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10. Respekt


Ich wollte über Würdigen schreiben, über Respekt, aber auch über verachten und ächten. Ich hatte bei einem Vortrag über Vertrauenskultur deutliche Worte über Freibeuter und Gambler in unserer Gesellschaft gefunden9. Erreicht man sie durch Apelle? Durch Freundlichkeit? Durch Ächtung? Oder müssen sie vom Platz gestellt werden? Sind wir zu „tolerant“? Oder einfach nur opportunistisch?

Und gleichzeitig der Abschied von Nelson Mandela auf allen Kanälen. Passt! Warum? Sein Umgang mit genau diesen Fragen fordert heraus.

Egal wie groß die ideologischen Differenzen waren, er hat sich immer auch an den Mitmenschen gewandt und ihm Würdigung abgefordert, geboten, zugemutet. Und er war kein Romantiker, sondern Realist, was Gesellschaftsentwicklungen betraf. Und doch oder gerade deshalb ging er auf seine Kontrahenten zu. Er achtete sie im Menschlichen und erreichte viele genau dort. Er hätte z.B. eine moralische Überlegenheitsposition gegenüber seinen politischen Kontrahenten DeClerk wählen können. Das Weiterdrehen der Gewaltspirale hätte das dann auch gerechtfertigt. Doch er hat anders gewählt.

Toleranz? Offenbar nicht gegen unmoralisches Verhalten, wohl aber gegen fehlbare Menschen, wenn sie hören. Taktik? Anderen unmoralisches Verhalten schwer machen, ohne sie zu demütigen. Mut? Nicht den selbstverliebten, verwegenen Mut, sondern den disziplinierten und dem Menschen zugewandten.

Opportunismus? Gerade weil er klare Prinzipien lebte, durfte er atemberaubende Schritte wagen, ohne dass er hätte Opportunismus-Verdächtigungen gelten lassen müssen. Korruptheit? An der Macht scheint er gegen Hochmut und Raffgier immun geblieben zu sein.

Seine Art scheint in seinen Widersachern Scham geweckt zu haben. Ich meine die Scham, die uns anzeigt, dass wir uns in unserer Menschlichkeit verleugnen. Sie zeigt uns den Weg dorthin zurück. Soweit eine Erfolgsgeschichte in Sachen Würdigen. Doch was tun mit denen, die so nicht erreicht werden, vielleicht nicht Schamfähig sind? Sehr gescheit und interessant fand ich dieser Tage dazu ein Essay im Rundfunk.

„Gerichtssaal-Dynamiken“ sind nicht mein Ding. Ich spiele nicht gerne Richter und erst recht nicht Vollstrecker. Ich tauge auch schlecht zum Staatsanwalt. Ich mag keine Strenge und keinen Krawall, muss mich disziplinieren, um Unbequemes anzugehen. Was ist Weisheit, was Rechtfertigung? Ich weiß es letztlich nicht.

Interessant finde ich noch die Rolle von Winnie Mandela. Sie kommt ja nicht so gut weg. Und doch, Nelson soll so gut wie vergessen gewesen sein und nur ihre glamouröse Hofhaltung vor Kameras habe ihn vor dem internationalen Vergessen gewahrt. Wo ist jetzt gut, wo böse? Wo bitte geht’s zur Front? Judas, Luzifer und Mephisto lassen grüßen.

9 Audio: B. Schmid Vertrauen, Kontrolle und Verantwortungskultur in Professionen und Organisationen.

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