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Praxisbeispiel (in Anlehnung an Walgenbach 2017: 26f.): Inklusionsschulklasse

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Herausforderung:Durch die vorhandene Diversität können Lehrer_innen überlastet werden. Häufige Reaktion der Schulen: Schüler_innen werden an Fachleute überwiesen, Zusatzlehrkräfte werden nötig, damit die Inklusionsschüler_innen den Unterricht nicht stören.
Chance:Schüler_innen lernen in einer Inklusionsklasse soziale, kognitive, emotionale, politische und interkulturelle Fähigkeiten, die sie in einer Regelschule so nicht erfahren würden.

Die gegenwärtigen sozial-, gesellschafts- und erziehungswissenschaftlichen Diskussionen um Vor- und Nachteile von Diversität lassen sich vereinfachend zwei Traditionslinien zuordnen: affirmativ orientierte DiM-Ansätze oder machtsensible Diversitätskonzepte. Während erstere vor allem handlungs- und umsetzungsorientiert auf die Gestaltung von Vielfalt im Sinne der Produktivität und Effizienz für die betreffende Organisation und auf die Förderung und Wertschätzung individueller Talente der Mitarbeitenden ausgerichtet ist, werden unter dem Stichwort »machtsensible Differenz« alternative Zugänge zum Phänomen und Konzept von Diversität diskutiert, die sich jenseits der Machbarkeits-, Ressourcen- und Mehrwertdiskussionen ansiedeln lassen. Diese Zugänge kommen überwiegend aus dem sozial- und erziehungswissenschaftlichen Kontext und haben eine starke Resonanz und auch eine Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Sozialen Arbeit erfahren.

Da Diversität unter machtsensibler Betrachtungsweise keinen Nutzen oder Zweck erfüllen muss, werden hier vor allem die Ressourcen und Potentiale in den Vordergrund gestellt. So z. B. innerhalb neuerer Integrationsverständnisse mit dem Ziel einer multiethnischen Gesellschaft: Hier wird bspw. die Kultur (Mehrsprachigkeit, Orientierungssystem, Lösungsstrategien, Werte, Praktiken etc.) der Einwander_innen als Ressource angesehen, die durch wechselseitige Aushandlungsprozesse zwischen Einwander_innen und Mehrheitsgesellschaft Integration in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen fördern kann.

Im affirmativen Ansatz hingegen, der vor allem im betriebswirtschaftlichen Kontext vertreten ist, kann Vielfalt als Chance oder Belastung auftreten. Jackson und Joshi (2011) haben in ihrer Studie die Auswirkungen von Diversität in Teams z. B. auf die interne Kommunikation, den Zusammenhalt der Gruppen, die allgemeine Teamleistung oder die Fluktuation der Mitarbeitenden herausgearbeitet. Je nach Art der Vielfalt, Umgangsmethode, Abteilung oder Geschäftszweig können verschiedene Arten von Diversität sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Produktivität, die wirtschaftliche Leistung und die Kultur eines Unternehmens besitzen. Dieser Ansatz birgt die Gefahr, dass »Vielfalt nur dann gefördert wird, wenn es sich rechnet. Gerechtigkeit und Solidarität stehen erst an zweiter Stelle« (Rastetter/Dreas 2016: 321, zitiert nach Dreas 2019: 41f.). Zudem entsteht hierbei das Risiko einer Entpolitisierung, denn wenn Vielfalt zur Unternehmensstrategie wird, erscheint Ungleichheit nicht mehr als Problem, wodurch Interessensgegensätze sowie Machtasymmetrien ausgeblendet werden (Mecheril/Vorrink 2012: 95, nach Dreas 2019: 41f.). Gerade in der heutigen Zeit ist der affirmative Ansatz zur Betrachtung von Diversität auch eine Modeerscheinung. Viele Organisationen nutzen das DiM als Aushängeschild oder Legitimitätsfassade (Süß/Kleiner 2006, nach Dreas 2019: 42).

Die Nutzbarkeit affirmativer DiM-Ansätze für den Bereich der Sozialen Arbeit oder für das Bildungswesen wird häufig unter dem Verweis auf die Nicht-Anwendbarkeit ökonomischer Profitlogik verworfen:

»Diversity Management in seiner ökonomischen Logik folgt einem zweckrationalen Ansatz. Die Gestaltung von Vielfalt ist Mittel zum Zweck: Sie hat die Funktion, mit der Berücksichtigung von Unterschieden zum Erfolg des Unternehmens beizutragen, den Prozess der Wertschöpfung zu verbessern, höhere Gewinne zu erzielen, Wettbewerbsvorteile beim Kampf um die besten Arbeitskräfte ebenso zu erreichen wie bei der Gewinnung von Kundinnen und Kunden. Für die Soziale Arbeit mit interkultureller Orientierung dagegen ist die Gestaltung von Vielfalt schon selbst ein Zweck. Die sensible Berücksichtigung von Unterschieden trägt zum Erhalt des sozialen Friedens bei, zur Gleichbehandlung und sozialen Gerechtigkeit, zur gleichberechtigten Teilhabe sowie zur Integration und Inklusion« (Schröer 2012: 7).

Unabhängig von einer Bewertung von Diversität als Chance oder Risiko ist eine Auseinandersetzung mit der Frage, wieviel und welche Vielfalt können Menschen, Gruppen, Organisationen und Gesellschaften vertragen, ohne an Zusammenhalt und Stabilität zu verlieren, Gegenstand der Diskurse in der Sozialen Arbeit und wird von daher explizit noch einmal in Teil III am Beispiel von Organisationen aufgegriffen ( Teil III).

Vielleicht wäre es unter dem Aspekt der Bewertungsdimension strategisch machbar, die binäre Logik des Entweder-Oder (Vor- oder Nachteil) zu verlassen und stattdessen auf eine Sowohl-als-auch-Perspektive und zu einem kosmopolitischen Blick zu wechseln. Dieser erfordert nach Beck (2004: 16) bestimmte normativ-philosophische wie auch empirisch-soziologische Prinzipien, die im Folgenden kurz umrissen werden:

1. das Prinzip der Anerkennung weltgesellschaftlicher Differenzen und die daraus entstehenden Konfliktoptionen;

2. das Prinzip einer notwendigen Empathie und eines Perspektivwechsels;

3. das Prinzip weltgesellschaftlicher Krisenerfahrungen und eine Interdependenz, die die Grenzen zwischen Wir und den Anderen aufhebt;

4. das Prinzip der Unlebbarkeit einer grenzenlosen Weltgesellschaft, mit dem daraus entstehenden Drang alte und neue Grenzen aufzubauen;

5. das Melange-Prinzip, in dem sich lokale, nationale, ethnische, religiöse und kosmopolitische Kulturen durchdringen und wechselseitig beeinflussen.

Erst dieser kosmopolitische Blick ermöglicht ein inklusives Unterscheiden als »Gegenbild zur territorialen Gefängnistheorie von Identität und Politik« (ebd.: 16). Er ist von Grund auf ambivalent, reflexiv und prozesshaft und passt von daher zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen, die eine differenzierte Argumentation seitens der Sozialen Arbeit statt Pro-und-Kontra-Parolen erfordern. Denn die Gesellschaft der zweiten Moderne bzw. der Postmoderne ist gekennzeichnet von einem hohen Grad an Vielfalt, unabhängig von vorgenommenen persönlichen oder politischen Bewertungen.

Diversität in der Sozialen Arbeit

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