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3.Exkurs: Internationales und Europäisches Strafrecht
Оглавление50Die im letzten Jahrhundert vermehrt auftretenden schwerwiegenden und systematischen Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Machthaber führten zu einer rasanten Entwicklung eines eigenständigen Völkerstrafrechts. Dies hatte zur Folge, dass Verstöße gegen zentrale Normen des Völkerrechts heute zum Teil unmittelbar nach Völkerrecht, d. h. nicht mehr (nur) nach dem nationalen Recht eines Staates, abgeurteilt werden können. Zuständig ist der ständige internationale Strafgerichtshof (IStGH) mit Sitz in Den Haag (Niederlande). Die hier aufgenommenen (völkerrechtlichen) Strafvorschriften finden sich allerdings auch im nationalen deutschen Recht wieder. Sie wurden in §§ 6 ff. des deutschen Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) aus dem Jahre 2002 den Regelungen des IStGH-Statuts nachgebildet. Es handelt sich hierbei um die Tatbestände des Völkermords (§ 6 VStGB), des Verbrechens gegen die Menschlichkeit, d. h. schwerwiegende Verletzungen von Menschenrechten z. B. aus rassistischen oder religiösen Gründen (§ 7 VStGB) und der Kriegsverbrechen, d. h. der schwerwiegenden Verletzungen des Kriegsvölkerrechts, z. B. durch die Misshandlung von Gefangenen oder Plünderungen (§§ 8 ff. VStGB). Bei der Ahndung dieser Verbrechen ist nach § 1 VStGB die deutsche Strafgewalt nach dem hier verankerten Universalitätsprinzip stets eröffnet, wobei ausdrücklich auf einen „legitimierenden Anknüpfungspunkt“ verzichtet wurde.
51Auf eine ausführliche Darstellung des sich erst noch entwickelnden „Europäischen Strafrechts“ wird an dieser Stelle verzichtet, da die Europäische Union derzeit nur eine sehr begrenzte Kompetenz zum Erlass verbindlicher Strafrechtsnormen besitzt (vgl. Art. 33, 83, 325 Abs. 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV). Dennoch wirkt das europäische Recht auch in das deutsche Strafrecht hinein. Durch europäische Rechtsakte wird der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, entsprechende Strafvorschriften zu schaffen, die Rechtsanwender sind gehalten, deutsches Recht „unionskonform“ auszulegen und teilweise enthalten auch deutsche Strafnormen eine direkte Bezugnahme auf europäische Verordnungen oder Richtlinien. Besondere Bedeutung erlangt das Europäische Recht zudem bei der Strafverfolgung sowie bei der Rechtshilfe (Bsp.: Europäischer Haftbefehl).
52Wesentlich größere Bedeutung hat hingegen die – auf eine Initiative des Europarates (nicht der Europäischen Union!) zurückgehende – Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Der deutsche Gesetzgeber hat die EMRK durch ein Gesetz in die deutsche Rechtsordnung überführt, sodass die Regelungen der EMRK nunmehr im Rang eines Bundesgesetzes – und daher auf derselben Ebene wie das StGB – gelten. Die EMRK enthält eine Vielzahl von Rechten des einzelnen Bürgers sowie eine Vielzahl rechtsstaatlicher Mindestgarantien im Strafverfahren, die sich in der Regel auch mit den Grundrechten der deutschen Verfassung decken. Für die Auslegung spielt – auch im Hinblick auf das deutsche Recht – die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) eine entscheidende Rolle.
Literaturhinweise
Hombrecher, Grundzüge und praktische Fragen des Internationalen Strafrechts – Teil 1: JA 2010, 637; Teil 2: Europäisches Strafrecht und Völkerstrafrecht, JA 2010, 731 (kurzer, prägnanter Überblick über Fragen des europäischen und internationalen Strafrechts); Walter, Einführung in das internationale Strafrecht, JuS 2006, 870, 967 (studierendengerechter Überblick über die Problematik des internationalen Strafrechts)