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2.3 Exkurs: Notwendigkeit einer intersektionalen Betrachtung von Diversität

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Da es in der Praxis der Sozialen Arbeit nur wenige Konstellationen gibt, in denen die ausschließliche Wirkung nur einer Differenzkategorie (Geschlecht, Alter, Ethnizität etc.) zu beobachten ist, müssen die wechselseitigen Abhängigkeiten und Beziehungen der Kategorien beleuchtet werden.

Eine Möglichkeit hierfür stellt der Intersektionalitätsansatz dar. Dieser besagt, dass Menschen an unterschiedlichen Schnittstellen von Vielfalt leben und hierdurch in unterschiedlicher Weise mit den verschiedenen Differenzkategorien zu tun haben. Durch die Intersektionalitätsanalyse kann herausgefunden werden, wie die unterschiedlichen Differenzlinien in einer konkreten Konstellation zusammenwirken. Kategorienübergreifende Diversitätskonzepte machen jedoch fachspezifische Zugänge bspw. aus der Interkulturellen Pädagogik oder der Geschlechterpädagogik nicht überflüssig.

»Eine diversitätsbewusste Perspektive kann diese speziellen Disziplinen nicht ersetzen. Sie sind unverzichtbar, nicht nur, weil ein besonderes und vertieftes Wissen zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte und Aktualität der jeweiligen Differenzlinien notwendig ist, sondern auch, weil es in allen Fachdebatten […] qualifizierte Stimmen geben muss, die die allgemeine Berücksichtigung dieses besonderen Wissens begründen und einklagen können« (Leiprecht 2011: 38).

Was sind nun die Vorteile des Intersektionalitätsansatzes?

»Der Begriff Intersectionality wurde erstmals 1989 von der US-amerikanischen Juristin Kimberle Crenshaw eingeführt (Crenshaw 1989). Der Terminus Intersektionalität ist damit historisch in einem antidiskriminierungsrechtlichen Kontext verortet mit Bezügen zum Black Feminism und der Critical Race Theory (Chebout 2011). Aufgrund seiner Herkunft wird Intersektionalität vor allem in den Gender Studies aufgegriffen. Intersektionalität hält allerdings auch Einzug in weitere theoretische und praktische Arenen wie Cultural Studies, Diversity Education oder Menschenrechtsdiskursen der United Nations« (Walgenbach 2014: 54).

Crenshaw erläutert hierzu, dass Intersektionalität eine Linse sei, »die erlaubt zu sehen, woher Macht kommt und auf wen oder was sie prallt, wo es Verknüpfungen und wo es Blockaden gibt. Es gibt nicht einfach ein Rassismus-Problem hier und ein Gender-Problem dort und ein Klassen- oder LBGTQ-Problem woanders. Häufig löscht das dominante Framing aus, was Menschen wirklich passiert« (Crenshaw 2016, zitiert nach Gunda-Werner-Institut 2019: 12). Es geht Crenshaw folglich um das Zusammenwirken und die Verschränkung aller Kategorien (Bronner/Paulus 2017: 81).

Im deutschsprachigen Raum haben Helma Lutz (2001) und Gudrun-Axeli Knapp (2005) den Intersektionalitätsdiskurs für die Erziehungswissenschaften nutzbar gemacht. Die nachfolgende Definition von Walgenbach (2014: 5) stellt eine von mehreren Möglichkeiten auf dem Weg der Begriffsklärung dar:

»Unter Intersektionalität wird verstanden, dass historisch gewordene Macht- und Herrschaftsverhältnisse, Subjektivierungsprozesse sowie soziale Ungleichheiten wie Geschlecht, Sexualität/Heteronormativität, Race/Ethnizität/Nation, Behinderung oder soziales Milieu nicht isoliert voneinander konzeptualisiert werden können, sondern in ihren ›Verwobenheiten‹ oder ›Überkreuzungen‹ (intersections) analysiert werden müssen. Additive Perspektiven werden überwunden, in dem der Fokus auf das gleichzeitige Zusammenwirken von sozialen Kategorien bzw. sozialen Ungleichheiten gelegt wird. Es geht demnach nicht allein um die Berücksichtigung mehrerer sozialer Kategorien, sondern ebenfalls um die Analyse ihrer Wechselwirkungen«.

Von der analytischen Vorgehensweise ist der Intersektionalitätsansatz offen für unterschiedliche Methodologien und kann verschiedene Theorieansätze integrieren. Allerdings ist das Diskursfeld – anders als der Diversitätsansatz allgemein – eng mit der Thematik sozialer Ungleichheit und Macht verbunden. So finden bspw. die Diversitätsdimensionen »Fachkompetenz« oder »Leistungsdifferenz« keinen forschungsmäßigen Niederschlag in den Intersektionalitätsdebatten (Walgenbach 2014: 55).

Ein großer Vorteil der Intersektionslitätsdiskurse liegt darin, dass sie analytisch die Wirkungsweise von Macht und Herrschaftsverhältnissen auf unterschiedlichen Ebenen (Institution, soziale Praktiken, Subjekte etc.) beschreiben. Diese Betrachtungsweise wird im folgenden Kapitel in Form eines Mehrebenen-Modells der Wirkungsweisen von Diversität (Individuen, Gruppen, Organisation, Sozialraum, Gesellschaft) aufgesplittet und für die Praxis der Sozialen Arbeit anwendbar gemacht.

Diversität in der Sozialen Arbeit

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