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2.Objektiver Tatbestand

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168a) Tatobjekt. Dieses muss schon ausweislich des Wortlauts – nicht anders als bei den Tötungsdelikten – eine andere Person sein. Die Selbstverletzung des Opfers ist damit straflos327. Daraus folgt zugleich, dass die Beteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstverletzung des Opfers nicht strafbar ist. Hier können sich – nicht anders als bei den Tötungsdelikten – schwierige Abgrenzungsfragen zur Fremdverletzung stellen328. In Abweichung zu den bei §§ 212 ff. geschilderten Grundsätzen ist jedoch zu beachten, dass bei den Körperverletzungsdelikten grundsätzlich eine rechtfertigende Einwilligung des Opfers möglich ist329.

169b) Körperliche Misshandlung, Var. 1. Diese ist von der Gesundheitsschädigung (Var. 2) zu unterscheiden.

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Beide Varianten des § 223 Abs. 1 überschneiden sich häufig. Dies ist vor allem der Fall, wenn eine körperliche Misshandlung zugleich zu einer Gesundheitsschädigung führt. Es empfiehlt sich, in solchen Fällen mit Var. 1 zu beginnen. Wird diese bejaht, kann ggf. darauf hingewiesen werden, dass auch Var. 2 zusätzlich erfüllt ist. In unproblematischen Fällen – A verpasst dem B einen Faustschlag – sollte die Körperverletzung in aller Kürze festgestellt werden. Sofern die Verwirklichung des Tatbestandes jedoch problematisch ist, sollten Var. 1 und Var. 2 jeweils genau definiert und dann sorgfältig unter die jeweilige Definition subsumiert werden.

170Der Begriff der körperlichen Missshandlung erfasst Substanzverletzungen, Funktionsbeeinträchtigungen und alle übrigen nicht unerheblichen Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens.

Definition

Eine körperliche Misshandlung ist eine üble und unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt330.

Bspe. (Substanzverletzung): Verlust von Körperteilen, z. B. eines Zahns331; Abschneiden der Haare.

Bspe. (Funktionsbeeinträchtigung): Beeinträchtigung der Sehkraft332 oder der Bewegungsfähigkeit von Armen oder Beinen.

Bspe. (weitere Beeinträchtigungen des Wohlbefinden): Faustschlag, Ohrfeige, Fußtritt, Festhalten im „Schwitzkasten“333, Übergießen der Haare und Oberkleidung mit Brennspiritus334, langes Fesseln oder kräftezehrende Übungen wie Liegestütze oder das Halten von Baumstämmen335.

171Das Empfinden von Schmerz ist dabei nicht erforderlich336. Die Beeinträchtigung darf jedoch nicht unerheblich sein, so dass Bagatellfälle nicht den objektiven Tatbestand verwirklichen.

Bspe. (Bagatellfälle): Leichter Klaps337, leichter Stoß vor die Brust, kleiner Kratzer, leichte Hautrötung338, geringer Bluterguss eines Schülers bei Festhalten am Arm durch den Lehrer339.

172Auf der Grenze zu den Bagatellfällen liegt etwa das Bespucken des Opfers340. Entscheidend für die Lösung dieser Frage ist, ob man mit der h. M. die Beeinträchtigung des physischen Wohlbefindens verlangt341 oder ob man eine Beeinträchtigung des seelischen bzw. psychischen Wohlbefindens genügen lässt. Mit letztgenannter Ansicht kann man den Tatbestand damit begründen, dass das Wohlbefinden des Opfers durch Hervorrufen von Ekel nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Die h. M. verneint hingegen eine Körperverletzung, weil sich die physischen Folgen durch Abwischen leicht beseitigen lassen; es verbleibt dann lediglich eine tätliche Beleidigung gem. § 185 Var. 2. Auch das Hervorrufen von Angst, Schrecken, Wut, Müdigkeit usw. genügt nach h. M. nicht342, soweit nicht im Einzelfall das physische Wohlbefinden als Folge beeinträchtigt wird. Solche Beeinträchtigungen des psychischen Wohlbefindens können nur unter den Voraussetzungen des § 225 Abs. 1 erfasst werden, wenn der Täter also das Opfer z. B. „quält“343. Anders ist nur zu entscheiden, wenn die Einwirkung auf das psychische Wohlbefinden mittelbar auch zu einer Beeinträchtigung des physischen Wohlbefindens führt.

Bspe.: T erschreckt den O, worauf dieser einen schweren Schock erleidet; auf Grund des Telefonterrors des T erleidet O Kopfschmerzen. – Da T nicht nur psychische, sondern auch physische Beeinträchtigungen hervorruft, liegt eine Körperverletzung vor. Je nachdem, ob T vorsätzlich handelt, ist § 223 oder § 229 verwirklicht.

173c) Gesundheitsschädigung, Var. 2. Diese stellt auf die Herbeiführung eines krankhaften Zustandes ab.

Definition

Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustandes, d. h. eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden Zustandes344.

Bspe.: Anstecken mit einer Krankheit, Herbeiführen von Infektionen, Wunden, Fieber, Bewusstlosigkeit, Trunkenheit, exzessives Röntgen345 oder Knochenbrüche. Die Verabreichung von Betäubungsmitteln, die Infizierung mit einem HI-Virus, ohne dass die Krankheit dabei selbst bereits ausgebrochen sein muss346. Hingegen genügt das bloße Pusten von Zigarettenrauch und Spuckepartikeln nicht, soweit nur die Gefahr des Kontakts mit Viren und Bakterien besteht und daher gerade keine Gesundheitsschädigung herbeigeführt wird347.

174Auch bei Var. 2 ist zu beachten, dass es sich um nicht unerhebliche Beeinträchtigungen handeln muss. Daher führt nicht jede Betäubungsmittelgabe zwingend zu einer Gesundheitsschädigung, da vor allem beim Konsum leichter Drogen in geringer Dosis die normalen Körperfunktionen nicht so nachteilig beeinflusst werden, dass von einem pathologischen Zustand gesprochen werden kann348.

Bspe.: Das Herbeiführen geringer „blauer Flecken“, einer nur leicht erhöhten Temperatur oder das Beibringen ganz geringer Alkoholmengen überschreitet noch nicht die Bagatellgrenze.

Strafrecht Besonderer Teil

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