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3.Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung, § 217

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111Mit Urteil v. 26.2.2020 hat das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift, welche sich seit ihrer Einführung im Jahre 2015 heftiger, insbesondere auch verfassungsrechtlicher Kritik ausgesetzt sah (vgl. dazu Eisele, BT 1, Rn. 202a), für verfassungswidrig und somit nichtig erklärt, da das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst (BVerfG – 2 BvR 2347/15 u. a.).

112a) Geschütztes Rechtsgut und Systematik. § 217 StGB pönalisierte die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung230. Damit wurde für geschäftsmäßiges Handeln die Beihilfe unter Strafe gestellt, die ohne einen solchen Tatbestand straflos wäre, da die Selbsttötung keine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat darstellt231. Der Anwendungsbereich des § 217 erstreckte sich ausschließlich auf Selbsttötungen, nicht aber auf die aktive und passive Sterbehilfe232. Die Vorschrift war als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet233.

113b) Objektiver Tatbestand. Tathandlungen waren das Gewähren, Verschaffen oder Vermitteln der Gelegenheit zur Selbsttötung. Zentrales Merkmal war die Geschäftsmäßigkeit, die nach Ansicht des Gesetzgebers vorliegen sollte, wenn die Gewährung, Verschaffung oder Vermittlung „zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil“ der eigenen Tätigkeit gemacht wird, „unabhängig von einer Gewinnerzielungsabsicht und unabhängig von einem Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit“234.

114c) Subjektiver Tatbestand. In subjektiver Hinsicht war bezüglich des Suizides durch das Tatopfer dolus eventualis ausreichend. Hinsichtlich der Förderung der Selbsttötung war dagegen zielgerichtete Absicht iSv dolus directus 1. Grades (Förderungsabsicht) notwendig235.

115d) Persönlicher Strafausschließungsgrund, § 217 Abs. 2. Angehörige und sonstige nahestehende Personen wurden von einer Teilnehmerstrafbarkeit freigestellt, sofern sie selbst nicht geschäftsmäßig handeln. Ärzte konnten nicht ohne weiteres als nahestehende Person qualifiziert werden, weshalb auch die einmalige Verweisung an eine Suizidhilfeorganisation ein Strafbarkeitsrisiko begründete236, was den problematischen Charakter der Vorschrift unterstrich.

Einführende Aufsätze:

Achenbach, Beteiligung am Suizid und Sterbehilfe – Strukturen eines unübersichtlichen Problemfeldes, Jura 2002, 542; Bechtel, Selbsttötung, Fremdtötung, Tötung auf Verlangen, JuS 2016, 882; Engländer, Selbsttötung in „mittelbarer“ Täterschaft, Jura 2004, 234 (das Lenken eines Anderen zur eigenen Tötung); Kühl, Rechtfertigung vorsätzlicher Tötungen im Allgemeinen und speziell bei Sterbehilfe, Jura 2009, 881; Mitsch, Grundfälle zu den Tötungsdelikten, JuS 1996, 309 (Tötung auf Verlangen); Otto, Die strafrechtliche Problematik der Sterbehilfe, Jura 1999, 434.

Übungsfälle:

Herzberg/Scheinfeld, Aktive Sterbehilfe, JuS 2003, 880 (Behandelt die Tötung auf Verlangen, Mord, Körperverletzung); Kreß/Mülfarth, Tödliches Liebesspiel, JA 2011, 268 (Sittenwidrigkeit iSd § 228 StGB, einverständliche Fremdgefährdung, Risikoeinwilligung, „Einwilligungssperre“ gem. §§ 216, 228 StGB, aufgedrängte Not(stands)hilfe); Lindheim/Uhl, Familiäre Tragödie, JA 2009, 783 (Allgemeine Probleme der Unterlassungsdelikte); Murmann, Eine folgenreiche Entscheidung, JuS 1998, 630 (Probleme aus dem Bereich der Sterbehilfe; Schwerpunkt: Probleme des Allgemeinen Teils); Scholderer, Der lebensmüde Motorradfahrer, JuS 1989, 918 (Abgrenzung Tötung auf Verlangen und straflose Beihilfe zum Suizid, fahrlässige Förderung einer Selbsttötung, Unterlassen der Verhinderung einer Selbsttötung durch einen Garanten); Thoss, Übungsklausur: Sterbehilfe oder Tötung, JA 2001, 951 (Tötung auf Verlangen, Teilnahme an Selbsttötung, Arzt als Garant, Patientenautonomie, indirekte Sterbehilfe).

Rechtsprechung:

BGHSt 19, 135 – Gisela-Fall (Abgrenzung von § 216 zur straflosen Beihilfe zur Selbsttötung); BGHSt 32, 38 – Sirius-Fall (Abgrenzung Totschlag in mittelbarer Täterschaft und straflose Anstiftung zur Selbsttötung); BGHSt 32, 262 – Heroinspritze (Beteiligung an eigenverantwortlicher Selbstgefährdung); BGHSt 32, 367 – Wittig-Fall (Unterlassen der Rettung nach Selbsttötung); BGHSt 37, 376 – Todesspritze (aktive Sterbehilfe); BGHSt 40, 257 – Sterbehilfe (Behandlungsabbruch bei unheilbar Erkrankten); BGHSt 42, 301 – Dolantin (indirekte Sterbehilfe); BGHSt 53, 55 – Autorennen (einverständliche Fremdgefährdung); BGHSt 55, 191 – Wachkoma (Grundsätze für einen Behandlungsabbruch); BGH NJW 1987, 1092 – Scophedal (Ernstlichkeit des Tötungsverlangens); BGH NJW 2003, 2326 – Zivildienstfall (Täuschung des Handelnden durch Suizidenten); BGH NJW 2011, 161 – künstliches Koma (eigenmächtiger Behandlungsabbruch durch Angehörigen); BGH NJW 2019, 3089 u. 3092 (fehlende Rettungspflicht auch des Garanten bei freiverantwortlicher Selbsttötung – Abkehr von Wittig-Rspr. [s. o.]).

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