damit sie ihm nicht vom Pferd fiel. Sie zitterte wie Espenlaub und war ganz kalt. Durch die Nähe zu ihm und der Decke um sie beide herum würde sie hoffentlich wieder ein bisschen aufwärmen. Der Angriff des Pumas, der Verlust ihres Pferdes und die Verletzung zerrte an ihrem Körper und er merkte, wie sie immer wieder wegnickte. Er folgte den Spuren ihres Pferdes und würde sie damit nachhause bringen. Auch wenn er aus einem unerklärlichen Grund es schade fand, sie gehen lassen zu müssen.

Diese Frau war keine Indianerin und gehörte zu ihres Gleichen. Irgendwo musste sie hier wohnen. Er glaubte nicht, dass sie all zu weit weg wohnte. Sie war nicht für einen langen Ritt angezogen und machte auch sonst nicht den Eindruck, dass sie schon lange unterwegs gewesen war. Welcher Mann ließ seine Squaw so alleine durch die Wildnis reiten. Wenn sie seine Frau wäre, dann……er war überrascht über sich selbst. Hatte er jemals zuvor schon mal darüber nachgedacht gehabt, sich eine Frau zu nehmen?

Wieso kam er gerade jetzt auf diesen Gedanken? Vielleicht lag es daran, dass es sich gut anfühlte, wie sie da so an seine Brust gelehnt, vor ihm sass. Oder war es vielleicht der Duft ihres Haares, der ihm in die Nase stieg. Ihr Haar roch wie eine Wildblumenwiese im Frühling und es war so weich. Als er es vorhin berührt hatte, hätte er am liebsten gar nicht aufgehört, seine Finger durch ihr Haar zu führen. Sie war wunderschön. Ihre Gesichtszüge waren so fein und die grünen Augen konnten bedrohlich funkeln. Er fand, dass sie eine Mischung aus einem scheuen Reh und einer Wildkatze war und das gefiel ihm. Vorhin hatte sie große Angst vor ihm gehabt und da hatte er sehen können, dass sie eine Kämpferin war. Er hatte gewusst, dass sie sich bis zum blutigen Ende verteidigt hätte und das hatte ihm imponiert. Nun schien sie aber ihre Angst ihm gegenüber abgelegt zu haben und er wusste, nicht so recht ob er das gut oder schlecht fand. Einerseits genoss er es, dass sie jetzt an seiner Brust schlief.

Andererseits beängstigte es ihn auch, denn er entwickelte plötzlich Gefühle, die er nicht kannte und verstand. Wahrscheinlich könnte er besser mit ihr umgehen, wenn sie weiterhin Angst vor ihm hätte. Es wurde Zeit, das er sie wieder los wurde. Zur Rechten hatte sich ein Waldgebiet aufgetan und er entschied sich dafür nicht hinein zureiten, sondern dem Waldstück auf freiem Gelände zu folgen. In der Dunkelheit war es leichter und besser so.

Es dauerte nicht lange, da konnte er kleine, schwarze Umrisse vor sich erkennen. Als sie näher kamen, sah er das es Rinder waren, die in einiger Entfernung zu ihnen eingezäunt auf der Prärie standen. Das musste ihr Zuhause sein. Er folgte dem Zaun und kam kurz vor Sonnenaufgang mit seinem Pferd am Eingangstor der Ranch an. Bis auf Rinder konnte er nichts sehen. Ein Haus war von hier nicht zu erkennen. Dennoch würde er sie hier abliefern. Von hier aus würde man ihr weiterhelfen, wenn es nicht ihre Farm war, auf der sie lebte. Er hielt sein Pferd an und rüttelte Isabella leicht wach.

Sie blickte auf, schaute sich um und sah, dass er sie heimgebracht hatte. Ohne ein weiteres Wort stieg er vom Pferd, hob sie herunter und stellte sie auf den Boden. Doch ihr verletztes Bein gab nach und so konnte er sie gerade noch auffangen, bevor sie auf den Boden gefallen wäre. Er setzte sie nieder, nahm Ihren Sattel von seinem Pferd und legte diesen neben sie. Dann deutete er ihr an, sich darauf zu setzen. Er würde sie hier lassen, auf das Gelände würde er nicht reiten, dies konnte zu gefährlich für ihn werden. Immerhin war er ein Indianer und die Weißen waren nicht wirklich freundlich ihnen gegenüber gesinnt. Er war sich sicher, dass sie hier nicht lange sitzen würde und so schwang er sich ohne eine weitere Geste auf sein Pferd und wollte schon von dannen reiten, als Isabella aufsprang und seine Zügel griff.

„Ich weiß, du kannst mich nicht verstehen, aber ich möchte dir trotzdem danken. Danke, dass du mich nachhause gebracht hast. Ich habe bisher keine Erfahrungen mit Indianern gemacht und weiß auch nicht, wie ich Danke sagen kann in deiner Sprache, aber ich sag es dir in meiner Sprache.“ Sie ergriff seine Hand und schaute ihm fest in diese wahnsinnigen eisblauen Augen, die sie jetzt forschend anschauten. Ein Gefühl der Zuneigung durchströmte sie.

„Danke Chágha tho. Danke.“ Sie ließ langsam seine Hand los und wollte gerade noch etwas sagen, als sie hinter sich Hufgeräusche hörte. Der Indianer hatte sie auch gehört, denn er formte mit seiner Hand einen indianischen Gruß, hieb seine Fersen in die Flanke seines Pferdes und preschte dem Wald entgegen. Isabella schaute ihm nach, bis er im Wald verschwunden war. Irgendwie war sie traurig, dass er gegangen war, so absurd es auch klang. Doch lange währte diese Traurigkeit nicht, weil sie von dem ankommenden Trupp, angeführt von Ihrem Vater und Großvater freudestrahlend in Empfang genommen wurde.

„Mein Gott, Isabella, was ist passiert? Wo ist Dein Pferd? Bist Du verletzt?

„Oh Papa!“ mit diesen Worten warf sie sich in die offenen Arme ihres Vaters, der bereits vom Pferd gesprungen und auf sie zugekommen war. Er hob sie auf sein Pferd und gab einem seiner Cowboys den Auftrag, den Sattel und das Gewehr mitzunehmen. Zusammen ritten sie dann zum Haupthaus zurück.

Aus sicherer Entfernung hatte Chágha tho die Szene beobachtet. Aus einem für ihn unerklärlichen Grund hatte er auf einer Anhöhe im Wald halt gemacht und die Ankunft der Reiter beobachtet. Nun saß er neben seinem grasenden Pferd und machte keine Anstalten weiterreiten zu wollen. Er war neugierig geworden. Was für Menschen lebten dort und konnten sie ihm vielleicht bei seiner Mission helfen?

Der Wind in meinen Federn

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