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Warum ich?

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Wer bin ich, dass ich denke, die Weisheit gepachtet zu haben? Natürlich ist das nicht so. Aber ich bin seit mehr als dreißig Jahren beruflich in den Bereichen Kunst, Design, Biologie, Journalismus, Fotografie, Kommunikation und Bildung tätig. Ich habe gelernt, Muster zu sehen, Zusammenhänge herzustellen und die richtigen Fragen zu stellen.

Für mich begann alles mit der Natur. Schon als Kind war ich verrückt danach. Viele Naturliebhaber teilen ihre Leidenschaft mit einem Familienmitglied, aber bei uns zu Hause war ich der einzige. Anscheinend habe ich den Naturvirus von meinem Urgroßvater mitbekommen, aber für eine Begegnung reichte die Zeit leider nicht. Die Tatsache, dass ich zu Hause mit meiner Leidenschaft alleine dastand, hatte weitreichende Konsequenzen, von denen Sie als Leser nun profitieren.

Es verhielt sich nämlich so: Wenn wir beispielsweise spazieren gingen, blieb ich immer am Wegesrand hängen und machte dort alle möglichen Entdeckungen. Ein Frosch, eine Wanze – ich fand das alles unglaublich aufregend. Die anderen mussten ziemlich oft auf mich warten, und aus Gründen, die mir damals unverständlich waren, gab es dafür auch ein Zeitlimit. Auch die Urlaubsziele wurden leider nicht nach dem Naturgehalt ausgewählt, und ich musste mich mit sehr wenig zufriedengeben. Dazu gehörte beispielsweise der brachliegende Grünstreifen zwischen Ferienhaus und Strand. Aber kein Problem: Es war ja in Italien, und da wuselten Ruineneidechsen umher, also hatte ich meinen Spaß dort. Am Ende des Urlaubs hatte ich die tiefste Sonnenbräune von meinem stundenlangen, gebückten Laufen in der Sonne. Warum erzähle ich Ihnen das alles? Um Ihnen zu zeigen, dass ich schon früh lernen musste, mit Kompromissen zu leben.

Jahrelang habe ich mich dagegen gesträubt. Ich meinte sogar lange Zeit, im falschen Land geboren zu sein. Erst viel später wurde mir allmählich klar, dass hinter all diesen Kompromissen etwas Größeres steckte: die Kraft der Beschränkung! Während meines Biologiestudiums habe ich ein Praktikum in der Abteilung für Bodenökologie absolviert. In einem der Aufenthaltsräume der Fakultät hing ein Spruch an der Wand: »The soil is the poor man’s rain forest.« Damals fand ich das trist, jetzt finde ich es treffend!

Beschränkung führt zwangsläufig dazu, dass man der Sache einen eigenen Dreh geben muss. So wurde mein wichtigster Trumpf nicht das aufregendste Motiv, die spektakulärste Landschaft oder das bezauberndste Morgenlicht, sondern sehen zu lernen und visuell außergewöhnliche Bilder zu erzeugen, anywhere and anytime. Ich lernte, vor Ort immer schneller den Unterschied zu erkennen zwischen Situationen, die höchstens passable Fotos hervorbringen, und Situationen mit Potenzial für etwas Besonderes. Kurz gesagt: Beschränkung führt zu Kreativität. Der Begriff creative constraint unterstreicht dies. Oder das deutsche Sprichwort: In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister. Und ist die so hoch geschätzte italienische Küche nicht aus Armut und Beschränkung entstanden?

Fazit: Beschränkung macht kreativ. Aber das ist nicht der einzige Faktor, der zählt. Schließlich kann man über massenhaft Zeit verfügen und in interessanten Motiven ertrinken und trotzdem in der Durchschnittsfotografie stecken bleiben. Man muss nicht viel Zeit im Internet verbringen, um zu sehen, was ich meine. Die Beschränkung ist also funktional. Aber wie setzt man dies in Kreativität um, und wie kann man das für sich selbst nutzen? Darum geht es in diesem Buch.

Kreativ sein als Naturfotograf*in

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