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Kapitel 13
ОглавлениеDas Studium von Lilly Hammarströms Patientenakte und des Obduktionsberichts hatten nichts Neues ergeben. Keinerlei Widersprüche waren aufgetreten. Verfolgte sie hier nur sie Hirngespinste ihres Mandanten oder war etwas dran an seinem Verdacht?
Ella kam so nicht voran, also beschloss sie, sich mal vor Ort in der „For ever young“ Klinik, diesen Namen hatte Ruth natürlich prompt und außerordentlich prägnant erfunden, umzuschauen und beim Chefarzt auf den Busch zu klopfen. Aus dem Grad der Nervosität der Klinikleitung ließen sich möglicherweise Rückschlüsse ziehen, wie viel Dreck die unter den Teppich kehrten.
„Ruth", rief sie, „ich habe einen Rechercheauftrag für dich.”
Ihre Mitarbeiterin kam sofort fröhlich ins Büro gestürmt. Sie liebte solche Aufgaben, da war sie richtig gut drin. Für sie war es eine spannende Abwechselung von der alltäglichen Routinearbeit.
„Du musst für mich herausfinden, wem die „For ever young“ Klinik gehört und wie sich die finanziellen Verhältnisse darstellen.”
Mit gezücktem Stift machte Ruth sich Notizen und verschwand dann eilig, wie ein Bluthund, der Witterung aufgenommen hat.
„Das hat einige Tage Zeit", rief Ella ihr hinterher.
„Der Scheidungsantrag von Frau Kowalski ist viel wichtiger; die wird fast jeden dritten Tag von ihrem Ehemann halbtot geschlagen.“
Um die Mittagszeit hatte Ella einen Termin mit dem Chefarzt der Wannsee Klinik vereinbart. Als sie das beeindruckende Portal des Gebäudes erreichte, fielen gerade die ersten dicken Regentropfen. Der Himmel hatte sich mit dunklen Wolken zugezogen. Obwohl es mitten am Tag war, herrschte plötzlich Abenddämmerung.
Ella betrat die beeindruckende Lobby der „For ever young“ Klinik. Das Exemplar der Empfangsdame war so perfekt, wie ein Supermodel. Die Nase so gerade, wie mit dem Lineal gezogen, hohe Wangenknochen, große Augen, volle Lippen, faltenfreies Gesicht. Waren die etwa alle durch die Hände von Dr. Christoupoulos gegangen? War das hier Einstellungsvoraussetzung?
Weiße Kittel und Desinfektionsmittelgeruch suchte man hier vergebens. Alles erinnerte in der Ausstattung an ein elegantes Hotel. Nur das auf den Tischen in der Empfangshalle ausliegende Infomaterial sowie ein großes Plakat mit einem alterslos lächelnden Paar und dem Werbeversprechen „For ever young" verrieten den wahren Daseinszweck dieses Instituts. Neugierig nahm Ella einige Prospekte an sich und verstaute sie in ihrer Umhängetasche. Wer weiß, vielleicht bräuchte sie mal ein paar Anregungen. Obwohl sie mit ihrem Äußeren einigermaßen zufrieden war, bzw. genügend wichtigere Baustellen im Leben hatte, als sich mit „For ever young" auseinanderzusetzen, war die Empfangsdame so außerordentlich perfekt (optisch zumindest), dass dies ihr Selbstbewußtsein prompt unterminierte. Ein kluger Schachzug der Klinik fand sie, so konnte man den Bedarf auch ankurbeln.
Empfangsdame Nr. 1 reichte sie an Assistentin Nr. 2 weiter, die sie in das Allerheiligste des Chefs geleitete. Auf dem Weg dorthin scannte Ella unauffällig die Umgebung mit den Augen, sie beobachtete, dass alle Flure, die sie passierten, mit Überwachungskameras ausgerüstet waren.
An die alte Villa schloss sich ein moderner Klinibau aus Stahl und Glas an, in denen sich die Behandlungsräume befanden. Dr. Christopoulos hatte sein Büro im 4. Stock. Er empfing Ella äußerst zuvorkommend in seinem edel und modern eingerichteten Büro. Auch hier musterte Ella sorgsam die Umgebung, tastete mit ihren Augen die Wände und Bücherregale ab. Auf Anhieb konnte sie hier keine Kameras entdecken, was nichts weiter zu bedeuten hatte, schließlich konnten sie auch versteckt in den Deckenleuchten oder der Bücherwand untergebracht sein.
Dr. Christoupoulos begrüßte sie höflich.
„Was kann ich für sie tun, Frau Lauenstein?”, eröffnete er das Gespräch.
Ella kam gleich auf ihr Anliegen zu sprechen.
”Es geht um den Tod ihrer Patientin Liliy Hammarström. Ihr Ehemann hat mich mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt".
Auf seiner Stirn zeigte sich die Andeutung einer Falte, leichte Ungeduld schwang in seiner Stimme mit, als er entgegnete:
„Das wurde doch alles gründlich untersucht. Denken sie, wir können so einen, zugegebenermaßen tragischen Todesfall einfach unter den Teppich kehren? Es gab natürlich auch eine offizielle Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft. Unsere Klinik trägt keinerlei Schuld am Tod von Frau Hammarström, zu diesem Ergebnis ist auch die staatsanwaltliche Untersuchung gelangt. Sie hatte nun mal ein schwaches Herz, das kommt leider manchmal vor. Das Narkosemittel war ein absolut marktübliches Medikament, auch darauf war ihr Tod nicht zurückzuführen. Ihr Ehemann tut mir sehr leid, aber er leidet da an einer fixen Idee. Er kann den Tod seiner Frau einfach nicht verarbeiten. Er sollte sich psychiatrisch behandeln lassen, was der mir alles an den Kopf geworfen hat. Auch der Eingriff der Brustvergrößerung selbst war ein absolut übliches, sehr erprobtes Verfahren. Ich kann es ihnen gern erklären".
Ella sah, wie er mit einer flinken Bewegung von irgendwoher diverse größere und kleinere Silikonkissen hervor zauberte. Oder waren die inzwischen mit Kochsalzlösung gefüllt? Sie hatte da kürzlich irgendwas in einer Medizinrechtlichen Fachzeitschrift drüber gelesen. Es hatte da einen irrsinnigen Skandal gegeben. Sein Blick heftete sich auf Ellas Brust, zumindest bildete sie sich dies plötzlich ein.
Ella hatte endgültig genug, hier kam sie nicht weiter. Die waren in der Klinik natürlich heilfroh gewesen, als die Staatsanwaltschaft die Akte geschlossen hatte, damit war für die Verantwortlichen hier der Vorgang erledigt.
Sie sprang abrupt auf um sich zu verabschieden, hielt jedoch inne, als ihr plötzlich noch eine Idee kam.
„Könnte ich die Klinik besichtigen?”, fragte sie. „Eine Freundin von mir will sich hier vielleicht, äh, behandeln lassen.”
Das war eine mehr als fadenscheinige Ausrede, schien ihn aber nicht weiter zu verwundern.
„Alles zu zeigen, ist nicht üblich. Aus hygienischen Gründen dürfen Besucher nicht in den Operationstrakt, aber sie können selbstverständlich die Patientenzimmer besichtigen. Meine Assistentin wird sie herumführen."
Mit diesen Worten reichte er ihr die Hand zum Abschied und die Assistentin lotste sie aus dem Chefzimmer.
Auch die weitere Besichtigung der „For ever young“ Klinik förderte keine aufregenden Neuigkeiten zutage. Es war alles so, wie sie es erwartet hatte. Elegant, teuer, steril, aufgeräumt, fleckenlos und unantastbar.
Kaum hatte seine - eher ungebetene - Besucherin den Raum verlassen, fiel Dr. Christoupoulos in sich zusammen wie ein angestochener Luftballon. Mit einer routinierten Bewegung riss er seine Schreibtischschublade auf und griff nach der Whiskyflasche. Seine Hände zitterten so sehr, dass er kaum den Schraubverschluss öffnen konnte.
Er verzichtete gleich auf das Whiskyglas und setzte die halbvolle Flasche gierig wie ein Verdurstender an die Lippen. Rechts und links bildeten sich kleine Rinnsale, die auf seinen weißen Arztkittel tropften. Ahhh, das tat gut. Der Alkohol beruhigte ihn sofort! Es war der teuerste Whisky am Markt. Er ließ ihn sich extra aus dem KaDeWe schicken, aber den konnte er sich von seinem Chefarztgehalt schließlich leisten. Er war sein ganz persönliches Betäubungsmittel. Mein Gott, was hatte diese grässliche Zicke von Rechtsanwältin hier gewollt?
Wenn die anfing hier ernsthaft zu graben, war er komplett im Arsch. Er war ein hoffnungsloser Alkoholiker, soviel medizinische Selbsterkenntnis besaß er noch und hatte sich schon das halbe Hirn weg gesoffen und seine Leber auf das Übelste malträtiert. Schon allein das war ein absoluter Skandal, der streng geheim bleiben musste. Als Arzt wusste er mehr als jeder andere, dass er an der Flasche hing und er nutzte alle ihm zur Verfügung stehenden medizinischen Tricks, um diese Tatsache, die sich auch in seinem Gesicht abzeichnete, zu verheimlichen.
Gegen rote, erweiterte Äderchen im Gesicht und scharfe Falten gab es gute Gegenmittel. Er zahlte viel Geld an seine Berufskollegen, damit sie die Schäden in seiner Visage minimierten. Mit seiner Leber war das was anderes, da konnte er sich ausrechnen, wie viele Jahre die seinem Whiskykonsum noch standhalten würde.
Aber er vermutete, dass diese nervige Schnüffelnase dieses Geheimnis nicht so sehr interessierte. Es wäre allerdings für den Ruf der Klinik sehr schädlich, wenn diese Tatsache bekannt werden würde. Hinsichtlich möglicher Fehler bei Operationen hatte er persönlich ein reines Gewissen, schließlich operierte er nicht mehr selbst, das war zu riskant. Wenn er stocknüchtern war, was kaum noch vorkam, zitterten seine Hände so sehr, dass er sich nicht aus dem Haus trauen konnte. Um dieses Zittern zu vertuschen, musste er trinken.
Er war nur noch das Aushängeschild hier, der gute Name vergangener Zeiten. Dafür bekam er sein üppiges Gehalt.
Langsam beruhigte er sich wieder, der Alkohol verbreitete seine wohltuende Wirkung und der Stress fiel langsam von ihm ab. War der Tod von Lilly Hammarström wirklich ein Unglücksfall gewesen? Er grübelte, Zweifel begannen an ihm zu nagen.