Читать книгу Wie wir unsere Zeit verbringen - Bernd Schmid - Страница 15
Оглавление8. Achtung vor einander
Was löst in mir Achtung und Großmut, was Verachtung und Kleinmut aus?
Was dabei bin ich und was bist Du?
Will ich Dich nur als Spiegel meiner selbst benützen oder gibt es mehr, vor dem wir uns beide verneigen?
Von Zeit zu Zeit spüre ich nach, mit wem ich mich gerne verbunden fühle, wessen Achtung mir wichtig ist und mit wem ich verbleibende Lebenskraft teilen will.
Uneingeschränkt positiv ist die Bilanz selten. Das muss ja auch nicht sein, denn jeder hat seine Macken, ich auch. Und andere müssen genauso Kompromisse mit mir machen, Unverträglichkeiten erdulden. Ich akzeptiere, wenn jemand mit meinen schwierigen Zonen nicht umgehen mag, auf Abstand geht und womöglich der Beziehungsfaden reißt. So ist das eben.
Was befremdet/befreundet mich am meisten? Was lässt mich näher- oder weiter wegrücken? Ein Schlüsselwort dabei ist Achtung. Achtung vor dem Gegenüber. Das kann auch der sein, den ich morgens im Spiegel sehe. Ich empfinde Achtung, wenn ich berührt bin davon, wie sich jemand seiner Existenz stellt, sich um Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und liebevolle Haltungen bemüht. Da habe ich vor einem Gescheiterten, dem Würde noch etwas bedeutet, mehr Respekt als vor einem, der nur noch seine Privilegien wahrt. Manchmal setze ich mich lieber an einen anderen Tisch, auch wenn dieser aus einfachem Holz ist.
Was z.B. entfremdet mich von Menschen? Wenn jemand missbraucht und ausbeutet -ohne erkennbare Skrupel- und Rechtfertigungen dafür pflegt! Oder: Wenn jemand bei Starken den Sensiblen gibt und Schwächeren gegenüber „die Sau rauslässt“. Oder: Wenn sich jemand nur für den eigenen Bauchnabel interessiert und nicht dafür, wofür er anderen gut sein könnte. Auch Demagogie löscht meine Achtung, wegen der Besessenheit und wegen der angerichteten Schäden. Hirne von wohlmeinenden aber unkritischen Geistern werden vernebelt. Intellektuelle Redlichkeit wird als fehlender Enthusiasmus oder gar als Verrat an großen Ideen verunglimpft. Das sind die einfacheren Fälle. Doch verliere ich auch Achtung, -meist schleichend und erst mit der Zeitwenn ich chronischen und kaschierten Egoismus erlebe. Nicht dass jemand etwas für sich zu gewinnen sucht, ist dann mein Problem, sondern dass es unter anderen Motivvorgaben verdeckt wird. Oft ist das subtil und nicht offensichtlich verwerflich, es fehlt die Basis für ein klärendes Gespräch. Und doch es wirkt in mir, ob ich will oder nicht. Auch haben schon Menschen wegen nicht ergründbarer Unaufrichtigkeit meine Achtung verloren. Ich hätte auch mit ihren dunklen Seiten Freundschaft gehalten, wenn ich über sie nicht trotz Begegnungsversuchen meinerseits getäuscht worden wäre.
Bei manchen verlorenen Beziehungen fühle ich Bedauern. Andere kann ich eher schmerzlos auf Abstand driften lassen. Eigentlich bin ich nicht rigoros. Wie z.B. eine Freundin, die immer mal wieder recht radikal ihre Beziehungen „ausmistet“. Ich bin eher verträglich und besonnen bis träge. Und manche Auseinandersetzung hätte bei Bestehen auf „Klärung“ eh nur in den Beziehungsabbruch geführt. Manchmal ist gut Differenzen im stillen Einvernehmen auf sich beruhen zu lassen. In einigen Fällen ist danach wieder eine achtungsvolle Beziehung gewachsen. In anderen Fällen blieben die Wege getrennt. Nicht leicht zu entscheiden, ob man Richtung Konfliktangst und falsche Kompromisse oder Richtung Toleranz und Heilung durch Zuwendung unterwegs ist. An Konfrontationsmut fehlt es mir eigentlich nicht. Doch meist, wenn ich meinte, jetzt mal „Nägel mit Köpfen machen zu müssen“, ist wenig dabei herausgekommen. Evolution geht anders. Doch bleibt: Beziehungen ohne gegenseitige Achtung sind auf Sand gebaut.