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2.Objektiver Tatbestand

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120a) Merkmale des Totschlags. Zunächst müssen die allgemeinen Voraussetzungen eines Totschlags vorliegen (Handlung, Erfolg, Kausalität und objektive Zurechnung). Ferner muss die Tatherrschaft beim Täter liegen, ansonsten ist lediglich straflose Beteiligung an einer Selbsttötung gegeben242.

Bsp.: Der lebensmüde O fordert den T auf, ihm Gift zu beschaffen, was T auch tut. O nimmt das Gift und stirbt. – Es liegt zwar ein ausdrückliches und ernstliches Verlangen des Getöteten i. S. d. § 216 vor. Jedoch besaß T keine Tatherrschaft über den lebensbeendenden Akt, da O freiverantwortlich die zum Tod führende Handlung vornahm.

121Ob § 216 durch Unterlassen verwirklicht werden kann, ist streitig243. Richtigerweise ist dies zu verneinen244. Fordert der zur Selbsttötung Entschlossene den Garanten ernstlich auf, diesen nicht am Suizid zu hindern bzw. diesen nicht zu retten, so liegt die Tatherrschaft beim Suizidenten245. Damit ist aber eine straflose Selbsttötung anzunehmen, an der nicht einmal eine Teilnahme möglich ist. Dann muss aber erst Recht eine Art „Nebentäterschaft“246 durch Unterlassen ausscheiden. Im Übrigen kann man auch argumentieren, dass der Garant auf Grund des Selbstbestimmungsrechts des Suizidenten aus seiner Stellung entlassen wird, und daher keine Garantenpflicht zur Hilfeleistung mehr besitzt247.

122b) Tötungsverlangen. Erforderlich ist stets, dass objektiv ein ausdrückliches und ernstliches Verlangen des Getöteten vorliegt.

123aa) Verlangen. Ein solches ist nur gegeben, wenn das Opfer auf den Willen des Täters einwirkt. Dieses kann sich auch an einen größeren, bestimmbaren Adressatenkreis (alle Ärzte einer Krankenstation, Pfleger eines Heimes usw.), dem der Täter angehört, richten. Die bloße Einwilligung des Opfers in ein Tötungsbegehren des Täters genügt jedoch nicht. Und erst Recht reichen bloße Vermutungen („mutmaßliches Verlangen“) nicht aus.

124bb) Ausdrücklich. Das Verlangen muss ausdrücklich, d. h. eindeutig und unmissverständlich, erfolgen. Eine Bedingung – etwa das Verlangen einer Fremdtötung für den Fall, dass eine Selbsttötung fehlschlägt – steht der Anwendung des § 216 nicht entgegen. Dabei kann das Verlangen als Aufforderung formuliert werden, aber auch in eine Frage gekleidet sein oder gar durch eine Geste deutlich gemacht werden248.

Bsp.:249 O möchte aus dem Leben scheiden und stellt die Frage, ob ihm T helfen würde, „die Spritze zu geben“. Die Frage kann – unter Einbeziehung des Gesamtzusammenhangs – als ausdrückliches und ernstliches Verlangen i. S. d. § 216 verstanden werden.

125cc) Ernstlich. Ferner muss das Verlangen ernstlich sein, d. h. auf einer freiverantwortlichen Willensentscheidung des Opfers beruhen. Hierfür können die für die Einwilligung entwickelten Grundsätze herangezogen werden. Das Opfer muss mithin die notwendige Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzen250. Diese kann im Einzelfall bei einer Berauschung durch Alkohol oder andere Drogen, Krankheit oder auf Grund jugendlichen Alters zu verneinen sein251. Ferner dürfen weder Zwang noch sonstige wesentliche Willensmängel, wie Irrtümer (sei es auf einer Täuschung beruhend oder nicht) oder eine nur augenblickliche depressive Stimmung gegeben sein252.

Bsp.: T täuscht den O darüber, dass dieser unheilbar krank ist. O bittet daraufhin den T, ihn zu töten, um ihm weitere Leiden zu ersparen. – Da die Entscheidung des O irrtumsbehaftet ist, liegt kein ernstliches Tötungsverlangen vor, so dass § 212 zur Anwendung gelangt. Würde O selbst die lebensbeendende Handlung vornehmen, wären §§ 212, 25 Abs. 1 Var. 2 (und keine straflose Beteiligung an einer Selbsttötung) gegeben, weil T auf Grund seiner Täuschungshandlung die Tatherrschaft besaß und der nicht freiverantwortlich handelnde O damit ein sich selbst schädigendes Werkzeug wäre.

126dd) Maßgeblicher Zeitpunkt. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass das ausdrückliche und ernstliche Verlangen im Tatzeitpunkt noch fortbesteht. Daraus folgt zugleich, dass das Tötungsverlangen jederzeit widerrufbar ist253. Ferner sind Bedingungen und Beschränkungen im Hinblick auf die Tötungsart zu beachten. Dem Verlangen wird jedenfalls dann nicht mehr Rechnung getragen, wenn eine wesentliche Abweichung hinsichtlich der verlangten Tötungsart vorliegt254.

127c) Durch das Verlangen zur Tötung bestimmt. Der Täter muss gerade durch das Tötungsverlangen des Opfers zur Tötung bestimmt worden sein. Das Verlangen muss demgemäß handlungsleitend sein, was etwa zu verneinen ist, wenn der Täter bewusst ein Opfer sucht, das in die Tötung einwilligt255. Bei sog. Motivbündeln genügt es, dass das Tötungsverlangen bewusstseinsdominant ist256, so dass weitere untergeordnete Motive (z. B. Aussicht auf Erbschaft) der Anwendung des Privilegierungstatbestands nicht entgegenstehen.

128aa) Bestimmen. Für die Konkretisierung kann auf die für die Anstiftung geltenden Grundsätze zurückgegriffen werden. Wer demnach bereits zur Tat entschlossen ist (omnimodo facturus), kann nicht mehr zur Tat bestimmt werden257.

Bsp.: T beschließt, seine schwerkranke Ehefrau O zu töten, um ihr weitere Leiden zu ersparen. Kurz vor der Tat bittet die O ihn ausdrücklich und ernstlich darum, sie zu töten. – Es liegt kein Fall des § 216 vor, da T nicht durch das Verlangen der O zur Tat bestimmt wurde. Im Rahmen des § 212 kann dem geringeren Schweregehalt der Tat ggf. über die Strafzumessungsregel des § 213 Var. 2 Rechnung getragen werden. Soweit Mordmerkmale verwirklicht sind, müsste diskutiert werden, ob die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe schuldangemessen ist und diese ggf. im Wege der Tatbestands- oder Rechtsfolgenlösung vermieden werden kann258.

129bb) Anwendung von § 28 Abs. 2. Das privilegierende Merkmal des Tötungsverlangens wird von der h. M. zu Recht als ein besonderes persönliches Merkmal i. S. d. § 28 Abs. 2 eingestuft, weil die Privilegierung ihre Begründung auch in der persönlichen Konflikt- bzw. Mitleidssituation findet. Bei mehreren Beteiligten kommt die Privilegierung damit nur demjenigen zugute, der selbst durch das Verlangen zur Tat bestimmt wurde259. Nach der Gegenansicht handelt es sich dagegen um ein tatbezogenes Merkmal260, für welches bei Teilnahme die Regeln der limitierten Akzessorietät gelten.

Bsp.: O bittet den T, ihn zu töten. G besorgt das Gift in Kenntnis dieser Situation, da er als Alleinerbe eingesetzt ist. – T macht sich gem. § 216 strafbar. Nach h. M. kommt G die Privilegierung nicht zugute, da er nicht von O zur Tat bestimmt wurde; da er aus Habgier handelte, kann er nach h. L. über § 28 Abs. 2 sogar nach §§ 211, 212, 27 bestraft werden, weil er ein persönliches Mordmerkmal verwirklicht (nach der Rechtsprechung kommen nur §§ 212, 27 in Betracht, da es an einer Haupttat nach § 211 fehlt261). Nach der Gegenansicht kann G hingegen auf Grund der akzessorischen Haftung nur nach §§ 216, 27 bestraft werden.

130d) Notwendige Beteiligung. Das Opfer, von dem das Tötungsverlangen ausgeht, ist als notwendig Beteiligter auch dann straflos (keine Anstiftung), wenn die Tat fehlschlägt und für den Täter daher ein Versuch des § 216 gegeben ist.

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