Читать книгу Inseldämmerung - Bent Ohle - Страница 19
Hamburg-Barmbek, Deutsche-Bank-Filiale, 09:02 Uhr
ОглавлениеTill stand in der Schlange vor dem einzigen besetzten Kundenschalter. Vor ihm war ein älterer, sportlicher Herr in Jeans und Lederblouson, hinter ihm eine Frau mit einem etwa fünfjährigen Jungen. Sie könnte die Mutter, aber auch die Oma sein, fand Till. Der Kleine lief ungeduldig mit seiner geöffneten Jacke durch den Schalterraum und packte alles an.
»Komm jetzt her, Anton, lass das. Sonst muss Oma alles bezahlen, was du kaputt machst.« Sie winkte ihn zu sich ran.
Anton ließ sich nicht beirren, er kniete vor einem Gummibaum und fischte ein Granulatkörnchen heraus, das er gegen den Wasserspender warf. Till musste lächeln und prüfte gleichzeitig, ob seine Waffe sicher in der Innentasche seiner gefütterten Jeansjacke verstaut war.
»Anton!«, zischte die Oma, und der Kleine kam mit zu sehr nach innen gestellten Füßen auf sie zugelaufen. Er stolperte und knallte mit dem Kopf gegen Tills rechte Seite, direkt gegen die Beretta. Er fing sofort an zu heulen und hielt sich den Kopf. »Das hast du nun davon, Herrgottnocheins«, fuhr sie den Jungen an und wandte sich dann an Till. »Entschuldigung, er ist so schrecklich wild.«
»Schon gut«, wehrte Till ab.
»Da war was ganz Hartes in der Jacke«, jammerte der kleine Anton und rieb sich immer noch den Kopf. »Was hast du da drin?«, fragte er Till.
»Anton!«
»Schon gut, schon gut, ist nur mein Handy«, sagte Till.
»Das war kein Handy«, beharrte der kleine Anton, der jetzt den Rotz hochzog und Till mit misstrauischem Blick fixierte.
Till lugte ins Innere seiner Jacke.
»Oh, du hast recht.« Er zog sein Handy aus der linken Innentasche. »Hier ist das Handy. Und hier …« Er griff in die andere Tasche und holte seine schwarze Beretta heraus. »… ist eine Pistole.«
Anton gingen die Augen über. Aus dem Augenwinkel bemerkte Till den verunsicherten Blick des Schalterbeamten.
»Wow!«, entfuhr es Anton.
»Ist ein Geschenk für meinen Neffen gewesen«, meinte Till zu der ebenfalls etwas erschrockenen Oma. »Aber ich muss es umtauschen. Der Bolzen ist kaputt gegangen.«
»Kann ich ma schießen?«, fragte Anton.
»Anton!«
»Das geht leider nicht. Der Bolzen ist doch kaputt«, wiederholte Till und lächelte. »Dieser China-Schrott taugt einfach nichts.«
»Das stimmt«, bestätigte die Oma energisch und nickte dazu.
»Kann ich trotzdem?«
»Nein, nachher geht noch mehr kaputt«, sagte Till und steckte die Waffe wieder ein.
Der Herr vor Till war fertig und machte den Schalter frei.
»Gute Besserung für deinen Kopf.« Till zwinkerte Anton zu und wandte sich an den wartenden Schalterbeamten. Er war Ende zwanzig mit Brille und zwanzig Kilo Übergewicht. Zu seinem hellgrauen Anzug trug er eine rot-weiß gestreifte Krawatte.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Ich möchte mein Konto auflösen.«
»Oh, das ist aber schade. Darf ich nach dem Grund fragen? Sind Sie nicht mehr zufrieden mit unserem Produkt?«
»Ich hab woanders ein besseres Angebot bekommen«, sagte Till und legte beide Fäuste auf den Tresen.
»Auch wir haben ein kostengünstiges Kontenmodell mit weniger Inklusivleistungen, das Ihren Vorstellungen womöglich mehr entspricht. Kann ich Sie vielleicht noch umstimmen, indem wir ein paar Angebote für Sie erstellen?«
»Nein, einfach nur auflösen, bitte.«
»Gern.« Der junge Mann grinste höflich und holte ein Formular hervor.