Читать книгу Diversität in der Sozialen Arbeit - Beate Aschenbrenner-Wellmann - Страница 35
Praxisbeispiel: Möglichkeiten der Partizipation mit Geflüchteten (z. B. in der Einzelfallhilfe)
ОглавлениеAnstehende Entscheidungen werden zwischen Sozialarbeiter_in und Geflüchteten besprochen und abgestimmt. Geflüchtete nehmen ihr Recht wahr, in bestimmten Bereichen Entscheidungen eigenständig zu treffen. Geflüchtete treffen alle wichtigen Entscheidungen selbst, können sich jedoch bei Bedarf Beratung einholen.
→ Wie weit das Recht auf Mitbestimmung reicht, ist jeweils abhängig vom Individuum!
Die Bertelsmann-Stiftung hat in ihrer Studie »Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt. Messen was verbindet« aus dem Jahr 2014 das Ausmaß gesellschaftlichen Zusammenhalts in verschiedenen europäischen Ländern evaluiert. Für die vorliegende Publikation von besonderer Bedeutung ist hierbei die schwache Ausprägung bei der Akzeptanz gesellschaftlicher Diversität. Im Untersuchungszeitraum 1998 bis 2003 lag Deutschland in dieser Kategorie noch in der Spitzengruppe (ebd.: 6); in der neueren Untersuchung aus dem Jahr 2014 findet es sich nur noch im Mittelfeld wieder. Gerade aber die Akzeptanz von Vielfalt stellt ein herausragendes Kriterium für den gesellschaftlichen Zusammenhalt heterogener und moderner Gesellschaften dar. Wie weit wir davon entfernt sind, zeigen die ansteigende Zahl an Anschlägen auf Asyl- und Flüchtlingsheime seit dem Jahr 2015 und die Bedrohung, Beschimpfung von sowie Anschläge auf Politiker_innen, die sich für Deutschland als Einwanderungsland stark machen. In der Untersuchung der Bertelsmann Stiftung ist ebenfalls ein leichter Abwärtstrend bei den Dimensionen »Solidarität« und »Hilfsbereitschaft« zu verzeichnen. Auch dies sind Hinweise auf einen geschwächten gesellschaftlichen Zusammenhalt in einem »entsicherten Jahrzehnt«, wie auch in den Studien der Bielefelder Forscher_innengruppe um W. Heitmeyer zur »gruppengezogenen Menschenfeindlichkeit« diagnostiziert wurde (Bertelsmann Stiftung 2014).
Gemeint ist hiermit, »daß das zurückliegende Jahrzehnt von Entsicherung und Richtungslosigkeit im Sinne einer fehlenden sozialen Vision markiert ist, in dem auch die schwachen sozialen Gruppen sowie solche mit spezifischen Lebensstilen eine Ideologie der Ungleichwertigkeit sowie psychische und physische Verletzungen erfahren haben« (Heitmeyer 2012: 19). Damit einher gehen Gefühle der Unüberschaubarkeit und Unkalkulierbarkeit der Märkte, Kontrollverluste der Politik und eine Entmachtung, die sich schließlich mit einer politischen und kulturellen Richtungslosigkeit sowie einem Verlust des gesellschaftlichen Zusammenhalts verbindet (ebd.).
Neben der Forderung nach einer Wertschätzung von Vielfalt und der Akzeptanz Deutschlands als Migrationsgesellschaft können in Anlehnung an die Studie der Bertelsmann Stiftung als positive Rahmenbedingungen für gesellschaftlichen Zusammenhalt ein höherer ökonomischer Wohlstand, größere Einkommensgleichheit und die Etablierung einer modernen Wissensgesellschaft angesehen werden. Wohlstand bedeutet in diesem Zusammenhang: im Wesentlichen eine gerechte Einkommensverteilung; unter diesen Voraussetzungen stellen laut Meinung der Bertelsmann-Autor_innen Globalisierung und Zuwanderung keine Hindernisse für den gesellschaftlichen Zusammenhalt dar (Bertelsmann Stiftung 2014: 8).