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IV.Tötung auf Verlangen, § 216 1.Geschütztes Rechtsgut und Systematik

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116 § 216 stellt einen Privilegierungstatbestand zu § 212 dar und schützt ebenfalls das Rechtsgut Leben. Anders als der Totschlag ist die Tötung auf Verlangen lediglich ein Vergehen (vgl. § 12 Abs. 1 und 2), bei dem jedoch die Versuchsstrafbarkeit in Absatz 2 ausdrücklich angeordnet ist. Die Vorschrift des § 216 macht deutlich, dass grundsätzlich eine rechtfertigende Einwilligung in die Tötung nicht möglich ist und der Rechtsgutsinhaber insoweit in seiner Dispositionsbefugnis eingeschränkt wird. Besonderheiten sind jedoch im Rahmen der Sterbehilfe zu beachten, bei der nach BGH nunmehr eine (mutmaßliche) Einwilligung möglich sein soll237. Die Privilegierung und damit der gegenüber § 212 abgesenkte Strafrahmen lässt sich damit begründen, dass auf Grund des Tötungsverlangens einerseits das Unrecht der Tat, andererseits auf Grund der Mitleidssituation bzw. Konfliktlage beim Täter auch der Schuldgehalt der Tat gemindert ist238.

117Liegt § 216 tatbestandlich vor, tritt eine Sperrwirkung ein, so dass auch bei Verwirklichung eines Mordmerkmals § 211 nicht zur Anwendung gelangt239. Soweit im Rahmen der Tötung auch §§ 224, 226 mit ihren höheren Strafrahmen verwirklicht werden, treten diese ebenfalls zurück, damit die Privilegierung nicht unterlaufen wird. Umstritten ist, ob dies auch für die versuchte Tötung auf Verlangen – ggf. mit strafbefreiendem Rücktritt – gilt.

Bsp.: T kommt dem Tötungsverlangen des O nach und verabreicht ihm Gift. Anschließend bekommt er jedoch Bedenken und alarmiert einen Rettungswagen. O überlebt dadurch. Aufgrund der Wirkung des Giftes kommt es jedoch zu einer Gesundheitsschädigung (§ 224 Abs. 1 Nr. 1), im Zuge derer O das Sehvermögen auf einem Auge verliert (§ 226 Abs. 1 Nr. 1). – Hinsichtlich §§ 216 Abs. 1 u. 2, 22, 23 ist T gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 strafbefreiend zurückgetreten. Fraglich ist jedoch, ob T gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1, § 226 Abs. 1 Nr. 1 bestraft werden kann; denn wäre § 216 zur Vollendung gelangt, hätte dieser Sperrwirkung entfaltet.

118Damit der Täter im Falle der nur versuchten Tötung auf Verlangen nicht schlechter gestellt wird als bei Vollendung, wird auch in dieser Konstellation eine Sperrwirkung angenommen240. Soweit – anders als im vorgenannten Beispiel – kein Rücktritt vorliegt, lägen dann §§ 216 Abs. 1 u. 2, 22, 23 vor. Bejaht man eine solche Sperrwirkung, verbleibt allerdings im Falle des Rücktritts nur noch eine Strafbarkeit gemäß § 223. Letztlich kann man es auch bei der Sperrwirkung des § 216 belassen, im Rahmen der Verurteilung nach § 223 jedoch – soweit eine Milderung beim Versuch nicht geboten ist – die Untergrenze des § 216 berücksichtigen (die Strafrahmenobergrenze des § 223 entspricht ohnehin derjenigen des § 216)241.

119 Prüfungsschema

1. Tatbestand

a) Objektiver Tatbestand

aa) Anderer Mensch

bb) Töten: Tatherrschaft über lebensbeendenden Akt (sonst idR straflose Beteiligung an Selbsttötung)

cc) Ausdrückliches und ernstliches Verlangen des Getöteten (sonst § 212, ggf. i. V. m. § 25 Abs. 1 Var. 2)

dd) Durch das Verlangen („dadurch“) zur Tötung bestimmt

b) Subjektiver Tatbestand (beachte § 16 Abs. 2)

2. Rechtswidrigkeit

3. Schuld

Hinweis zum Fallaufbau

Es empfiehlt sich regelmäßig, bei der Fallprüfung mit § 216 zu beginnen und von dort aus weitere Fragen (Abgrenzung zur Selbsttötung; Vorsatzprobleme) zu erörtern. Wird § 216 bejaht, so sollte im Hinblick auf §§ 212, 211 kurz auf die Sperrwirkung eingegangen werden; gelangt man hingegen zu dem Ergebnis, dass der Tatbestand des § 216 nicht verwirklicht ist, sind §§ 212, 211 genauer zu prüfen. Eine andere Prüfungsreihenfolge kann freilich sinnvoll sein, wenn nach der Aufgabenstellung genauere Ausführungen zu §§ 212, 211 erwartet werden.

Strafrecht Besonderer Teil

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