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2. Beschränkungsverbot
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In der Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass die Dienstleistungsfreiheit über ein bloßes Diskriminierungsverbot hinaus „die Aufhebung aller Beschränkungen, selbst wenn sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistende wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten, verlangt, wenn sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen“ (EuGH, Urt. v. 25.7.1991, C-76/90 – Säger –, Rn. 12; Urt. v. 12.12.1996, C-3/95 – Broede –, Rn. 25). Die Beeinträchtigung kann sowohl vom Aufnahme- als auch vom Heimatstaat ausgehen (EuGH, Urt. v. 10.5.1995, C-384/93 – Alpine Investments –, Rn. 30).
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Wiederholt wurden vom EuGH Eintragungs- oder Genehmigungserfordernisse vor der Ausübung der Tätigkeit als Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit angesehen. In diesem Zusammenhang hat der EuGH etwa die sich aus der deutschen Handwerksordnung ergebende Pflicht beanstandet, wonach sich ein Unternehmen vor Ausübung einer handwerklichen Tätigkeit in die Handwerksrolle eintragen und damit Pflichtmitglied in der Handwerkskammer werden musste. Das Eintragungsverfahren würde bei Unternehmen, die bereits in ihrem Heimatstaat die erforderlichen Voraussetzungen nachgewiesen hätten, die Leistungserbringung unzulässig erschweren und verzögern sowie durch die Zahlung der Kammerbeiträge verteuern (EuGH, Urt. v. 3.10.2000, C-58/98 – Corsten –, Rn. 34, 48; Urt. v. 11.12.2003, C-215/01 – Schnitzer –, Rn. 34). Eine Beschränkung liegt auch vor, wenn die Erteilung einer behördlichen Erlaubnis von einer bestimmten beruflichen Qualifikation abhängig gemacht wird (EuGH, Urt. v. 25.7.1991, C-76/90 – Säger –, Rn. 14; Urt. v. 17.12.2015, C-342/14 – X-Steuerberatungsgesellschaft –, Rn. 49).
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Angesichts der Weite des Beschränkungsverbotes wird in der Literatur überwiegend gefordert, die Einschränkung im Bereich der Warenverkehrsfreiheit durch die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Keck (EuGH, Urt. v. 24.11.1993, C-267/91 u.a. – Keck –, Rn. 17) auf die Dienstleistungsfreiheit zu übertragen. Damit wären lediglich Beschränkungen des Marktzugangs erfasst, nicht aber den Verkaufsmodalitäten entsprechende Regelungen zu den Modalitäten der Erbringung der Dienstleistungen. Einige Urteilsbegründungen des EuGH deuten darauf hin, dass er seine Rechtsprechung in diesem Sinne auf die Dienstleistungsfreiheit übertragen will. So hat der EuGH etwa in der Rechtssache Alpine Investments ausdrücklich eine Prüfung anhand der Vorgaben der Keck-Rechtsprechung bejaht, in der Sache allerdings eine Beschränkung des Marktzugangs angenommen (EuGH, Urt. v. 10.5.1995, C-384/93 – Alpine Investments –, Rn. 33 ff.). In der Rechtssache Mobistar wurde eine unterschiedslos anwendbare Maßnahme, die in- und ausländische Anbieter gleichermaßen belastete und die grenzüberschreitende Leistungserbringung gegenüber der Tätigkeit von Inländern nicht erschwerte, als mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar angesehen, ohne aber ausdrücklich die Keck-Rechtsprechung zu übernehmen (EuGH, Urt. v. 8.9.2005, C-544/03 – Mobistar –, Rn. 35). Die Rechtslage ist daher weiterhin offen.