Читать книгу Inseldämmerung - Bent Ohle - Страница 11
Hamburg-Wilhelmsburg, Zentrale von Optisecur, 16:55 Uhr
ОглавлениеTill schlug seinen Spind zu und drehte sich schnaubend um. Hinter ihm standen vier Kollegen, die augenblicklich aufhörten, sich anzuziehen und ihre Gespräche fortzuführen. »Wer war an meinem Spind?«, bellte er und blickte von Gesicht zu Gesicht, doch keines zeigte eine Reaktion. »Wer?«, schrie er und schlug mit der flachen Hand gegen die Tür, dass es krachte.
Niemand bewegte sich.
»Was soll der Lärm hier?«, rief eine Stimme von weiter hinten, und ein Mann in blauem Pullover mit schwarzem Schnäuzer kam wenig begeistert in die Umkleide.
»Jemand war an meinem Spind«, sagte Till und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Wurde was geklaut?«
»Nein, aber jemand hat herumgewühlt.«
Zinkowski, Tills Chef, kam näher und warf einen Blick in den schmalen Schrank.
»Sieht alles normal aus.«
»Ja, aber es liegt nicht so wie letztes Mal. Ich leg die Sachen immer so hin, dass ich sofort sehe, wenn sie jemand angepackt hat.«
»War einer von euch an diesem Schrank?«, fragte Zinkowski an seine Mitarbeiter gewandt.
Alle schüttelten den Kopf.
»Okay, dann musst du dir ’n neues Schloss besorgen. Mehr kann ich jetzt nicht tun.« Er schaute ihn mit einer bedauernden Falte im rechten Mundwinkel an.
»Kann ich dich kurz sprechen?«, bat Till.
»In meinem Büro.« Zinkowski machte kehrt und ging eiligen Schrittes voran in den dunklen Flur und durch die offen stehende Tür zu seinem Büro. Nachdem er sich in seinen zerschlissenen Ledersessel geworfen und ein Buch auf seinem Schreibtisch geschlossen hatte, sah er Till mäßig erwartungsvoll an. »Na?«
»Ich glaube, ich weiß, wer’s war, und ich würde gern einen anderen Mitfahrer bekommen«, eröffnete Till das Gespräch.
»Du meinst, Bernd war’s?«
»Die anderen würden sich nicht trauen. Lass mich mit dem Kleinen fahren, dann kann Bernd mit Günther auf Tour gehen.«
Zinkowski atmete unzufrieden aus, tippte auf seiner Tastatur herum und stierte auf den Bildschirm.
»Na ja … wenigstens würde es keinen Schichtwechsel bedeuten.«
»Ich will Bernd ja auch nichts anhängen, aber wir sollten lieber nicht zusammen auf einem Bock sitzen. Das wird nicht gut gehen.«
Zinkowski blickte auf und musterte den finster dreinblickenden Till eingehender. Er war fast eins neunzig groß, breitschultrig, kräftige Hände, kahler Schädel und Vollbart. Dazu ein dunkler Blick aus kohlrabenschwarzen Augen. Sein Name passte so was von gar nicht zu ihm. Unter einem Till stellte Zinkowski sich einen blonden, netten Jungen mit Zahnspange vor, aber nicht diesen bärtigen Riesen, der wahrscheinlich kleine Kinder zum Frühstück verspeiste.
»Im Grunde«, begann er fast abwesend, »bist du mir unheimlich mit deiner Art. Aber ich muss auch zugeben, dass eine Ausstrahlung, wie du sie hast, in unserem Gewerbe gar nicht so unangebracht ist.« Er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm. »Ihr tauscht die Partner. Du bekommst Simon. Der Kleine kann jemanden wie dich an seiner Seite vertragen. Was du zu viel hast, hat er zu wenig.«
Er schlug laut auf die Enter-Taste, und damit war es besiegelt.
»Soll ich die Polizei wegen des Spinds kommen lassen? Falls doch was fehlt?«
»Ach, war eh kaum was drin von Wert.« Till sah immer noch so missgelaunt aus wie zuvor. »Aber danke.«
Sein Chef nickte überrascht. Draußen bewegte sich etwas und zog seine Aufmerksamkeit auf sich.
»Da kommt er ja. Sag’s ihm gleich selbst«, meinte er mit einem Fingerzeig auf Simon, der soeben die Eingangstür aufzog.
Till grinste, stöhnte, als er sich in Bewegung setzte, was wie ein Grunzen klang, und verließ das Büro.