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Kapitel 4

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Oh Gott, sie war verloren! Der Puma allein war schon schlimm gewesen, aber nun hatte sie es mit Indianern zu tun und sie wusste aus den Erzählungen ihres Großvaters, das diese Kreaturen mit Frauen kein Mitleid hatten. Sie wusste das die Krieger, Frauen vergewaltigten, ihnen den Skalp nahmen und sie dann oft töteten oder sie mit den schweren Verletzungen einfach liegen ließen, bis die Natur ihr Werk beendete. Was immer ihr jetzt bevorstand, würde grausig werden und ihren Tod hervorrufen. Sie sah sich panisch um. Im Moment sah sie nur ihn. Wo waren die Anderen?

Ein Indianer kam meistens nie allein. Doch bisher konnte sie nur ihn sehen und er stand ganz ruhig neben seinem großen, schwarzen Pferd und beobachtete sie. Er machte keine Anstalten, dass er sich ihr nähern wollte. Was führte er im Schilde? Worauf wartete er? Sollte es so eine Art Spiel werden? Ihre Ängste weiter schüren, war das der Anreiz, den er brauchte, um sein grausiges Werk an Ihr zu vollbringen? Isabella versuchte sich zu beruhigen. Es half ihr nichts, wenn sie weiterhin in Panik verfiel.

Bisher konnte sie nur ihn sehen und vielleicht konnte sie ihm irgendwie entkommen. Wenn sie auf ihr Pferd wieder käme, dann hätte sie eventuell eine Chance, denn da war ihr Gewehr am Sattel. Schnell blickte sie sich um, doch sie konnte Tipsy nirgendwo sehen. Wo war ihr Pferd geblieben? Ernüchternd musste sie feststellen, dass weit und breit nur der Indianer mit seinem Pferd und sie hier waren. Könnte sie es schaffen, ihn zu überlisten, um sein Pferd zu stehlen? So groß und stolz, wie er da stand und sie beobachtete, hatte sie nicht wirklich vertrauen in ihre Idee. Er schien jung zu sein, nur ein paar Jahre älter als sie selbst es war und seine äußere Gestalt zeigte ihr, dass er unter seiner indianischen Kleidung recht muskulös sein musste. Er würde also wahrscheinlich flink und stark sein und sie nicht so ohne Weiteres an sein Pferd lassen. Es musste einen anderen Weg geben.

Isabella saß nun ein kleines Stück von ihm entfernt im Gras und wollte gerade wieder versuchen aufzustehen, als ein heftiger Schmerz durch ihren Oberschenkel fuhr. Sofort sank sie mit einem Aufschrei zu Boden. Sie musste sich verletzt haben. Doch sie konnte unmöglich hier nach ihrem Bein sehen, wo sie dazu den Rock hätte lüften müssen, um an die Stelle zu kommen. Mit schmerzverzogenem Gesicht kauerte sie nun auf dem Boden und beobachtete, wie der Indianer sich seinem Pferd zu wandte, eine Decke und einen kleinen Lederbeutel vom Pferd nahm und in langsamen Schritten auf sie zu kam. Innerlich betete sie zu Gott, dass er ihr beistehen sollte. Was immer auch jetzt passieren würde, kampflos würde sie sich nicht ergeben. Und wenn es das Letzte wäre, was sie auf dieser Erde tun würde, es würde auf alle Fälle auch die Hölle für ihn werden. Bis zum bitteren Ende.

Sie wappnete sich innerlich für einen Angriff, doch der Indianer blieb kurz vor ihr stehen und breitete die Decke vor ihr aus. Dann zog er sie mit einem schnellen Griff, der total überraschend für sie kam und ihr einen Angstschrei entweichen ließ, auf die Decke. Sie wollte sich gerade seinem Zugriff entziehen, als er sich neben sie auf die Decke kniete, sein langes Messer aus der Scheide zog und ihr deutete, dass sie Ruhe geben sollte. Vollkommen eingeschüchtert von dem Anblick des Messers vor ihrem Körper und dem energischen Blick seiner merkwürdig stahlblauen Augen, kehrte eine plötzliche Starre bei ihr ein, sodass sie sich nicht bewegen konnte.

Als er aber nun anfing, ihren Rock an der Stelle zu heben, an der der Schmerz war, war es mit der Ruhe bei ihr vorbei. Sie schlug nach ihm und versuchte sich seinem Griff zu entziehen. Doch es half alles nichts, er legte die Stelle an ihrem Oberschenkel frei und nun konnten sie beide sehen, dass zwei tiefe Bissstellen und ein langer Kratzer die Schmerzen hervor riefen. Der Puma hatte ihr also in den Oberschenkel gebissen und mit einer Pranke die Haut aufgerissen. Das hatte sie in ihrer Panik gar nicht so mitbekommen. Der Indianer griff in seinen kleinen Lederbeutel und nahm ein paar Kräuter daraus. Diese reichte er Isabella und deutete ihr an, sie in den Mund zu nehmen und darauf zu kauen. Leicht skeptisch wollte sie dies zuerst nicht tun doch der Krieger gab nicht nach und so steckte sie die Kräuter widerwillig in den Mund. Sie schmeckten bitter und es war komisch auf ihnen herumzukauen, aber je länger sie es tat, hatte sie das Gefühl, als wenn die Schmerzen in ihrem Bein weniger wurden. In der Zwischenzeit hatte der Indianer mit seinem Messer von ihrem Rock eine Stoffbahn entnommen und daraus einen Verband geschnitten.

Nun hielt er ihr seine Hand vor den Mund und deute ihr an die Kräuter auszuspucken. Ganz interessiert verfolgte sie, wie er die eingespeichelten Kräuter, nun wie eine klebrige Masse, auf den Wunden verteilte und dann mit dem Verband fest fixierte. Danach erhob er sich wieder, steckte sein Messer ein und brachte den Beutel wieder zurück zu seinem Pferd. Isabella wusste nicht, was sie davon halten sollte. Er hatte ihr geholfen. Bis jetzt hatte er noch keine Anzeichen gemacht, dass er ihr was antun wollte. Konnte es vielleicht sein, dass sie ihn zu schnell verurteilt hatte und ihm unrecht tat?

Sie hatte keine Erfahrungen mit Indianer, verstand nicht ihre Sprache und kannte doch nur die Erzählungen der Anderen. Doch dieses Verhalten passte so gar nicht in das blutrünstige Bild, was man ihr bisher gezeigt hatte. Ruhig abwartend sass sie auf der Decke und beobachtete, wie er nun seinem Tier etwas ins Ohr flüsterte und dann an ihr vorbei zum Abgrund ging. Sie drehte sich um und sah, dass er in die Tiefe blickte, etwas am Abgrund entlang ging und dann langsam hinabstieg, bis er nicht mehr zu sehen war. Nun war sie alleine mit dem Pferd. Es wäre ihre Gelegenheit abzuhauen. Doch irgendetwas ließ sie wie gebändigt auf der Decke sitzen und in Richtung Schlucht sehen. Was hatte er vor?

Es dauerte eine ganze Weile, bis sie aus der Richtung Geräusche vernahm und zuerst ihren Sattel und dann ihn mit ihrem Gewehr in der Hand die Schlucht heraufkommen sah. Woher hatte er Tipsys Sattel und wo war ihre Stute? Langsam realisierte sie, dass ihr Pferd in die Schlucht gestürzt sein musste. Schnell raffte sie sich auf, ignorierte dabei den Schmerz in ihrem Oberschenkel und hastete zum Abgrund hinüber. Er konnte gerade noch ihren Sattel und das Gewehr fallen lassen und sie auffangen, als sie stolpernd und schluchzend am Abgrund in seine Arme fiel. Mit seinen starken Armen und dicht an seinen Körper gepresst hielt er sie fest und ließ sie über den Abgrund in die Tiefe blicken, an dessen Boden sie zerschmettert ihr geliebtes Tier liegen sah.

„Tipsy, nein“, rief sie dem toten Tier hinunter und brach dann in Tränen zusammen. In ihrer Trauer um das Tier bekam sie gar nicht mit, dass die starken Arme des Kriegers sie zu der Decke zurückgetragen hatten und er sie dort niedergelassen hatte. Dann war er zurückgegangen und hatte ihre Sachen geholt, hatte ihren Sattel seinem Pferd aufgesetzt und das Gewehr, in dem Holster verstaut. Danach hatte er sich neben sie auf die Decke gesetzt und wartete nun, dass sie sich ein bisschen beruhigte. Er wusste nicht so recht, wie er sich verhalten sollte. Diese Frau war so ganz anders als die Indianerinnen, die er bisher gekannt hatte. Sie zeigte ihre Gefühle offen und war scheinbar mit dem toten Tier sehr verbunden gewesen. Darüber hinaus schien sie ihre nicht gerade unerheblichen Verletzungen total vergessen zu haben. Es war ein Puma gewesen, der diese Spuren hinterlassen hatte und er hatte ihr Pferd gesehen, dessen Hals tief aufgeklafft gewesen war. Das Tier hätte auch keine Überlebenschance gehabt, wenn es nicht in Panik die Schlucht hinab gestürzt worden wäre. Irgendwo musste diese junge Frau herkommen sein und vielleicht könnte sie ihm den Weg zeigen, denn dann würde er sie sicher nachhause bringen. Es war schon spät und fing an zu dämmern. Sie sollten sich auf den Weg machen. Er richtete sich auf, hob die vollkommen aufgelöste Frau auf den Arm und nahm die Decke mit. Vorsichtig setzte er sie in den Sattel, verstaute die Decke wieder und schwang sich dann hinter ihr auf das Pferd. In der einen Hand die Zügel hielt er mit dem anderen Arm die Frau fest an seine Brust gedrückt. So folgte er den Spuren, die ihr Pferd hinterlassen hatte.

Der Wind in meinen Federn

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